Ging es in den vergangenen Wintersaisons eher gediegen zu, überraschen die Designer aktuell mit überschwänglichem Colorblocking und wildem Materialmix. Wieso Rosa so gut zu Grasgrün passt und welche Verbindung Pink zu Senfgelb hat – dazu hier mehr.
Die Laufstege dieser Saison sind geprägt von Outfits, die auf den ersten Blick wie zufällig zusammengewürfelt wirken. Rosa trifft auf Gelb, Grün wird mit Pink kombiniert, und dazwischen schimmern Indigo, Türkis und Senfgelb. Diese Farben wirken zunächst wie ein wilder Mix, der sich jeder klassischen Ordnung entzieht. Doch hinter diesem vermeintlichen Chaos steckt eine präzise durchdachte Strategie, die den Modemachern Raum für Kreativität gibt. Dries Van Noten etwa präsentiert eine grüne Stoffhose, die mit einer pastelllila Bluse kombiniert wird. Abgerundet wird das Ensemble durch einen übergroßen Rollkragenpullover in Mitternachtsblau. Dieser Look spielt nicht nur mit Farben, sondern auch mit Silhouetten und Texturen, wodurch eine neue, dynamische Form von Eleganz entsteht.
Auch Philosophy greift die Idee des Farbexperiments auf. Ein zartrosa Minikleid wird hier mit einem grasgrünen Mantel kombiniert, was den Eindruck eines lebendigen Kontrasts erzeugt. Dazu kommen Accessoires wie Shopper und Schnürschuhe, die in unterschiedlichen Grünnuancen gehalten sind. Diese bewusste Abstimmung innerhalb einer Farbfamilie zeigt, dass die Designer nicht nur auf auffällige Gegensätze setzen, sondern auch darauf, innerhalb eines Farbtons unterschiedliche Intensitäten und Materialien zu kombinieren. Das Ergebnis sind Looks, die sowohl harmonisch als auch aufregend wirken.
Lebendiger Kontrast
Neben der Farbvielfalt spielt die Materialwahl eine entscheidende Rolle. Die Designer der Saison zeigen eine Vorliebe für extreme Gegensätze. Feine Stoffe wie Seide oder Satin treffen auf groben Strick, glänzendes Leder wird mit funkelndem Plüsch kombiniert. Dieser Materialmix verleiht den Outfits eine Tiefe, die durch die Farbwahl noch verstärkt wird. Je glatter und feiner ein Material ist, desto harmonischer wirkt eine kräftige Farbe darauf. Doch gerade der bewusste Bruch mit dieser Harmonie erzeugt spannende Kontraste, die das Auge fesseln. Miu Miu kombiniert beispielsweise eine pinke Plüschjacke mit senfgelben Lederhandschuhen. Die grobe Struktur des Plüschs und die glatte Oberfläche des Leders erzeugen dabei einen visuellen Spannungsbogen, der den Look unverwechselbar macht.
Ein weiteres zentrales Element ist das Colorblocking, das in dieser Saison neue Dimensionen erreicht. Dabei handelt es sich nicht nur um das Nebeneinanderstellen von Primär- und Sekundärfarben, sondern um eine bewusste Inszenierung von Kontrasten, die bestimmte Bereiche des Outfits betonen. Roksanda zeigt dies eindrucksvoll mit einem XXL-Kostüm, das weite Flattershorts mit leuchtend blauen Stegleggins kombiniert. Die Beine des Models werden durch die intensive Farbe zum zentralen Fokuspunkt, während der Rest des Outfits in gedeckteren Tönen gehalten ist. Dieser gezielte Einsatz von Farben unterstreicht die Möglichkeiten, die Mode bietet, um bestimmte Körperpartien hervorzuheben. Die Designer machen deutlich, dass Farben nicht nur ästhetische, sondern auch funktionale Zwecke erfüllen können, indem sie die Aufmerksamkeit lenken und die Silhouette formen.
Accessoires übernehmen in dieser Saison eine Schlüsselrolle. Sie dienen nicht nur als Ergänzung, sondern werden zu eigenständigen Statements, die den Gesamteindruck eines Outfits prägen. Sonnenbrillen sind dabei ein besonders beliebtes Mittel, um Farbakzente zu setzen. Alexander McQueen präsentiert ein Modell aus rotem Acetat, das mit farblich passenden Gläsern ausgestattet ist. Diese Kombination erzeugt einen stimmigen, fast monochromen Effekt, der die Farbintensität des restlichen Outfits betont. Fendi wählt einen anderen Ansatz und setzt auf eine Sonnenbrille in leuchtendem Türkis mit Fliegenoptik. Diese futuristisch anmutende Form und die kräftige Farbe machen sie zu einem unverkennbaren Blickfang, der jedes Outfit aufwertet.
Auch bei den Taschen zeigen sich die Designer experimentierfreudig. Gucci kombiniert zu einem pflaumenfarbenen Anzug eine Minihandtasche in einem leicht abweichenden Lilaton, der die Farbwelt des gesamten Looks ergänzt und zugleich Akzente setzt. Giada greift diesen Ansatz auf und präsentiert einen Allover-Plumlook, der durch einen blasslila Shopper abgerundet wird. Diese subtilen Nuancenunterschiede zeigen, wie detailliert die Arbeit der Designer ist, die jedes Element eines Outfits genau aufeinander abstimmen, um ein stimmiges Gesamtbild zu erzeugen.
Sehnsucht nach Licht, Farbe und Lebensfreude
Die Frage, warum die Modewelt gerade jetzt so intensiv auf Farben setzt, ist eng mit der Stimmung der Jahreszeit und den Bedürfnissen der Konsumenten verknüpft. In einer Zeit, in der die Tage kürzer und dunkler werden, sehnen sich viele Menschen nach Farbe und Licht. Die Designer scheinen auf diesen Wunsch zu reagieren, indem sie eine Mode schaffen, die dem Winterblues trotzt und Lebensfreude ausstrahlt. Rosa, Gelb, Grün und Lila sind in dieser Saison nicht nur Farben, sondern Symbole für Optimismus und Energie. Diese Farben bringen nicht nur Abwechslung in die Garderobe, sondern auch in den Alltag, indem sie die Monotonie der kalten Monate durchbrechen.
Ein weiterer Grund für die Rückkehr zur Farbvielfalt könnte in der wachsenden Bedeutung individueller Ausdrucksformen liegen. Mode wird zunehmend als Mittel gesehen, um Persönlichkeit und Kreativität auszudrücken. Die aktuelle Saison bietet hierfür unzählige Möglichkeiten, da sie keine starren Regeln vorgibt, sondern zum Experimentieren einlädt. Ob knallige Kontraste oder sanfte Übergänge – erlaubt ist, was gefällt und zur eigenen Persönlichkeit passt.
Garderobe neu entdecken
Die Farbvielfalt der aktuellen Mode zeigt sich nicht nur in den Outfits selbst, sondern auch in den kleinen Details, die jedes Ensemble abrunden. Sonnenbrillen, Taschen, Schuhe und selbst Handschuhe sind nicht mehr bloße Accessoires, sondern integraler Bestandteil des Farbkonzepts. Diese Herangehensweise zeigt, wie umfassend die Designer ihre Entwürfe durchdenken und wie vielschichtig die Mode dieser Saison ist. Sie lädt dazu ein, die eigene Garderobe neu zu entdecken und mit Farben und Materialien zu spielen, die zuvor vielleicht als zu gewagt oder unpassend galten.
Doch während die Designer mutige Kombinationen vorgeben, bleibt die Frage: Welche Farben passen eigentlich zu wem? Denn nicht jede Farbnuance harmoniert automatisch mit jedem Teint, jeder Haarfarbe oder jedem individuellen Stil. Hier kommt das Konzept der Farbtypen ins Spiel – eine Orientierungshilfe, um die Farben zu finden, die den eigenen Look perfekt unterstreichen.