Nørrebro ist das coolste Stadtviertel der Welt. Das haben die Leser des englischen „Time Out Magazine“ 2021 beschlossen. Die Redaktion des Heftes hat den Stadtteil wegen seiner „schillernden Mischung aus historischen Sehenswürdigkeiten, ultramoderner Architektur und gastronomischen Einrichtungen“ geehrt.

Wie auch immer man ‚cool‘ definiert, Nørrebro hat es“, schwärmte „Time Out“. Der Kopenhagener Stadtteil ist ein Schmelztiegel für alles, was Spaß macht. Hier findet man die ausgezeichneten Restaurants, die spannenden Kneipen, entspannte Bars und hippe Galerien. Man spürt eine Aufbruchsstimmung wie zur Jahrtausendwende in den östlichen Stadtteilen Berlins. Noch hat Nørrebro die perfekte Mischung aus unfertig und kreativ, aus roh und zukunftsorientiert.
Freilich: Auch in Nørrebro droht irgendwann Gentrifizierung, auch hier wird das Raue, aber Interessante irgendwann abgehobelt sein, und aus dem Spannenden das Konventionelle werden. Bis jetzt aber gehört der Stadtteil zu den inspirierendsten Orten der dänischen Hauptstadt. Der Aufstieg vom Aschenputtel zur schicken Prinzessin hat eben erst begonnen. Die Zeit, in der Nørrebro das Viertel mit der höchsten Kriminalitätsrate Kopenhagens war, in der Zusammenstöße zwischen ausländischen Jugendlichen und der Polizei zur Tagesordnung gehörten, liegt noch nicht allzu lange zurück. Vor 15 Jahren brannten hier die Barrikaden und das britische Außenministerium warnte seine Bürger vor Ausflügen in den berüchtigten Stadtteil. Heute leben in Nørrebro Studenten, Einwanderer, Künstler und Lebenskünstler. Sie sorgen dafür, dass das Markenzeichen „Multikulti“ im positivsten Sinne mit Leben gefüllt wird.
Ein Sterne-Restaurant

So unterschiedlich die Bewohner, so unterschiedlich die Küchen. Die Hauptstraße Nørrebrogade ist das Zentrum der arabischen Küche und entsprechend liegen hier die besten Schawarma-Läden der Stadt. Einmal im Jahr wird sogar die offizielle Nørrebro Schawarma-Meisterschaft ausgetragen. Ebenfalls international ist das Restaurant „Kiin Kiin“ in der Guldbergsgade – allerdings liegt es am anderen Ende der Preisskala. Küchenchef Henrik Yde hat als einziger außerhalb Thailands einen Michelinstern für Thaiküche erobert. Nur ein paar Schritte entfernt, ebenfalls in der Guldbergsgade, widmet sich Christian Puglisi, der selbst schon im „Noma“ gekocht hat – einer Kopenhagener Institution, die über lange Jahre die Liste der besten Restaurants weltweit anführte – der italienischen Küche. Wer glaubt, Pizza kann doch jeder, sollte sich im „Bæst“ eines Besseren belehren lassen. Bei einem kühlen Bier lässt man den Abend im „Brus“ oder im „Kølsters Tolv Haner“ ausklingen. Wer eher auf Cocktails steht, ist vielleicht im „The Barking Dog“ besser aufgehoben.
Eigentlich ist Nørrebro das perfekte Viertel, um sich einfach treiben zu lassen, um von Café zu Café und von Kneipe zu Kneipe zu ziehen. Wer trotzdem Angst hat die Highlights zu verpassen, notiert sich die „Elmegade“, die „Jægersborggade“ und die „Blågårdsgade“ in sein Notizbuch. Kneipen und Restaurants liegen hier Seite an Seite. Und den ein oder anderen spannenden Designershop findet man außerdem.
Die drei größten Sehenswürdigkeiten des Viertels sind strategisch günstig verteilt, liegen sie doch im Norden, der Mitte und im Süden von Nørrebro. Man passiert sie alle, wenn man die zweieinhalb Kilometer lange Nørrebrogade entlang spaziert.

Direkt vor dem Ausgang der Nørrebro Station liegt Superkilen, der etwas andere Stadtpark. Er ist in drei Bereiche untergliedert, den „Roten Platz“, den „Schwarzen Markt“ und den „Grünen Park“. Rund um den Roten Platz liegen viele Cafés, von denen aus man einen Paradeblick auf einen Spielplatz und eine Skaterbahn hat. Der Untergrund ist in der namensgebenden – inzwischen allerdings etwas verblichenen – roten Farbe gehalten. Rund um den „Schwarzen Markt“ stehen Bänke, in der Mitte ein Springbrunnen und Palmen aus China. Der schwarze Asphalt ist hier mit weißen Linien durchzogen und wirkt wie moderne Kunst auf dem Boden. Besonders spektakulär und fotogen ist der Asphalthügel, der von Instagramern gern als Hintergrund verwendet wird. Wem das zu freakig ist, kann auch einfach grillen oder Schach spielen. Gemauerte Grills und Terrazzo-Schachtische warten darauf kostenlos benutzt zu werden. Der Grüne Park ist genau das, was der Name verspricht – eine Grünfläche, die zum Spazieren und Picknicken einlädt. Die Vision der Parkbauer war, dass Superkilen so etwas eine kleine Weltausstellung werden sollte. Deswegen hat man Parkmöbel aus 62 Ländern zusammengetragen – sie sollen auch die Vielfalt der Bewohner des Viertels symbolisieren. Eine Schaukel kommt beispielsweise aus dem Irak, eine Sitzbank aus Brasilien. Der russische Pavillon ist ironischerweise in ukrainischen Landesfarben gehalten, und der Mast mit dem leuchtenden roten Stern an der Spitze kommt aus den USA.

Ein Friedhof als Sehenswürdigkeit? Und ob! Auf dem Assistens Kirkegård haben viele berühmte Dänen ihre letzte Ruhestätte gefunden – von Søren Kierkegaard bis Hans Christian Andersen und von Niels Bohr bis Martin Andersen Nexø. Die dänisch-sudanesische Rapperin Natasja Saad, die sich als Little Tasha auch international einen Namen gemacht hat, liegt ebenfalls hier begraben. Assistens Kirkegård ist aber weit mehr als nur ein Friedhof, es ist ein Park, den die Kopenhagener längst als Naherholungsgebiet nutzen. Hier geht man spazieren und zum Wochenende breitet man die Decke zum Picknick aus. Im Sommer findet jeden Sonntag auf dem Fußweg vor der Friedhofsmauer ein Flohmarkt statt. Weil da wenig Platz ist, nennen ihn die Kopenhagener selbstironisch den schmalsten Markt des Landes.
Brücke wurde zum Treffpunkt

Die Königin-Louise-Brücke, zehn Spazierminuten vom Assistens Kirkegård entfernt, verbindet Nørrebro mit dem Zentrum von Kopenhagen. Obwohl sie bereits 1887 erbaut wurde, ist sie erst seit ein paar Jahren eine „Sehenswürdigkeit“, eine Art kommunaler Treffpunkt. Weil der Fahrradverkehr über die Brücke enorm zugenommen hatte, beschloss die Stadtverwaltung 2011 den Fußgänger- und Fahrradweg zu erweitern und die Autospur entsprechend zu verengen. Eigentlich hatte man nur die Verkehrsführung für Radler verbessern wollen. Weil aber auf der Dronning Louises Bro plötzlich viel mehr Platz war, blieben die Menschen länger, genossen die Aussicht auf die „Kopenhagener Seen“ oder verabredeten sich zu einem kleinen Plausch oder zum Feierabendbier. Weil die Stadt den „Auftrag“ ihrer Bürger ernst nahm und nun auch Bänke auf der Brücke aufstellen ließ, entwickelte die sich bald zu einem Treffpunkt der Einheimischen und zum perfekten Ort zum „people watching“.
Wer sich zum Abschluss Nørrebro von oben anschauen will, macht einen kurzen Spaziergang zur jüngsten Sehenswürdigkeit des Viertels, dem Maersk Tower. Der 75 Meter hohe Turm ist Teil der Universität, die Aussichtsplattform im 15. Stock ist aber für jedermann kostenlos zugänglich. Fahrradfahrer fahren einfach in die exklusiv für sie gebaute Tiefgarage. Dort gibt es nicht nur Stellplätze für 950 Drahtesel, sondern für verschwitzte Fahrer auch Duschen und Umkleiden. Von dort geht es dann, frisch gemacht und duftend, im Aufzug direkt hinauf zum schönsten Blick übers coole Nørrebro.