Neben vielen jungen Talenten hat Regionalligist VSG Altglienicke auch wieder drei erfahrene Spieler verpflichtet. Die Routiniers sollen mit ihrer Erfahrung als Stützen im Team wirken – und zugleich den Nachwuchs anleiten. Ob das Konzept am Ende auch aufgeht?
Der Mann mit dem charakteristischen Carbonhelm hat sichtlich Spaß, auch wenn ihm die Belastung während seines ersten Einsatzes über 90 Minuten durchaus anzumerken ist. Damian Roßbach, Neuzugang des Regionalligisten VSG Altglienicke, klatscht bei den Treffern seiner Mitspieler jedenfalls erst in die eigenen und dann in die Hände der Teamkollegen und lacht dabei. Auch wenn es in der zweiten Runde des Berliner Landespokals „nur“ gegen einen Kreisligisten geht und die Pflicht des Weiterkommens mit einem klaren 6:0-Erfolg erfüllt wird. Der 32-jährige Abwehrspieler hat mit allein 264 Einsätzen in der 2. und 3. Liga (unter anderem Sandhausen, KSC, Rostock) bislang eine beachtliche Karriere absolviert – fällt aber eben vor allem wegen seines markanten Kopfschutzes auf. Den kennen viele Fußballfans aus dem Fernsehen. Auch beim erwähnten Spiel auf dem urigen Neuköllner Silbersteinsportplatz trägt Roßbach diese Schutzvorrichtung – seit 2017 gehört sie gewissermaßen zu dem Verteidiger, nach dem er sich im Training des SV Sandhausen bei einem Zusammenprall einen Schädelbruch zugezogen hatte. Ärzte hatten ihm damals versichert, mit dem Helm seinen Sport weiterhin professionell betreiben zu können – denn: „Fußball ist Teil meines Lebens“, wie Roßbach später gegenüber der „Zeit“ seine Motivation erklärte, trotz des damit verbundenen Risikos weiter beruflich dem Ball nachzujagen. Nach zuletzt fünf Jahren beim FC Hansa Rostock wurde der Vertrag dann allerdings nicht mehr verlängert, und im Herbst seiner Karriere stand Roßbach nun vor der Frage, wie es weitergehen könnte. Er ließ sich Bedenkzeit – die VSG Altglienicke hatte aber bereits Kontakt zu ihm aufgenommen, Interesse signalisiert und die Tür offen gehalten. „Wir haben da einen offenen Kontakt gehabt, den beide Seiten, glaube ich, zu schätzen wussten“, erklärt Trainer Ersan Parlatan zum Zustandekommen des Transfers. Als der vertragslose Profi etwa drei Wochen vor Ende der Transferfrist dann Bereitschaft signalisierte, machten beide Seiten Nägel mit Köpfen. Denn der Berliner Regionalligist hatte zwar bereits einen gewaltigen Umbruch im Kader vollzogen, Roßbach schien den Verantwortlichen aber ein sehr interessanter Kandidat zu sein. „Er ist für uns natürlich sehr wertvoll gerade für die jungen Verteidiger, weil er Professionalität und Einsatz vorleben kann“, so Parlatan, „und wir freuen uns, dass wir ihn von uns überzeugen konnten.“ Da er zwischenzeitlich nur individuell trainiert hat, könnte der Weg zur VSG-Stammkraft dabei noch ein wenig dauern – der Coach ist jedoch optimistisch: „Er ist auf einem guten Weg.“
Auf Anhieb eingeschlagen
Auf Anhieb eingeschlagen hat dagegen Jonas Nietfeld, der auch noch nicht zum Vorbereitungsstart dabei war – aber eben doch einen Monat eher als Roßbach. Anfang Juli vermeldeten die Berliner die Verpflichtung des 31-jährigen Stürmers, mit dem der Hallesche FC nach sechs Saisons nicht mehr verlängern wollte. Auch in Nietfelds Fall hatte die VSG sogleich Interesse an dem ablösefreien Routinier bekundet: „Wir waren von seiner sportlichen Qualität überzeugt – aber dass er sich auch menschlich so gut bei uns einfügt, darüber sind wir besonders glücklich“, beschreibt der VSG-Coach noch eine geglückte Komponente dieses Wechsels. Einem Stürmer fällt die Eingewöhnung immer leicht, wenn er trifft – und das tat Nietfeld: Fünfmal in den ersten sechs Ligaspielen ließ er es im gegnerischen Kasten klingeln und war damit zu dem Zeitpunkt für die Hälfte aller Altglienicker Tore verantwortlich. Und nicht nur das: Wenn der gebürtige Mindener traf, gewann die VSG auch – bei jedem Sieg brachte der erfahrene Stürmer sein Team obendrein in Führung. So ist Nietfeld bislang so etwas wie „Dosenöffner“ und Sieg-Garant in einer Person. Kein Wunder, möchte man sagen, schließlich hat er 48-mal für Jahn Regensburg in der 2. Liga gespielt und kommt dazu noch allein auf stolze 238 Drittligaeinsätze bei Rot-Weiß Erfurt, FSV Zwickau und eben dem HFC. Auch der Angreifer soll dabei Vorbild sein für die vielen Youngster im Kader: „Diesen Hunger, diese Gier trotzdem noch zu haben, auch wenn man schon höher gespielt hat – das sollen die jungen Spieler annehmen und daraus lernen.“
Mit Tim Rieder hatte man zuvor bereits einen sehr erfahrenen defensiven Mittelfeldspieler für die VSG gewinnen können – der 32-Jährige bringt es sogar auf fünf Bundesligaeinsätze für den FC Augsburg (2016/17), 15 in der 2. Liga (Darmstadt 98 2018/19) sowie 142 in der 3. Liga (1860 München, Kaiserslautern, TürkGücü) und spielte dazu in Polen und zuletzt Griechenland. Nach einem Jahr beim dortigen Zweitligisten PAS Giannina war Rieder ablösefrei zu haben und die VSG konnte sich seine Dienste sichern, obwohl laut „Münchner Abendzeitung“ auch eine Rückkehr zum TSV 1860 zur Diskussion stand. Gemeinsam mit Philip Türpitz sorgt Rieder für die nötige Stabilität in der Altglienicker Schaltzentrale. Der 34-jährige VSG-Kapitän wiederum hat sich durch eine verletzungsbedingt verkorkste letzte Saison – seine dritte im Dress der Hauptstädter – trotz monatelanger Pause durchgebissen und wieder herangekämpft. Auch Türpitz verkörpert eben noch diesen Hunger und ist diese Saison damit wieder zur Stammkraft geworden. Ebenso wie Roßbach, Nietfeld und Rieder verfügt der wegen seiner Schusskraft „Torpedo“ genannte Spieler über höherklassige Erfahrung: In der 2. Liga lief er insgesamt 59-mal für den 1. FC Magdeburg beziehungsweise SV Sandhausen auf, sogar 171-mal in Liga 3 (Chemnitzer FC, FCM, Hansa Rostock, TürkGücü München).
Ex-Profis schon immer hoch im Kurs
Ex-Profis standen seit dem Aufbruch der Treptower in höhere Ligagefilde vor zehn Jahren stets hoch im Kurs: Kevin Pannewitz, Torsten Mattuschka oder Boubacar Sanogo sollten der VSG anfangs auch etwas Glanz verleihen, zuletzt klappte es mit Spielern wie Martin Kobylanski oder Marvin Pourié allerdings nur noch für ein halbes Jahr. Mit Roßbach und Nietfeld wurde immerhin jeweils ein Zweijahresvertrag ausgehandelt, sie sollen sich also durchaus kontinuierlich einbringen. Doch auch wenn die „alten Neuen“ gut ins Team und zur Aufbruchstimmung bei der VSG Altglienicke passen, haben sie einen Nachteil: Mit der gezielten Kader-Verjüngung hat es jedenfalls rein statistisch nicht geklappt – das Durchschnittsalter von 25,7 Jahren ist nun sogar um vier Monate höher als in der Vorsaison.