Einst verbrachte die Königsfamilie ihre Sommer an Portugals Riviera. Einen Katzensprung von Lissabon entfernt, erliegen Besucher sogleich der außergewöhnlichen Schönheit der Costa do Sol – und können in den Villen einer außergewöhnlichen Ferienhaussiedlung übernachten.
Sonne im Gesicht, Salz auf den Lippen, Wind in den Haaren, das Rauschen der Brandung im Ohr: Die nackten Füße im Sand eingebuddelt, geht der Blick von der Praia do Guincho hinaus aufs Meer. Um die Ecke, zwischen den Orten Carcavelos und Cascais, gibt es viele kleine Buchten, die deutlich besser geschützt sind gegen die aus der Weite des Atlantiks heranrollenden Wogen und sich deswegen perfekt zum Baden eignen. Aber psst, bitte nicht gleich der halben Welt erzählen: Die Praia do Guincho ist der neue Lieblingsstrand.
Auf einer Klippe thront ein altes Fort
Die Traumkulisse lässt sich eben einfach nicht toppen. Scheinbar unendlich breit, wird die Praia do Guincho an einem Ende bewacht von der Ruine des Forte das Velas, das auf einer Klippe thront. Dahinter ist es abrupt vorbei mit der lieblichen Postkartenidylle: Schroffe Felsen erheben sich aus dem aufgewühlten Meer, an manchen Tagen bemützt von weißen Wolkenschwaden. Sanft und wild zugleich ist dieser Ort, nicht weit entfernt vom westlichsten Punkt des europäischen Kontinents. Im Hinterland des Strands bietet sich dann ein anderes Bild: Hier erstreckt sich ein Dünenfeld, in dem der Sand ständig in Bewegung ist und von einem Strand zum anderen wandert. Um das geschützte Ökosystem zu erkunden, macht man auf Holzstegen einen Spaziergang. Mit geschärften Augen lassen sich Sandregenpfeifer und Turmfalken entdecken, aber auch Eidechsen wie den Europäischen Fransenfinger oder die auf Beute wartende Stülpnasenotter.
Wer an der Praia do Guincho schwimmen will, findet hier wie so oft am Atlantik die beste Wasserqualität. Nur sollte man darauf achten, dass Rettungsschwimmer vor Ort sind und die rot-gelbe Flagge gehisst haben, denn an manchen Tagen ist die Strömung tückisch. Stetiger Wind vom offenen Meer und verlässlich gute Wellen machen den Strand aber auch zu einem Sehnsuchtsort für Kite-Surfer. Ihren Tanz auf dem Wasser zu beobachten, ihre Sprünge zu bestaunen – es wird nie langweilig. Um einen Logenplatz muss man dabei nicht kämpfen: Selbst in der Saison ist hier nie so viel los wie an den Badestränden am Mittelmeer. So findet man später auch problemlos ein einsames Plätzchen zum Sundowner und einen Tisch mit Meerblick im Restaurant fürs Abendessen. Frischer Fisch und Meeresfrüchte stehen auf der Karte, im Glas finden sich feine Weine aus der Region. Weil sie einst von der Reblausplage verschont wurden, stammen die edlen Tropfen aus Colares von besonders alten Reben. Der Ort Carcavelos ist für einen Likörwein bekannt, der oft zum Dessert kredenzt wird. Bitte jetzt keine Kalorien zählen: Man hat die Qual der Wahl zwischen allerlei Verführungen. Nozes de Cascais, ein von Walnüssen gekröntes Mandelgebäck? Queijadas, kleine aber zuckersüße Quarkküchlein? Oder Travesseiros, gefüllte Blätterteigröllchen?
Früher wohnten hier nur Fischer
Hier lässt es sich leben wie Gott in Portugal: Die Fülle an Spezialitäten, das milde Klima und die üppige mediterrane Vegetation machen die portugiesische Riviera zu einer Urlaubsregion mit besonderem Flair. Portugals Königsfamilie wäre es zwar einst nicht in den Sinn gekommen, sich in die Sonne zu legen wie heute jene Besucher mit dem Wunsch nach Sommerbräune. Doch die gekrönten Häupter und ihre Entourage legten dennoch den Grundstein für die Entwicklung des Tourismus in der Region. Ab dem Jahr 1870 verbrachten sie die heißesten Monate des Jahres nicht mehr in Lissabon, sondern um die Ecke – dort, ob am Meer oder in den dahinter aufragenden Bergen rund um Sintra, ist das Klima dank einer kühlenden Brise und 300 Sonnentagen im Jahr nämlich viel besser.
Zuvor hatten in der Region um Cascais, wo der Fluss Tejo ins Meer mündet, nur ein paar Fischer gewohnt und ihren Fang in die benachbarte Metropole geliefert. Das änderte sich dann rasch: Vor allem das Örtchen Estoril entwickelte sich zu einem gefragten Wohnort für wohlhabende Adelige und Bürger aus Portugal, aber auch aus dem Ausland. Portugals Riviera lockte auch dank des 1911 eröffneten Spielkasinos und zahlreichen mondänen Hotels wie dem „Palácio“ oder dem „Atlântico“ die Schönen und Reichen an. In der Belle Epoque gab es sogar einen Direktzug aus Paris: Der 1929 eröffnete „Estoril Golf Club“ war der berühmteste im ganzen Land. Noch heute kann man hier spielen, umgeben von Pinien, Mimosen und Eukalyptusbäumen. Mit 5.200 Metern ist der Parcours nicht besonders lang, aber ziemlich knifflig: Vor allem beim Abschlag braucht es viel Präzision.
Ein Yachthafen und edle Boutiquen
Der Zweite Weltkrieg stoppte das mondäne Treiben. Weil Portugal neutral geblieben war, trafen sich hier nicht nur Flüchtlinge wie Schriftsteller Heinrich Mann, der hier vor der Überfahrt nach Amerika seine letzten Tage in Europa verbrachte. Auch Spione aus aller Welt mieteten sich in den Hotels ein, um sich gegenseitig zu beäugen und an den Bars Nachrichten auszutauschen. Ob die Namen in den Meldezetteln, die bis heute im Exiles Memorial Center aufbewahrt werden, also alle stimmen, kann bezweifelt werden. Einer der Agenten, der als Verbindungsoffizier (so die offizielle Lesart) der britischen Regierung vor Ort war, hieß übrigens Ian Fleming. Er hatte den Auftrag, auf der Iberischen Halbinsel ein Netzwerk an Informanten aufzubauen, um die Region vor der Überwachung durch die Deutschen zu unterstützen. Codename: Goldeneye.
Angeblich soll Ian Fleming beim Baccara-Spiel im Casino von Estoril die Idee für den wohl berühmtesten Geheimagenten der Welt gekommen sein. James Bond hatte 1953 im Roman „Casino Royale“ seinen ersten Auftritt und musste, so die Story, beim Kartenspiel gegen den sowjetischen Unterwelt-Boss Le Chiffre gewinnen. Als Reminiszenz an Flemings Aufenthalt an der portugiesischen Riviera entstanden 1969 etliche Szenen für den Bond-Film „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ an Drehorten rund um Cascais und Estoril.
„Everything seems up to the Palácio’s usual high standards“, sagt 007 im Film bei der Ankunft im legendären Grand Hotel. Davon kann man sich als Besucher bis heute überzeugen: Die Bar ist für starke Martinis bekannt. Um die Ecke finden sich Herrenhäuser, schlossartige Residenzen und Villen, dazu Yachten im Hafen und viele edle Boutiquen. Das Ambiente ähnelt dem der französischen Côte d’Azur, nur sprechen die Leute eben Portugiesisch – und sind viel entspannter. Wer den Trubel mag, kann in Cascais und Estoril in vielen Vier- und Fünf-Sterne-Hotels unterkommen. Doch es gibt eine charmantere Alternative, nur ein paar Autominuten entfernt. Deshalb: Schnell noch für ein Eis bei Santini angestanden (so gut wie in Italien, jeden Umweg wert), dann ab ins Landesinnere!
Gerade erst angekommen, hat man sich schon Hals über Kopf verliebt. Das Victor’s Portugal Malveira-Guincho ist eben keine Ferienhausanlage von der Stange, sondern bietet ganz unterschiedlich gestaltete Unterkünfte. Jede der 24 Villen – angesichts der bis zu vier Schlafzimmern von Häuschen zu sprechen, verbietet sich – hat eine andersfarbige Inneneinrichtung. Entweder spielt man bei der Buchung also Roulette und lässt sich überraschen, oder man entscheidet sich vorab für seinen Favoriten. „Maritimes Türkis, sonnengeküsstes Gelb, verträumtes Rosa: Ihre Lieblingsfarbe ist garantiert dabei“, heißt es auf der Webseite. Der Außenbereich der Anlage, gestaltet wie ein weitläufiger Park, ist ebenfalls ein Fest für die Augen: rot blüht die Bougainvillea. Grün ist das Gras, blau das Wasser im Pool – und beige die Polsterstühle, in denen man für die Siesta versinkt.
In der Küche stehen neben Eierkocher, Nespresso-Maschine und Toaster auch alle Utensilien, die man zum Zubereiten für ein Festmahl braucht. Das Shampoo und die Nagelfeile zu Hause vergessen? Kein Problem, im Badezimmer ist alles vorhanden. Hier hat jemand viel Erfahrung beim Reisen und bei der Einrichtung wirklich an alles gedacht. Frugal ist hier nichts, auch nicht die Deko: Mal findet man Kerzenleuchter auf einer Anrichte, andernorts Accessoires wie Bodenvasen. Wer es schlichter mag, findet übrigens auch Villen, die von dezenten Beige-, Grau- und Weißtönen geprägt sind. Etwas aus der Reihe tanzt die Gartenvilla Africa: Schwere Ledersofas im Kolonialstil, Zebrafelle und Elefanten-Skulpturen lassen einen seine wilde Seite entdecken und in Gedanken auf Safari gehen.
Sintra glänzt mit Prachtbauten
Nach der ersten Nacht im neuen Zuhause ist man geheilt vom Mittelmaß, das einem auf Reisen leider viel zu oft zu später Stunde begegnet. Es gibt eben nicht nur verglaste Hutschachteln, kleinkarierte Bettenbunker und austauschbar seelenlose Etablissements, die Gästen keine Gasthäuser sind. Tipps für eine nette Bar? Die besten Adressen zum Einkaufen? Empfehlungen für Ausflüge? Alles kein Problem: Das Team in der Ferienanlage hilft kompetent weiter. Wenn Service wie hier keine Qual ist, wenn ein Lächeln nicht extra kostet und Genuss nicht verboten ist, macht es glücklich, Bettflüchtling in Tausendundeiner Nacht sein zu dürfen. So kann eine kleine Tour mit der richtigen Unterkunft und den passenden Gastgebern zur vollkommen perfekten Traumreise werden.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Kokon ist derart behaglich und entspannt, dass man im Kopf einige ursprünglich geplante Tagesausflüge entlang der Küste, nach Lissabon und ins Hinterland storniert, stattdessen die Umgebung erkundet – und an manchen Tagen überhaupt nicht raus will aus der Ferienhausanlage. Sintra aber darf man nicht verpassen, sagen die Leute, und so raffen wir uns auf. Das „Neuschwanstein Portugals“ enttäuscht nicht: Besonders der in eine Märchenlandschaft aus Burgruinen, Klöstern, Schlössern und verwunschenen Gärten eingebettete Palácio de Pena hat bis heute einen besonderen Zauber.
Renaissance und Rokoko, Gotik und Klassizismus: Was der deutschstämmige Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg und Gotha hier auf den Hügeln eines Höhenzuges errichten ließ, ist ein Kuriosum der Architektur. Doch nicht nur das royale Märchenschloss zählt zum Unesco-Weltkulturerbe, sondern ganz Sintra hat den Titel verdient – der Palácio da Vila mit seinen wunderlichen konischen Schornsteinen, das ehemalige Kapuziner-Kloster Convento dos Capuchos, das Castelo dos Mouros. Von den Resten einer maurischen Festungsanlage hat man die schönste Aussicht Portugals: Der Blick reicht bis zum glitzernden Atlantik.