Belize, der kleine Vielvölkerstaat an der Karibik neben Mexiko und Guatemala, überrascht mit seinem Reichtum an Natur, Traumstränden und kulturellem Erbe. Taucher können vor der Küste ein gigantisches Riff entdecken.

An der Westküste von Ambergris Caye weht kein Lüftchen. Still hängen die Blätter von den Palmen auf der größten Insel von Belize. Selbst die Karibik scheint fast unbeweglich und genauso träge wie die Leute in den Hängematten und auf kunterbunten Sonnenliegen. Manche stehen unter Schattenschirmen bis zum Bauch im Meer, nippen Cocktails oder Bier. Kellner schleppen Nachschub auf Tabletts durch weißen Sand und blaues Wasser. Unter Strohdächern wird straff gemixt, gebrutzelt und gegrillt.

„Die entspannte Atmosphäre dieses Strandes ist wohl noch immer so wie Anfang der 1990er, als ihn zwei US-Amerikaner entdeckten und ein Bed & Breakfast eröffneten“, erzählt Aimee. Zusammen mit ihrem Mann Mike betreibt sie heute das daraus entstandene Resort „Secret Beach Cabanas“. Ein Geheimtipp sei der Ort schon lange nicht mehr, findet sie. Für Urlauber aus Übersee, die mangels Direktflügen umständlich über die USA einreisen müssen, ist ganz Belize noch eher unbekannt.
Zu Mike und Aimee kommen Tages- wie Hotelgäste im Boot oder per Golf-Kart. Die elektrisch oder mit Benzin betriebenen Vier- und Sechssitzer dienen als Hauptverkehrsmittel auf dem so gut wie autofreien, 40 Kilometer langen Caye. So nennt man im Karibikraum ein Eiland aus Korallensand. Rund 450 davon gibt es hier. Die allermeisten sind recht winzig. Alle zusammen säumen das Belize-Barriere-Riff. Es gehört zum Großen Maya-Riff, das sich rund 1.000 Kilometer lang von Mexiko bis nach Honduras zieht. Nach Australiens Great Barrier Reef ist es das zweitgrößte weltweit.
Offene Seehöhle ist Taucher-Hotspot
Direkt daneben liegt Ambergris Caye, angeblich „La Isla Bonita“, die schöne Insel, die Madonna 1986 in ihrem gleichnamigen Hit besang. „Last night I dreamt of San Pedro“, heißt es da. Obwohl die Künstlerin versicherte, der Name sei fiktiv, erfreut sich das belizische San Pedro seither zahlreicher Madonna-Fans als Gäste.

Der Hauptort an der Ostküste der Insel ist voller B&Bs, Hotels und Lokale. Zum Kennenlernen all der Bars und kulinarischen Adressen ist eine Food-Tour äußerst hilfreich. Das Beste an der kleinen, 1848 von Mexiko-Einwanderern gegründeten Stadt liegt allerdings vor ihrer Tür: Karibik, Strände, Riff – und die „Shark Ray Alley“.
Dieses im Hol Chan Marine Reserve gelegene Meeresareal ist der Platz, an dem die Fischer früher ihre Fänge säuberten. Die zusätzliche Futterquelle lockte vor allem Ammenhaie sowie Stachelrochen an. Bis heute wimmelt es dort von den großen, in der Regel harmlosen Fischen, die man vom Boot aus oder auch beim Schnorcheln aus allernächster Nähe treffen kann. Zu sehen sind auch jede Menge anderer Wasserbewohner, darunter Meeresschildkröten.

Taucher fahren weiter in das Riff hinein. Ihre Lieblingshotspots liegen an den Tiefseesteilwänden der drei Atolle. Turneffe ist das größte, Lighthouse Reef das schönste. In ihm befindet sich einer der anspruchsvollsten Tauchspots: Great Blue Hole, eine oben offene Seehöhle mit vertikalen Kalksteinwänden, knapp 320 Meter breit und über 120 Meter tief.
Nicht weit vom dritten Atoll, Glover’s Reef mit seinen Schutzgebieten für Hummer, Muscheln und seltene Arten wie dem Nassau-Zackenbarsch, öffnet sich Hopkins mehr und mehr all jenen, die außer Beaches, Bars und Schnorchelspots auch Land und Leute kennenlernen wollen. Das gastfreundliche Fischerdorf ist kulturelles Zentrum der Garifuna.

Diese dunkelhäutigen, überwiegend katholischen Belizier stammen von versklavten Westafrikanern und indigenen Kariben auf St. Vincent ab. Im 19. Jahrhundert siedelten sich viele der meist vom Fischfang lebenden Menschen an der Ostküste von Belize an. Ihre temperamentvolle Musik und ihre Küche schätzt man überall im Land. Gern geben sie ihr Wissen weiter – so etwa in Jabbars Drumming Center.
Schon aus der Ferne ist der vielstimmige Trommelklang zu hören. Junge Männer schlagen einen Rhythmus, der direkt in die Beine geht. Die „Lebeha Drummers“ haben’s drauf, lassen ihre Instrumente klingen, wie es wohl schon ihre Ahnen taten. Profi-Schlagzeuger Jabbar Lambay, der die Schule gründete und leitet, ist zu Recht stolz auf seine Jungs. „Sie spielen immer mit Elan, ob mit, ob ohne Publikum“, freut sich der 59-Jährige. Workshops bietet er auch für Touristen an, manchmal – so wie heute – zusammen mit Kenima Williams, daheim bei ihr und ihren Brüdern. Die junge Frau im bunten Kleid, noch eben leidenschaftlich tanzend, steht nun am Küchentisch im Hof und lädt die Gäste ein, mit ihr zu kochen.

Das Spannendste daran: Ob Maniokmehl, ob Kokosmilch – jede Zutat wird in aufwendiger Handarbeit frisch hergestellt. Wenn einer von den Europäern stöhnt beim Schaben, Stampfen oder Pressen, übernimmt Kenima lächelnd. Der ganze Vormittag gestaltet sich zur Party. Alle kochen, trommeln, essen, tanzen.
Einige bedeutende Maya-Städte
Das wichtigste Fest der belizischen Garifuna ist der jährliche Settlement Day am 19. November, dem Datum ihrer Erstankunft 1832. Als nationaler Feiertag wird er im ganzen Land gefeiert, am meisten aber in Dangriga, der spirituellen Hauptstadt der Volksgruppe. Um Weihnachten und Neujahr erlebt man dort buntkostümierte Jankunu- und Charikanari-Tänzer auf den Straßen. Musikalischer Höhepunkt ist Mitte November die Battle of the Drums, gefolgt vom Garifuna Music Festival. Gastgeberin beider Events ist Punta Gorda (nicht zu verwechseln mit gleichnamigen Orten in Florida oder Honduras). Die auch „PG“ oder Peini genannte 5.000-Einwohner-Stadt an der flachen Bucht von Amatique ist die südlichste in Belize. Urlauber tauchen oder schnorcheln hier mit Walhaien, logieren simpel, doch mit Meerblick. Die meisten, die auf Punta Gordas Mini-Airport landen, zieht es ins grüne, bergige und menschenleere Landesinnere – Heimat unzähliger Arten, darunter Tapir, Jaguar und Ozelot.
Hier leben deutschsprachige Mennoniten, in ihrer altmodischen, streng religiös bestimmten Lebensweise aber lieber unter sich. Mit ihrem Fleiß und Wissen tragen sie maßgeblich bei zum Wohl des Landes – insbesondere durch landwirtschaftliche Produkte. Beherrscht wird die Region von Regenwald, den Maya Mountains, deren Flüssen, Wasserfällen, Schluchten sowie Höhlen, allesamt den Maya heilig.

Das indigene Volk, das die Kultur Mittelamerikas seit mindestens 4.000 Jahren prägt, hat seine Wurzeln in Belize. Zahlreiche, teils gut erhaltene Ruinen einst großer Maya-Städte verteilen sich über den ganzen Westen. Die ältesten sind Cuello und Lamanai, die bedeutendsten Caracol, Xunantunich und Lubaantun.
Rund 40.000 Maya stellen heute noch ein Zehntel der Gesamtbevölkerung des Landes. Viele leben in den südlichen Distrikten – in 39 Dörfern mit Feldern und Plantagen, die ihnen teils dank Landrückgabe wieder selbst gehören. So wie im Dörfchen Santa Cruz, wo sich die ersten Türen für den Ökotourismus geöffnet haben. Maya-Familien geben Einblicke in ihren Alltag, zeigen ihnen, wie sie leben, arbeiten und kochen.
Strom haben die wenigsten. Das Innere des strohgedeckten Hauses wird vom Herdfeuer beleuchtet. Auf der heißen Platte backen runde Maistortillas. Zur Begrüßung reicht Hilda Mes den Gästen ein Getränk, das eine Ehre für sie ist und obendrein erfrischt, stärkt, munter macht: Kakao.
Rund 1.200 Bauern stellen Kakao her
„Er war schon immer wichtig in unserer Kultur, bei Ritualen wie im Alltag und in allen Schichten“, erklärt ihr Mann José, schenkt die braune Flüssigkeit aus kaltem Wasser, frisch zerstoßenen Bohnen mit etwas Honig in die Tontrinkschalen und freut sich, dass sie allen schmeckt. Er ist einer von den 1.200 Bauern, die Toledo-Kakao herstellen.

Ihm ist bewusst, wie hoch dieser wegen seiner Qualität international im Kurs steht. Reich wird er davon nicht. Umso mehr hoffen Hilda und José Mes, die sich und ihre sieben Kinder landwirtschaftlich weitestgehend selbst versorgen, auf den Erfolg der nachhaltigen Gästetouren, aber auch, dass man nicht eines Tages von Touristen überrannt wird.
Für die Wirtschaft von Belize, das – laut Statista-Prognose für 2024 – mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 7.170 US-Dollar ein eher armes Land ist, wird Tourismus immer wichtiger. Derzeit entfällt von dessen rund 40 Prozent Anteil am BIP das meiste auf US-Kreuzfahrten.
Kann sich das zugunsten eines umweltfreundlicheren, für alle gewinnbringenden Tourismus ändern? Bruno Kuppinger ist optimistisch. Der 64-jährige Deutsche, der seit 28 Jahren in Belize lebt und mit dem Land verwachsen ist, hat mit seinen Angeboten von authentischen Kultur- und Abenteuerexpeditionen Pionierarbeit geleistet und viel dafür getan, dass „grünes Reisen“ heute in Belize ein Thema ist.
„Die Faszination der Natur und die Begegnungen mit den Menschen und ihrer Kultur wird die Wertschätzung dafür wie auch verantwortungsvolle Tourismuspraktiken fördern“, glaubt der Aktivist. Einen Beitrag dazu leistet sicher auch das von ihm mitbegründete Schokoladen-Festival. Seit 2006 laden Toledos Kakaobauern jährlich im Mai dazu nach Santa Cruz ein. Mit hausgemachter Schokolade und Kakaowein sind auch José und Hilda Mes dabei.