Bosch, Ford, SVolt. Große Stationen im Strukturwandel sorgen auch für intensive Diskussionen und Streit im Kommunalwahlkampf. Eine Herausforderung für Räte und Kommunalpolitiker.
Homburg, Saarlouis, Überherrn – sie stehen symbolhaft für die großen Umbrüche, die sich derzeit quer durchs Land vollziehen, mit allen Ungewissheiten, Sorgen, aber auch Hoffnungen und Perspektiven. Damit stehen sie aber auch für heftige politische Auseinadersetzungen in aufziehenden Wahlkämpfen. Vor Ort stellen sich jeweils sehr unterschiedliche Fragen, die auch von der Kommunalpolitik beantwortet werden müssen, aber in der Regel auch weitreichende Bedeutung für die Zukunft des Landes insgesamt als Industriestandort haben.
In Homburg haben sich zuletzt rund 2.500 Mitarbeiter von Bosch an einem bundesweiten Protesttag gegen die Pläne des Bosch-Konzerns beteiligt, der den Abbau von rund 7.000 Stellen weltweit, davon über die Hälfte in Deutschland, angekündigt hatte. Für die Mitarbeiter in Homburg einmal mehr eine Hiobsbotschaft, die umso schwerer belastet, weil bislang außer der allgemeinen Ankündigung nichts wirklich Konkretes bekannt ist.
Gewerkschaften und Betriebsrat haben Alarm geschlagen, weil sie für den Standort im Saar-Pfalz-Kreis größte Befürchtungen haben. „Jeden Tag gibt es neue Botschaften über einen Jobabbau. In Homburg sind Belegschaft, Betriebsräte und Gewerkschafter in Sorge“, sagt Salvatore Vicari, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Homburg.
Bei Bosch schlagen zwei Probleme durch, mit denen sich auch andere in der saarländischen Automobil- und Zulieferindustrie auseinandersetzen müssen: der grundlegende Umbruch, die große Transformation und die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland.
Bei Bosch in Homburg werden hauptsächlich Injektoren (für Pkw und Lkw) produziert. Knapp drei Viertel der Belegschaft ist in diesem Bereich tätig, der bis 2025 abgesichert ist. Der Konzern hat nun angekündigt, eine Injektoren-Produktion in der Türkei aufzubauen. Was das für Homburg bedeutet, ist unklar, aber die Ankündigung lässt wenig Gutes ahnen.
Bosch ist dabei keineswegs allein. Verlagerungen an Standorte mit günstigeren Bedingungen und Abwanderungen etwa in Richtung Osteuropa würden in vielen Bereichen der Industrie überlegt, warnte erst vor Kurzem die Industrie- und Handelskammer im Saarland. Hintergrund war eine Sonderumfrage in saarländischen Industrie- und Handelsunternehmen, die eine massive Kritik an den Rahmenbedingungen am Standort Deutschland zutage gefördert hat.
Das zweite große Problem bei Bosch Homburg ist der Strukturwandel weg vom klassischen Verbrenner. Deshalb sollten Komponenten für die Elektromobilität gefertigt werden. Und große Hoffnung hat man auf Wasserstoff gesetzt. Die Komponentenfertigung dafür war erst kürzlich angelaufen und sollte bis Ende des Jahrzehnts neue Arbeitsplätze bringen. Nun deutet alles darauf hin, dass sich die Geschichte mit dem Wasserstoff erheblich länger hinzieht. Die Konzernspitze verlautet, dass der Wasserstoffmarkt in Europa nicht so kommen werde wie einmal prognostiziert, sondern erst Jahre später. Wie das Werk in Homburg diese zeitliche Lücke überbrücken soll, ist noch unklar. Oliver Simon, Betriebsratschef von Bosch Homburg und Mitglied des Gesamtbetriebsrats, fordert deshalb Ersatzprodukte.
In Homburg also Bangen um den Industriestandort und die Arbeitsplätze. Die Wahlkämpfer, die sich jetzt um Mandate und Ämter bewerben, dürften wissen, vor welchen Problemen der Standort steht.
Das weiß man auch in Saarlouis ziemlich gut. Wie bei Bosch in Homburg hat in Saarlouis das ständige Ringen um Ford Nerven gekostet, und ein Ende ist nicht wirklich in Sicht. Für Saarlouis wird es wenig tröstlich sein, zu erfahren, wie es derzeit in Valencia zugeht. Bekanntlich hatte sich Ford bei der Entscheidung um die Produktion von E-Autos in Europa gegen Saarlouis und für Valencia ausgesprochen, in einm Verfahren, bei dem das Ford-Management kein gutes Bild abgegeben hat. In Valencia dauerte der Jubel für den Zuschlag nur kurz. Erst mal wurde der Produktionsstart von 2025 auf 2027 verschoben, und erst in diesen Tagen soll überhaupt entschieden werden, was in Valencia gebaut werden soll.
Saarlouis hat derweil andere Probleme. Nachdem es nach langen Verhandlungen nun doch keinen Großinvestor gibt, sollen nun Teilflächen für Neuansiedlungen entwickelt werden. Interessenten gebe es dafür, sagte Wirtschaftsminister Jürgen Barke.
Bis 2025 wird auf dem Röderberg noch der Ford Focus gebaut. Für die Beschäftigten im Zulieferpark wurden vor wenigen Tagen nach intensiven Verhandlungen Tarifverträge abgeschlossen, die unter anderem die Möglichkeit zum Wechsel in Transfergesellschaften beinhalten, um dann den Wechsel in andere Unternehmen zu erleichtern.
Große Industriepolitik in der Kommunalpolitik
Die Zukunft auf dem Röderberg ist schon länger ein Thema, das auf landespolitischer Ebene für heftige Auseinadersetzungen sorgt – die nun auch im Kommunalwahlkampf durchschlagen. In Saarlouis wird schließlich am 9. Juni auch ein neuer Oberbürgermeister gewählt.
Die CDU-Opposition auf Landesebene hat die Landesregierung und insbesondere Wirtschaftsminister Barke immer wieder heftig attackiert. Der Abgeordnete Marc Speicher kritisierte, dass es der Landesregierung immer noch nicht gelungen sei, einen neuen Investor zu präsentieren, obwohl mehrfach Termine in Aussicht standen, bis zu denen Verhandlungen spruchreif hätten sein sollen.
Marc Speicher, der selbst als Oberbürgermeisterkandidat für Saarlouis im Wahlkampf ist, hat sich dafür eingesetzt, einen sogenannten Lenkungsausschuss „Röderberg Ford-Gelände“ einzurichten, in dem neben der Landesregierung und der landeseigenen Entwicklungsgesellschaft GW Saar ausdrücklich auch die Stadt Saarlouis beteiligt sein soll, um die Entwicklung gemeinsam voranzutreiben. Er verweist darauf, dass ein ähnlicher Lenkungsausschuss bereits erfolgreich für die Entwicklung am Lisdorfer Berg tätig war. Im Saarlouiser Stadtrat haben sich CDU, FDP und Grüne für einen solchen Lenkungsausschuss ausgesprochen.
Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) hatte schon zuvor die ständige Einbeziehung kommunaler Gremien in die Entwicklung betont, soweit es die Vertraulichkeit von Verhandlungen zuließe, meinte aber auch zugleich: „Ich bin sehr dagegen, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt in diesem Jahr immer wieder neue Instrumente erfindet.“ Trotzdem sei es natürlich „selbstverständlich“, in Ansiedlungsfragen die Stadt als Genehmigungsbehörde einzubeziehen.
Verhandlungen wie bei Bosch oder in Saarlouis sind naturgemäß sensibel, und wenn Vertraulichkeit nicht gewährleistet ist, kann das Projekte zum Scheitern bringen. Der Wunsch nach stärkerer Beteiligung der kommunalen Ebene ist ebenso verständlich, auch wenn es um Projekte geht, deren Tragweite über die kommunale Ebene hinausgeht. Aus einem Wahlkampf herauszuhalten sind die Dinge deshalb nicht, schließlich geht es um Arbeitsplätze, Entwicklung, schlicht also die Zukunft der Menschen vor Ort.
Wie sehr sich Dinge dann auch verharken können, zeigt das Beispiel SVolt in Überherrn. Während sich die Landes-CDU klar für die Ansiedlung und die Zukunftsinvestition ausgesprochen hat, ist die CDU auf kommunaler Ebene auf einem ganz anderen Kurs. Nach langen und heftigen Auseinandersetzungen hat der Gemeinderat mit knapper Mehrheit einen Bebauungsplan für die Ansiedlung beschlossen, Voraussetzung dafür, dass nun weitere Genehmigungsschritte angegangen werden können.
Ein Beispiel – wie es weitere auch in anderen Regionen der Republik gibt – dafür, dass ein Gemeinderat über Dinge entscheiden muss, deren Bedeutung von erheblich größerer Tragweite ist, als es die sonst im Alltagsgeschäft üblichen Themen eines Gemeinderats sind.