Manch einer würde die Rede, die Heike Winzent (SPD) nach ihrer Wahl zur Landtagspräsidentin hielt, als ambitioniert bezeichnen: schärfere Transparenzregeln, mehr Bürgerbeteiligung, erleichterter Zugang zu Informationen. Nach zwei Jahren zieht sie aber eine positive Halbzeitbilanz.
Frau Winzent, in Ihrer ersten Rede im Landtag haben Sie sich für schärfere Transparenzregeln ausgesprochen. Seitdem haben Sie nicht nur die Offenlegung aller Nebeneinkünfte, sondern auch die Einführung eines Lobbyregisters durchgesetzt.
Ja, wir haben die Verhaltensregeln für uns als Abgeordnete radikal verschärft. Das war für unseren Landtag ein großer Meilenstein und eine der größten Novellen jeher. Wir haben dazu viel Rückmeldung bekommen. Nicht nur von Bürgern, sondern auch aus anderen Bundesländern, die uns dafür gelobt haben, dass wir das hier im Saarland so restriktiv – also ab dem ersten Euro – und nicht in einem Stufensystem angehen, wie es sonst üblich ist. So schaffen wir nicht nur mehr Transparenz, sondern stärken auch das Vertrauen. In einem zweiten Schritt werden wir das Verfahren nun ein wenig nachjustieren. Aber alles in allem haben wir eine gute Übersicht geschaffen. Die Bürgerinnen und Bürger können sich nun ein Bild davon machen, ob bei den einzelnen Abgeordneten das Mandat im Mittelpunkt steht.
Von außen, sagten Sie, gab es sehr positive Resonanz. Wie haben es denn die Abgeordneten selbst aufgenommen?
Auch da gab es viel Zuspruch! Die Entscheidung wurde fraktionsübergreifend mitgetragen. Das war mir auch ganz wichtig, dass wir uns da als Parlament geschlossen aufstellen. Ein wenig Diskussionsbedarf gab es bei der ein oder anderen Form der Darstellung. Das liegt aber eher daran, dass es oftmals schwierig ist, beispielsweise Sitzungsgelder genau abzuschätzen. Oft weiß man zum Jahresbeginn noch nicht genau, wie viele Sitzungen es sein werden. Deswegen haben wir uns bei der ersten Veröffentlichung darauf verständigt, nur den Betrag pro Sitzung anzugeben und im Folgejahr dann den Gesamtbetrag zu ergänzen. Jetzt kam die Anregung, dass wir neben dem Gesamtbetrag auch die Anzahl der Sitzungen angeben, weil das noch einmal eine Stufe mehr Transparenz gibt.
In puncto Transparenz war Ihnen ja auch die Verständlichkeit und bessere Vermittlung von Informationen an die Bürgerinnen und Bürger wichtig. Wie gehen Sie dieses Thema an?
Es ist seit Beginn meiner Amtszeit ein Schwerpunkt meiner Arbeit. Es ist wichtig, den Menschen Politik in Gänze besser verständlich zu machen. Dazu gehört auch, Dokumente barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Seit Oktober 2023 haben wir dafür auch eigens einen Mitarbeiter, der sich um die barrierefreie Aufarbeitung von Dokumenten und Informationen kümmert. Das betrifft alle Plenarprotokolle seit Beginn der Legislaturperiode sowie alle Abstimmungsergebnisse seit Mai 2024. Die sitzungsfreie Zeit im Sommer haben wir dafür genutzt, die Protokolle der öffentlichen Anhörungen barrierefrei aufzuarbeiten. Bislang sind 16 dieser Anhörungen barrierefrei veröffentlicht, nach den Sommerferien rechnen wir mit bis zu 25. Das sind sehr umfangreiche Texte, teils mit Anhängen, Grafiken und Ähnlichem. Da wollen wir aber nicht aufhören: In der weiteren Planung sollen alle nichtöffentlichen Ausschussprotokolle ebenfalls barrierefrei zur Verfügung gestellt werden, dann natürlich in dem entsprechenden berechtigten Kreis, das heißt Abgeordnete und Ministerien. Perspektivisch planen wir auch die Anfragen an die Landesregierung und die entsprechenden Antworten darauf barrierefrei aufzuarbeiten.
Das Thema Informationen zur Verfügung stellen, betrifft auch immer die Öffentlichkeitsarbeit. Was tut der Landtag diesbezüglich?
Wir pflegen einen sehr vertrauensvollen Umgang mit der gesamten Presselandschaft. Wir veranstalten jedes Jahr unser Medienfest, bei dem wir – also ich als Präsidentin, aber auch die Abgeordneten und Fraktionen – mit den Medienschaffenden in Kontakt kommen können. Dieser Austausch ist entscheidend, um unsere Arbeit in der Öffentlichkeit darstellen zu können. Öffentlichkeitsarbeit ist für mich allerdings nicht nur rein auf die Presse bezogen. Das bedeutet für mich auch, das Hohe Haus zu öffnen und Leute für den Landtag und die Arbeit zu interessieren. Ihre Neugier zu wecken und dafür zu werben, dass Menschen in den Landtag kommen, sich mit der Institution und insbesondere mit der Arbeit von uns Abgeordneten und der Verwaltung befassen.
Wie wird dieses – Sie nannten es in Ihrer Rede „offene Haus der Demokratie“ – angenommen?
Im vergangenen Jahr haben wir rund 4.000 Besucherinnen und Besucher hier im Haus verzeichnen dürfen. In Besuchergruppen, aber auch in Beteiligungsformaten, die wir hier ausgerichtet hatten. Dazu kommt der Tag der offenen Tür, der trotz tropischer Temperaturen über den Tag verteilt rund 6.000 Besucher zu uns brachte. Diese konnten Einblicke in die Arbeit des Landtags – der Abgeordneten, der Verwaltung, unserem stenografischen Dienst und mir als Präsidentin – sammeln. Diese Einblicke erfreuen sich durchaus einer großen Nachfrage.
Vor wenigen Wochen ging eine Pressemitteilung raus, die zur Beteiligung an dem von Ihnen angestoßenen Bürgerrat Klimaschutz aufruft. Wie sieht es hier aus?
Da sieht es sehr gut aus! Wir sind mit dem Projektfortschritt sehr zufrieden. Wir hatten uns im Vorfeld darauf verständigt, dass wir Erfahrung und Expertise von anderen Parlamenten einholen wollen, die dieses Beteiligungsinstrument schon erprobt haben. Im Juni haben wir eine neue Stabsstelle Demokratiebildung, Beteiligung und Partizipation eingerichtet und besetzt. Die Stabsstelle ist direkt bei mir als Präsidentin angegliedert, um kurze Kommunikationswege zu ermöglichen. Der Mitarbeiter kümmert sich gerade um das Markterkundungsverfahren für einen externen Dienstleister. Anfang September wollen wir das abschließen, um dann eine Auswahl treffen zu können.
Der Rat soll aus 51 Personen bestehen. Diesen Umfang haben wir gewählt, weil unser Parlament auch 51 Abgeordnete umfasst. Vor allem aber, um die Gesamtheit der Bevölkerung möglichst abbilden zu können. Wenn alles gut geht, wollen wir Anfang 2025 mit dem ersten Bürgerrat starten.
Welche Partizipationsmöglichkeiten haben Bürger abgesehen von diesem Bürgerrat?
Wir haben bereits einige Beteiligungsformate durchgeführt, im ersten Schritt eher für junge Menschen. Das war die Landesdemokratiekonferenz, das Landesjugendforum und der Kindergipfel in Kooperation mit der Awo. Es ist uns wichtig, bei solchen Projekten mit Kooperationspartnern zu arbeiten, die schon Erfahrung mitbringen. Diese Veranstaltungen wurden, teils in der Ferienzeit an einem Samstagmorgen, sehr gut angenommen. Zu den entsprechenden Formaten gab es dann einen Abschlussbericht, den wir in unsere parlamentarische Arbeit aufnehmen konnten. Die Anregungen, die im Landesjugendforum entstanden sind, wurden später nahezu alle ins Beteiligungsgesetz für Kinder und Jugendliche aufgenommen. Aktuell planen wir auch weitere solcher Veranstaltungen, etwa im Seniorenbereich.
Das waren alles Punkte, die Sie vor zwei Jahren angesprochen hatten. Jetzt, quasi zur Halbzeit Ihrer Tätigkeit als Landtagspräsidentin: Wie bewerten Sie Ihre Arbeit selbst?
Selbsteinschätzung ist immer gefährlich. (lacht) Was die einzelnen Punkte anbelangt, die ich zu Amtsbeginn angesprochen hatte, sind wir gemeinsam auf einem richtig guten Weg! Ich freue mich darauf, die Projekte, die wir schon angegangen sind, weiter zu forcieren. Und auf neue Projekte, die noch anstehen. Das betrifft auch das Thema Digitalisierung. Alles in allem bin ich wirklich zufrieden und freue mich auf die zweite Halbzeit.
Was steht denn für diese zweite Halbzeit an?
Der erste Bürgerrat steht ja dann an. Den müssen wir auswerten, Ergebnisse und Themen in die Landtagsdebatte einfließen lassen. Und dann werden wir schauen, ob und wenn ja, zu welchen Themen wir weitere Bürgerräte durchführen können. Aber auch das Thema Barrierefreiheit möchte ich, wie angesprochen, weiter ausbauen. Großes Thema für mich ist auch die allgemeine Darstellung auf unserer Homepage. Das bedarf allerdings einiger Vorarbeit. Das Thema Digitalisierung wird noch eine große Aufgabe. Wir wollen einen elektronischen Sitzungsdienst einführen. Dabei wollen wir auch die Fraktionen beteiligen. Die vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass die Unterstützung untereinander groß ist und vieles an Neuerungen auch mitgetragen wird. Aber ja: Langweilig wird es uns auf jeden Fall nicht.