Die neuerliche Debatte um die Schuldenbremse beschäftigt die Bundesregierung seit Monaten. SPD und Grüne sind für eine Aussetzung, die FDP dagegen. Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft könnte die Schuldenbremse zur Last für zukünftige Generationen werden.
Gleis 12, Berliner Hauptbahnhof. Sebastian Dullien rennt mit seinem Rollkoffer über den Bahnsteig in Richtung Ausgang, er wird in der Bundespressekonferenz erwartet, aber sein ICE hatte erhebliche Verspätung. „Genau das ist das Problem, was wir in Deutschland haben, dass selbst einfachste Dinge nicht mehr funktionieren, zum Beispiel ein funktionierendes Bahnnetz. Da haben wir in den letzten Jahren an der falschen Stelle gespart“, sagt Dullien. Er schafft seinen Termin noch mit Ach und Krach pünktlich, obwohl er seine Ankunft in der Hauptstadt eine Stunde vor dem eigentlichen Termin geplant hatte.
Der 49-Jährige ist Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Er berät die Länder und die Bundesregierung. Sein Fazit in Sachen Zustand der Infrastruktur Deutschlands ist relativ simpel: „Je mehr Zeit wir ins Land ziehen lassen und nichts tun, desto teurer wird es für die zukünftigen Generationen“, so der Wirtschaftswissenschaftler im Gespräch mit FORUM. Die Schuldenbremse hat aus Sicht von Dullien sicherlich ihre Berechtigung, aber wenn die Daseinsvorsorge unterlaufen werde, sollte die Politik über die Sinnhaftigkeit nachdenken.
Lindner hält an Schuldenbremse fest
Ortswechsel. Keinen Kilometer von der Bundespressekonferenz sitzt der Bundesrat, die Länderkammer. Auch von den Ministerpräsidenten ist keiner über die Schuldenbremse wirklich glücklich, egal welcher Partei sie angehören. Auch hier ist immer wieder zu hören, die Schuldenbremse ist gut und schön, aber „das darf nicht dazu führen, dass wichtige Infrastrukturmaßnahmen nicht angegangen werden, weil wir die Gelder nicht freigeben können, um zum Beispiel Schulen zu sanieren oder in die ländliche Verkehrs-Infrastruktur zu investieren“, so Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
Sein CDU-Amtskollege aus Schleswig-Holstein, Daniel Günther, sieht das ähnlich. Schuldenbremse ist gut, aber öffentliche Güter sind nun mal öffentliche Güter. Soll heißen: Natürlich kann man mithilfe der privaten Wirtschaft Bildungseinrichtungen und Verkehrsinfrastruktur sanieren, aber es darf nicht dazu führen, dass sich der Staat damit vollends aus seiner Verantwortung zurückzieht. Public-Private Partnership hat auch für den Christdemokraten seine Grenzen.
Mit dem Schuldenbremsen-Sparkurs hat sich ein immenser Sanierungsstau gebildet. In einer aktuellen Studie geht zum Beispiel das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) davon aus, dass der Bedarf nur für die dringenden Sanierungsaufgaben bei Bildung und Verkehr in den kommenden zehn Jahren bei mindestens 600 Milliarden Euro liegt. Eine konservative Schätzung, so der Präsident des IW, Professor Michael Hüther, gegenüber FORUM (siehe Interview). Zustimmung kommt von den Ministerpräsidenten der Länder, doch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will auf jeden Fall an der Schuldenbremse auch für das kommende Jahr festhalten. „Man kann nicht immer neue Schulden mit einer Krise erklären, die dann die zukünftigen Generationen bezahlen müssen“, so Lindners Argumentation. Professor Dullien vom IMK hält dagegen: Wenn wir jetzt nicht investieren, wird das für die kommenden Generationen noch sehr viel teurer. Damit steht auch die Zukunftsfähigkeit Deutschlands auf dem Spiel, so Dullien.