Was kostet das 49-Euro-Ticket? Drei Milliarden Euro, ohne Regionalisierungsmittel. Der Nachfolger des beliebten 9-Euro-Tickets ist notwendig, die Erfahrungen von 2022 zeigen jedoch: Es braucht vor allem mehr Infrastruktur.
Es ist beschlossene Sache, das Deutschlandticket für den deutschen Regionalverkehr kommt bundesweit. Nur wann und wie viel es letztlich genau kosten wird, wissen die deutschen Bus- und Bahnfahrerinnen und -fahrer noch nicht. Dass das Ticket erheblichen Einfluss auf die deutsche Mobilität haben wird, konnten sie bereits 2022 erleben. Mit dem Vorläufer, dem 9-Euro-Ticket, stiegen zahlreiche Deutsche auf Bahnhöfen und Bushaltestellen ein statt mit dem Auto zu fahren oder zu Fuß zu gehen. 52 Millionen Mal wurde es verkauft, die Bahn wurde an manchen Wochenenden der Zahl der Fahrgäste nicht mehr Herr. Ein Beweis, dass die Verkehrswende machbar ist – aber nicht mit der vorhandenen Infrastruktur, nicht mit den vorhandenen Beförderungsmitteln.
Mittlerweile hat sich der Bund auf den Nachfolger geeinigt. Ab April soll das neue Ticket als Karte und digital erhältlich sein. Der Einführungspreis: 49 Euro – das bedeutet, dass weiterhin Preiserhöhungen möglich sind. Zur Finanzierung schießen Bund und Länder insgesamt drei Milliarden Euro zu, beide jeweils die Hälfte.
Das Geld stopft vor allem Löcher. Denn: „Zunächst mal wird der Branche mit dem Ticket gehörig viel Geld in der Kasse fehlen“, sagt Lars Wagner, Sprecher des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Die drei Milliarden Euro entsprechen „den von der Branche prognostizierten Einnahmeverlusten“, so Wagner weiter. „Denn wenn ein Ticket für viele Fahrgäste, vor allem Berufspendlerinnen und -pendler, auf der einen Seite deutlich günstiger wird, fehlen den Verkehrsunternehmen und -verbünden auf der anderen Seite die Einnahmen.“
Zwar wird als Starttermin der 1. April angepeilt. Ob das hinhaut, hängt jedoch an zahlreichen Faktoren. „Was die eine Seite, die Fahrgäste, also freut, das stellt die andere Seite vor große Herausforderungen“, dämpft Lars Wagner schon einmal die Erwartungen. „Deshalb ist die dauerhafte Einführung eines bundesweit einheitlichen und extrem preiswerten Tickets auch nicht über Nacht möglich. Denn neben den wirtschaftlichen Aspekten müssen auch viele technische Herausforderungen gelöst werden: Einheitliche Fälschungs- und Kontrollsicherheit der Tickets überall, Anpassung der bestehenden Tarifsysteme, umfassende Kundeninformation, gesetzgeberische und regulatorische Änderungen.“
Tarifsysteme verändern sich
Klar ist: Ohne weitere Regionalisierungsmittel ist die Zahl an möglichen neuen Kunden nicht zu stemmen, sagen die Verkehrsbetriebe. Von einer „Tarifrevolution“ ist die Rede. Schon bei der Einführung des 9-Euro-Tickets wurde deutlich, dass zahlreiche Menschen auf Busse und Bahnen umsteigen, wenn es so günstig ist, und vorhandenes Personal, Waggons und Busse mit dem Andrang überfordert waren. Die Hürde beim neuen Ticket liegt nun finanziell zwar höher, was Kritik von der Verbraucherzentrale und von Sozialverbänden nach sich zog. Verbraucherschützer fordern daher auch ein Sozialticket zum Preis von 19 Euro.
Auch die Berliner Ampelkoalition hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Nutzerzahlen im öffentlichen Nahverkehr „deutlich zu erhöhen“. Will sie dies einhalten, funktioniert es nur mit einem deutlich erhöhten Angebot, einfacherer Tarifstruktur und mehr Bussen und Bahnen. Deshalb stockt der Bund auch die Regionalisierungsmittel um eine Milliarde Euro auf, also das Geld, welches letztlich auf Länderebene ausgegeben wird, um öffentlichen Nahverkehr zu bestellen. Jährlich sollen sie um drei Prozent statt bisher um 1,8 Prozent erhöht werden. 2022 waren es insgesamt 9,4 Milliarden Euro.
Die Tarifsysteme in Deutschland sind damit nicht obsolet. Aber es wird viele Ticketangebote und Tarifsysteme verändern, glaubt auch VDV-Sprecher Wagner. „Natürlich wird es einige Tickets dann nicht mehr geben. Aber man muss da schon genau hingucken, denn nicht für jeden Fahrgast ist ein bundesweites Ticket für 49 Euro im Monat zwangsläufig die richtige Wahl.“ Im Deutschlandticket werden keine Zusatznutzen wie Personen- oder Fahrradmitnahme enthalten sein, denn „das wäre nicht zu finanzieren“, so Wagner. „Wenn ich als Fahrgast aber bei meinem heutigen Ticket zum Beispiel eine solche Personenmitnahme habe und mir diese besonders wichtig ist, dann werde ich künftig schon abwägen, ob eine bundesweite ÖPNV-Nutzung wichtiger ist oder eben andere Zusatznutzen, die ich nur bei regional gültigen Ticketangeboten bekomme. Und es wird auch weiterhin den sogenannten Bartarif geben für Menschen, die nur gelegentlich mal Bus und Bahn fahren, oder für Touristen.“
Nachdem der Bund die Mittel aufgestockt hatte, sagte VDV-Geschäftsführer Jan Schilling, es fehle dennoch eine langfristige finanzielle Perspektive, um die für den Ausbau des Angebots und die Erhöhung der Kapazitäten nötigen Investitionen zu tätigen. Grundlage dessen sei, dass „der ÖPNV als Teil der Daseinsvorsorge von jeher auf die finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand angewiesen ist, das ist politisch und systemisch so gewollt, um den Menschen in Deutschland Teilhabe an Mobilität zu ermöglichen“, konkretisierte VDV-Sprecher Lars Wagner gegenüber FORUM. „Dies bedeutet aus wirtschaftlicher Betrachtung jedoch, dass die Verkehrsunternehmen kaum Rücklagen und finanzielle Spielräume haben. Insofern braucht es langfristige Zusagen der Politik mit Blick auf die nötigen finanziellen Mittel.“ Und diese sind bislang noch nicht getroffen.
Der Druck steigt auch von Gesetzesseite her: Der Verkehrssektor muss laut Klimaschutzgesetz wie andere Sektoren seine Jahresemissionsmenge bis 2030 deutlich senken. Bisherige Maßnahmen reichten aber nicht aus, hieß es in einem Gutachten des Expertenrats für Klimafragen, ein Beratergremium der Regierung. Im Verkehrsbereich sei etwa eine 14-fache Erhöhung der Reduktionsgeschwindigkeit notwendig, um das Sektorziel für 2030 zu erreichen.