Für einen Tag stand Ensdorf im Zentrum internationaler Beobachter. Kanzler und Vizekanzler reisen selten zu zweit in die Provinz. Der Anlass war es aber mehr als wert.
Das Saarland hat kürzlich nochmal seine Frankreichstrategie forciert mit dem Ziel, das Land zum ersten mehrsprachigen Bundesland zu entwickeln. Was aber nicht heißt, dass hier neben Deutsch nur noch Französisch gesprochen würde. In den letzten Tagen war Englisch die Hauptsprache. Obwohl Gregg Lowe auch ausgesprochen gut Deutsch spricht.
Das tat der Chef von Wolfspeed auch teilweise, als er ganz offiziell die Milliardeninvestition im saarländischen Ensdorf präsentierte. In der ersten Reihe hatten Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Ministerpräsidentin Anke Rehlinger sowie das führende Management von ZF und natürlich von Wolfspeed selbst Platz genommen.
Für das auch international viel beachtete Event war eigens ein großes Zelt für Gäste aufgebaut auf einem Platz, auf dem früher Kohle für das Kraftwerk lagerte. Die Limousinen der hohen Gäste parkten unter der Silhouette von Kraftwerksblock und Kühlturm, deren Tage jetzt endgültig gezählt sind.
Es hätte kaum einen symbolisch eindrucksvolleren Ort geben können für das, was sich am 1. Februar am Ufer der Saar abspielte. Gregg Lowe erklärte, dass er sich in dieses Land und diesen Standort verliebt habe. Ein vielzitierter Satz, der noch lange nachhallen wird.
Da klang es schon fast etwas spröde, als Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) erklärte: „Heute schlagen wir ein neues Kapitel in der Wirtschaftsstruktur unseres Landes auf.“ Allzu vornehme Zurückhaltung ist eigentlich nicht ihre Art. Aber jetzt sollten wohl erst einmal Olaf Scholz, Robert Habeck und natürlich Gregg Lowe würdigen, was dieser Tag und diese Entscheidung für das Saarland, für Deutschland und, ja, auch für Europa bedeuten.
Ein neues Kapitel der Wirtschaftsstruktur
Das Saarland habe die industrielle Revolution zurück, betonte Bundeskanzler Scholz. Die Standortwahl sei kein Zufall, das Saarland habe Erfahrung mit Umbrüchen, sei deshalb offen für Neues und habe die „Entschlossenheit, Neues auch anzupacken“. Das Saarland wirbt schon lange mit großer Erfahrung im Strukturwandel. Ob Anke Rehlinger das Olaf Scholz noch einmal ausdrücklich nahebringen musste, ist nicht bekannt. Dass sie einen sehr guten Draht zum Kanzler hat, ist immer wieder zu hören, und das war sicher auch von Bedeutung.
Sollte Olaf Scholz die Südamerikareise, von der er erst am Vortag zurückgekommen war, noch in den Kleidern gesteckt haben, ließ er sich nichts davon anmerken. Er ordnete die neue Ansiedlung in einen Rahmen ein, der ihre Tragweite deutlich macht, nämlich als einen ganz wesentlichen Baustein der europäischen Strategie – zum einen als Konsequenz aus den Erfahrungen mit der Lieferkettenproblematik, zum anderen auf dem Weg zum klimaneutralen Kontinent. Die Chip-Fabrik werde dafür sorgen, „dass die europäische Industrie verlässlich mit Halbleitern versorgt wird“, vor allem die Automobilindustrie. Die Chips gelten als wesentlicher Baustein für die weitere Entwicklung von E-Autos, aber auch für andere Technologien einer grünen Zukunft, etwa in den Antrieben von Windrädern, wie sie beispielsweise vom Partner ZF kommen. Auch Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ordnete die Chip-Fabrik in ihrer Bedeutung für Deutschland und Europa ein: Er sieht neben der örtlichen Symbolik auch eine zeitliche Symbolik, nach einer wirtschaftlich schwierigen Lage „wieder den Kopf über Wasser“ zu kriegen.
Es sind Sätze, wie sie zu einem solchen Ereignis freilich dazugehören, die aber auch durch harte Fakten unterlegt sind: Die Bedeutung dieser Ansiedlung könne eigentlich gar nicht überschätzt werden, lautete tags drauf der Kommentar im renommierten „Handelsblatt“.
Place to be für die Zukunft der Industrie
Während Kanzler und Vizekanzler nach der Präsentation mit einer beeindruckenden Video-Animation zu der geplanten Fabrik den Standort zügig wieder verließen, beantwortete Gregg Lowe geduldig und ausführlich in einem improvisierten Pressegespräch, was an Fragen offen geblieben war – soweit es sich zu diesem Zeitpunkt verbindlich beantworten ließ. Was nicht dazu gehörte, war die immer wieder nachgefragte konkrete Zahl zum Investitionsvolumen. Zwei Milliarden Euro wurden immer wieder genannt, spätere Andeutungen von Lowe ließen auf etwas über zweieinhalb Milliarden schließen. Ansonsten äußerte er sich vor allem in einer Frage sehr klar, nämlich zu der, welches der von allen Beteiligten immer wieder hervorgehobenen guten Argumente für die Standortwahl letztlich das ausschlaggebende gewesen sei: Arbeitskräfte. Eine Bestätigung für eines der gewichtigsten Argumente der Landesregierung für die Ansiedlung.
Ministerpräsidentin Anke Rehlinger gab sich ganz selbstbewusst nach zwei Jahren Gesprächen, Verhandlungen und Planungen: „Herzlich willkommen am Place to be, wenn es um die Zukunft der Industrie geht!“