Bayern hat es wahr gemacht: Gendern mittels Sonderzeichen ist künftig in offiziellen staatlichen Texten untersagt. Auch Hessens Schulen ziehen nach und geben der Diskussion ums Gendersternchen damit neuen Aufwind.
Angekündigt hatte er es bereits im Dezember: Markus Söder (CSU) reicht’s mit der Genderei. Vergangene Woche war es dann so weit: Das bayrische Kabinett hat ein Verbot von Genderstern und Co in Verwaltung, Schulen und Hochschulen erwirkt. Die bayerische Staatsregierung wolle keine „ideologiegetriebene“ Sprache, heißt es. Und so verschwinden die Bürger*innen, BürgerInnen, Bürger:innen und Bürger_innen ab dem 1. April aus öffentlichen Schreiben, Internetauftritten, Schulbüchern und Jahresberichten.

Doppelpunkt, Stern, Bindestrich und Co
Die Nennung beider geschlechtsspezifischer Formen („Bürgerinnen und Bürger“) bleibt weiterhin möglich. „Für uns ist die klare Botschaft: Sprache muss klar und verständlich sein“, so Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann (CSU). Und in der Tat steht er damit erst einmal nicht alleine da. Viele Umfragen, darunter auch von „infratest dimap“, belegen, dass der Großteil der Deutschen das Gendern „eher“ (29 Prozent) oder sogar „voll und ganz“ (36 Prozent) ablehnt – und das sogar über alle Parteien hinweg! Eine Umfrage aus dem Jahr 2021 zeigte, dass lediglich bei den befragten Parteianhängern der Grünen immerhin eine 50/50-Aufteilung zwischen Befürwortern und Gegnern herrscht. Und auch in Sachen eBarrierefreiheit ist die Nummer mit dem Sternchen nicht ganz so leicht wie gedacht: „Wenn eine sehende Person einen Text liest, in dem zum Beispiel ein Unterstrich vorkommt, dann denkt die sich ja nicht das Wort in den Text hinein, den sie liest, sondern sie sieht das Zeichen und deutet es entsprechend“, sagt Robbie Sandberg, Jugendreferent beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband. „Das können Blinde so nicht, weil die Sprachausgabe das Zeichen eben ausspricht, damit man weiß, dass es da ist. Und jetzt kann man natürlich sagen: Das sind ja nur drei Silben, was soll die Aufregung! Aber es läppert sich halt sehr schnell – und wenn Sie einen gegenderten Text lesen, wo das oft vorkommt, dann wird das sehr, sehr schnell nervig und stört einfach ungemein den Lesefluss.“ So gebe es zwar Systeme, die Zeichen nicht mitlesen, doch auch das berge Probleme für Sehbehinderte: „Wenn er also zum Beispiel in E-Mail-Adressen vorkommt, würde ich ihn dann auch nicht hören. Also eigentlich ist das auch keine Lösung“, so Sandberg.
Wenig angetan von dem Verbot zeigt sich die Bundesschülerkonferenz. Gerade im schulischen Bereich schlägt das Gender-Verbot Wellen. „Sprache ist sehr persönlich, wie ich mich ausdrücke, wie ich schreibe, wie ich spreche: Das sollte jeder für sich selbst entscheiden“, heißt es in einer Pressemitteilung. Dabei sind Schüler in Bayern nur bedingt von diesem Entscheid betroffen, denn in Schülerarbeiten sollen Sternchen und Co zwar als „nicht korrekt“ angestrichen, aber nicht als Fehler gewertet werden. Lediglich Lehrer müssten sich „wie alle Beamten“ an die Geschäftsordnung halten, stellte Herrmann klar und mahnte auch sogleich: Falls sich ein Beamter darüber hinwegsetze, werde es sicher auch Konsequenzen haben. Diese Konsequenz richte sich dann „nach dem jeweiligen Einzelfall“. In erster Linie möchte das Kultusministerium aber auf Dialog setzen: „Für den Fall, dass einzelne Lehrkräfte in schulischen Schreiben auch zukünftig Sonderzeichen verwenden, sind die unmittelbaren Vorgesetzten zuallererst aufgerufen, das Gespräch mit den Lehrkräften zu suchen und für die Einhaltung der vom deutschen Rechtschreibrat vorgegebenen Leitlinien zu sensibilisieren“, teilte das Ministerium dem Bayerischen Rundfunk mit.
Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann, zeigte sich fast schon erleichtert, dass diese Regeln nur Schriftstücke betreffen: „Ganz schlimm wäre es jetzt gewesen, wenn uns auch noch gesagt werden würde, wie wir sprechen dürfen“, sagt sie dem BR. Die gesellschaftliche Entwicklung stehe für Diversität und das könne man nicht „durch eine Sprachpolizei auffangen“.
Für die Hochschulen, so Herrmann, sei nun eine Änderung des Hochschulinnovationsgesetzes geplant. In bayerischen Hochschulen selbst hält man sich mit offiziellen Reaktionen zurück. An der Uni Regensburg gab es immerhin weithin sichtbaren Protest von Aktivisten, die ein Banner vom Dach der Uni flattern ließen, auf dem zu lesen war: „Sprachverbot? WTF NÖ! Ich gender trotzdem“. An einer anderen regionalen bayerischen Hochschule zucken die Lehrkräfte etwas hilflos mit den Schultern. Sie müssten nach dem Erlass ihre offiziellen Unterlagen überarbeiten. Die sind nämlich durchgängig vom Studienplan bis zur Prüfungsordnung gegendert. Studierende zeigen sich irritiert. An das obligatorische Kreuz über den Fluren der noch jungen und entsprechend modern ausgebauten Hochschule haben sie sich gewöhnt. Es fiel eigentlich nicht mehr weiter auf. Mit der neuen Gender-Verordnung rückt es aber wieder in den Vordergrund: wenn sich Studierende fragen, in welcher Atmosphäre sie weiterhin studieren und sich gleichzeitig in Medienstudiengängen mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen, die – zumindest an ihrer Hochschule – zum Gendern als Normalität geführt haben.

Protestaktion: „Ich gender trotzdem!“
Allein steht Bayern mit der Entscheidung aber nicht. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass auch das hessische Kultusministerium dem bayerischen Vorbild nacheifern wird. Und das sogar noch etwas strikter: In Hessen soll das Gendern mit Sonderzeichen in Abschlussprüfungen wieder als Fehler gewertet werden. Damit kehre man zu der alten Praxis zurück, die während der Corona-Zeit ausgesetzt worden sei. Maßgeblich dafür seien die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung, heißt es. Der hatte Gendern als „Abweichung von der orthografischen Norm“ eingestuft. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert die Entscheidung als „weder fair noch praxistauglich und juristisch angreifbar“. Möglicherweise könne eine solche Bewertung im Nachgang der Prüfung anfechtbar sein. Denn: Ein Gender-Verbot ist kein Teil des (aktuellen) Hessischen Schulrechts. Ob dieses nun auch erneuert werden soll, ist noch nicht bekannt. „Wenn der Kultusminister trotz aller Kritik an diesem Vorhaben festhalten will, dann sollte er das zumindest handwerklich sauber machen“, so GEW-Chef Thilo Hartmann.
Berlin derweil hat ähnliche Regeln im eigenen Bundesland klar abgelehnt: Bürgermeister Kai Wegener (CDU) setze darauf, dass „jede Senatsverwaltung frei entscheiden“ könne: „Das ist der Weg, den wir gehen. Völlig offen, genauso wie Berlin eben ist“, so der Unionspolitiker, der selbst offen dazu steht, keine Gendersprache zu benutzen. „Aber ich erwarte von allen Berlinerinnen und Berlinern auch eine gewisse Toleranz. Toleranz für die Menschen, die nicht gendern wollen, und genauso für die, die gendern möchten.“