Gemäß der europäischen Verordnung „Reach“ haben Verbraucher das Recht, Informationen über Schadstoffe in Produkten zu erhalten. Das wissen die meisten allerdings gar nicht. Dabei ist die Überprüfung via App inzwischen so einfach!
Sie heißen „ToxFox“, „CodeCheck“ und „Cosmile“: Daten-Apps, die binnen Sekunden wertvolle Informationen über ein Produkt, in diesem Fall Kleidung und Kosmetika, ausspucken. Damit folgen sie der europäischen „Reach“-Verordnung. Das Akronym steht für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“. Damit will die Europäische Union sicherstellen, dass sich Verbraucher bei den jeweiligen Firmen darüber informieren dürfen, was in ihren Lieblingsprodukten steckt. Hier legen die Initiatoren besonderes Augenmerk auf die enthaltenen Schadstoffe, die als bedenklich für die Gesundheit eingestuft wurden.
Eine der bekanntesten Apps in diesem Bereich ist „CodeCheck“. Die Nutzung ist kostenlos über iOS und Android möglich. Nutzer müssen lediglich den Barcode des Produkts einscannen. Binnen Sekunden zeigt das Display dann Informationen über Inhaltsstoffe und problematische Zusatzstoffe wie Mikroplastik, Palmöl, Silikone und Parabene an. Mehr als 27 Millionen Produkte sind registriert, regelmäßig kommen neue hinzu. Was die App nicht weiß, ist, dass nicht alle fragwürdigen Inhaltsstoffe aus umweltschädlichen Quellen stammen. Manches bewertet sie schlicht nicht, wie zum Beispiel ätherische Öle. Sollte sie aber, denn diese können bei vielen Menschen zu allergischen Reaktionen führen. Die Finanzierung läuft indirekt über die Nutzer. Via „CodeCheck Insights“ analysiert die App die Suchfunktion und die Bewertungen. Die Daten verkaufen die Betreiber dann an Hersteller, die ihr neues Wissen nutzen können, um Produkte zu optimieren. CodeCheck ist inzwischen insolvent gegangen, deshalb bleibt abzuwarten, ob die App trotzdem weiter verfügbar bleibt. Bis das geklärt ist, warten bereits diverse Alternativen, die allesamt ebenfalls kostenlos nutzbar sind.
Das Besondere ist die Transparenz
Die „ToxFox“-App zum Beispiel. Herausgegeben wird sie vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Speziell zielt sie auf die Frage ab, ob Kosmetikartikel schädliche Chemikalien enthalten – eine wichtige Angabe, die allerdings selten bis gar nicht auf der Verpackung vermerkt ist. Dann würde sich der Verbraucher ja auch schon vor dem Kauf umentscheiden und das Geschäft wäre für das Unternehmen ruiniert. Neben Chemikalien informiert die App auch über hormonelle Schadstoffe, Nanopartikel und Mikroplastik. Laut Angaben des Entwicklers nutzen mehr als zwei Millionen Menschen ToxFox. Seit Januar 2020 sogar europaweit. Schwierigkeiten bestehen nur, wenn die App ein Produkt nicht finden kann. Dann läuft die Anfrage ins Leere und eine Fehlermeldung erscheint. Die Besonderheit liegt hier in der Transparenz: Ist ein Produkt nicht verzeichnet, können Nutzer es problemlos anfragen. Die Hersteller haben dann 45 Tage Zeit, um die Nachfrage zu beantworten. Um festzulegen, welche Inhaltsstoffe als problematisch gelten, gibt es die „Inci“. Das ist die Abkürzung für „International Nomenclature of Cosmetic Ingredients“ oder zu Deutsch „Internationale Nomenklatur für kosmetische Inhaltsstoffe“, eine europaweite Richtlinie zur Bezeichnung sämtlicher Rohstoffe in Kosmetika.
An die hält sich auch die App „Cosmile“, entwickelt von der health&media GmbH. Sie möchte die Nutzer nicht nur über die Inhaltsstoffe aufklären, sondern auch auf Allergie-Risiken hinweisen. Um an die notwendigen Informationen zu gelangen, bedient sich Cosmile bei der CosIng-Datenbank, die von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellt wird. Sollen die Informationen zu ausgewählten Produkten detaillierter sein oder manche Inhaltsstoffe Raum für Kritik lassen, so befragt Cosmile dazu unabhängige Experten. Wer mag, der kann sich in der App einen persönlichen Inci-Filter einrichten. Fehlen Kosmetika in der umfangreichen Datenbank, dann lassen sich sämtliche Informationen einfach manuell eingeben oder abfotografieren, um an die entsprechenden Angaben zu gelangen. Für weitergehende Informationen betreibt das Unternehmen die Webseite haut.de. Hier finden Nutzer weiterführende Hinweise und Erklärungen zu Inhaltsstoffen, Anwendertipps und vieles mehr. Alle Daten durchlaufen regelmäßige Kontrollen und Aktualisierungen. Diese Updates können Nutzer bei Interesse in den Rubriken „Facts“ und „News“ nachlesen. Die Angaben beschränken sich allerdings auf die, die die Hersteller selbst zur Verfügung stellen. Auch die Finanzierung der App läuft über ausgewählte Kosmetikfirmen. In dieser Hinsicht ist „Cosmile“ also nicht neutral einzustufen. Hier möchte man allerdings auch keine Empfehlung zum Kauf geben, sondern lediglich informieren und das so ausführlich, wie es eben möglich ist. Solange der Barcodescanner denn auch seinen Dienst tut.
Ampelbewertung bei der App „Yuka“
Etwas konkreter gestaltet die französische App „Yuka“ ihre Informationen. Hier erhalten Nutzer nach dem Einscannen des Barcodes eine Ampelbewertung. Rot bedeutet: Vorsicht, sehr schädlich! Orange steht für mittelmäßige Produkte, Hellgrün für gute und Dunkelgrün sogar für ausgezeichnete Bewertungen. Wie praktisch, dass es „Yuka“ seit mehr als einem Jahr auch in Deutschland gibt. Die App bewertet neben Kosmetika auch Lebensmittel und Hygieneprodukte. Neben dem Ampelsystem kommt dabei ein Punkte-Score zum Tragen. Hochwertige Lebensmittel und Kosmetika können 100 Punkte erreichen. Das ist der Fall, wenn keine schädlichen Zusatzstoffe enthalten sind und Bio-Qualität nachweisbar ist. Doch auch mit 75 Punkten gilt ein Produkt (gerade) noch als ausgezeichnet. Liegen die Scores zwischen 50 und 75, dann leuchtet die Ampel hellgrün, zwischen 25 und 49 orange. Alles darunter bleibt rot. Ein wichtiges Bewertungskriterium bei „Yuka“ ist der Nutri-Score. Der gilt insbesondere für Lebensmittel, er ist allerdings ein freiwilliges und verbraucherfreundliches Kennzeichnungsprinzip. Der Score existiert in dieser Form seit 2020 und doch findet sich der „bunte Balken“ längst nicht auf allen Produkten. Bei Kosmetika ersetzen naturwissenschaftliche Studien, internationale Datenbanken wie die SIN-Liste und Begutachtungen von offiziellen Institutionen wie dem „Centre national de la recherche scientifique“ und der Internationalen Agentur für Krebsforschung den Nutri-Score-Einsatz. Die App schätzt die drei Risikogruppen „Allergen oder Reizstoff“, „Karzinogen“ und „endokriner Disruptor“ ein. Bei nicht optimalen Ergebnissen erhalten Verbraucher eine oder mehrere alternative Produktempfehlungen. Die Bedienung der App ist einfach. Der überwiegende Teil der Produkte wird erfolgreich ausgelesen. Wer sich mehr Leistung wünscht, der kann neben einer kostenlosen auch eine Bezahl-Version der App erhalten und darüber den vollen Umfang nutzen. Da der Score-Einsatz als freiwillige Einschätzung der Produkthersteller fragwürdig ist, bilden allerdings viele Punkte keine zuverlässige Einschätzung.
Deshalb bemühen sich Entwickler wie das deutsche Start-up Fair Friend mit ihrer „Einkaufscheck“-App um einen verlässlicheren Ersatz. Den Schwerpunkt legen die kreativen Köpfe hier auf die ökologischen und gesundheitlichen Aspekte von Lebensmitteln und Kosmetika. Die App gibt außerdem Auskunft über Allergene, „Religion“ und „vegan & vegetarisch“. Die Auswahl an Informationen bestimmen die Anwender selbst, indem sie Avatare anlegen, die als Einkaufsberater fungieren und den Nutzer anonymisieren. Sämtliche Fakten in der App stammen nicht aus privaten Meinungen oder Online-plattformen, sondern sind das Resultat offizieller Studien. Fehlt etwas, bemühen sich die Mitarbeiter, hier schnellstmöglich nachzulegen, auch wenn das einige Tage dauern kann. Wer schneller Informationen braucht, während er zum Beispiel gerade im Laden steht und eine Kaufentscheidung fällen möchte, der schaut in die Röhre. Für alle anderen, die eine individualisierte Performance schätzen und sich umfangreiche Informationen wünschen, ist der „Einkaufscheck“ ein hilfreicher Begleiter.
„Schwarze Schafe“ erkennen
Etwas simpler gestaltet das Ganze „Buycott“: Statt vieler Bewertungsgruppen beschränken sich die Entwickler auf eine Frage: Gehört die Marke zu einem problematischen Konzern? Dazu reicht es, den Barcode zu scannen. Binnen Sekunden erscheint auf dem Display, zu welchem Hersteller das Produkt gehört und welcher Mutterkonzern dahinter steckt. Neben dem Namen gibt „Buycott“ an, ob das Unternehmen in der Kritik steht und warum. Im Praxistest funktioniert das System nur unzureichend, weil die App Schwierigkeiten beim Scannen hat und große Wissenslücken bei der Zuordnung und Einschätzung von Konzernen aufweist. Das liegt vor allem daran, dass sie vorrangig für den amerikanischen Markt konzipiert wurde und dementsprechend überwiegend Unternehmen in den Datenbanken führt, die dort auch vertreten sind. Deutsche Nutzer können derweil selbst aktiv gegen Ungerechtigkeiten vorgehen, fehlende Informationen ergänzen und sich zusammenschließen, um Beschwerden gegen die betreffenden Konzerne einzureichen.
Neben den vorgestellten Apps gibt es natürlich noch viele weitere, die meisten von ihnen kostenlos nutzbar; sie versprechen Hilfe bei einer gesunden und umweltfreundlichen Kaufentscheidung. Wichtig ist, vor dem Herunterladen genau darauf zu achten, wer hinter der Finanzierung dieser App steht und welche Erfahrungen andere Nutzer bereits im Alltag sammeln konnten. Wenige richten sich dabei ausschließlich auf eine Produktgruppe, zum Beispiel auf Mode. Die meisten decken gleich einen größeren Nachfragebedarf ab. Bekannte „schwarze Schafe“ auf dem Markt erkennen die meisten Apps, auch problematische Inhaltsstoffe erscheinen oft binnen Sekunden. Es bedarf dann allerdings der eigenen Einschätzung und Recherche, um eine endgültige Kauf- und Nutzungsentscheidung zu treffen. Nicht alle Palmöle sind zum Beispiel aus umweltschädlichem Anbau, nicht jede Haut reagiert empfindlich auf ätherische Öle und solange Polyester recycelt ist, lässt es sich trotzdem guten Gewissens tragen. Details wie diese (er)kennen Apps natürlich nicht.