Diogo Leite war in der Saison bis zu seinem verletzungsbedingten Aus der konstanteste Abwehrspieler bei Union. Das hat natürlich auch die Konkurrenz mitbekommen. Können die Berliner den Portugiesen halten?

Diogo Leite schaute nicht besonders glücklich aus, als er sich nach seiner Horror-Verletzung zurückmeldet. Die Augen leicht zusammengekniffen, die Mundwinkel nach unten gezogen, um seinen Hals ist eine große Plastik-Krause gewickelt. Doch der Daumen, den der Verteidiger von Union Berlin auf dem auf seinen Social-Media-Plattformen geposteten Bild hebt, signalisiert den Fans: Mir geht es den Umständen entsprechend gut. „Danke für all die Nachrichten und die Unterstützung. Ich bin okay, und ich werde zurückkommen. Liebe Euch alle“, schrieb Leite zum Foto. Zwei Tage später war die Halskrause schon wieder verschwunden, als der Portugiese beim Mannschaftstraining auftauchte. Am Seitenrand schaute er in Trainingsklamotten und Badelatschen zu, lachte und scherzte mit den Trainern und Geschäftsführer Horst Heldt. „Zurück in Berlin und freue mich, meine Teamkollegen heute beim Training zu sehen“, sagte er hinterher: „Es war ein beängstigender Moment, als ich mir eine kleine Verletzung zugezogen habe, aber mir geht es besser.“
„Ein beängstigender Moment“
Beim 1:1 auswärts in Bochum war Leite bei einem Schuss des VfL-Profis Matus Bero aus etwIMAGO/Team 2a zehn Metern mit voller Wucht am Hals getroffen worden. Am Boden liegend zuckte der 26-Jährige mit seinem Körper, was Schlimmes erahnen ließ. Er bekam zunächst keine Luft und musste minutenlang behandelt werden, im Stadion herrschte Entsetzen. „Es sah nicht gut aus. Ich bin da sowieso ganz zimperlich bei solchen Sachen, ich kann mir so was auch nicht im Video anschauen“, sagte Teamkollege Benedict Hollerbach. Und Trainer Steffen Baumgart meinte: „Das ist eine Situation, in der du natürlich erst mal ins Grübeln kommst, wie schnell Situationen sich verändern können.“
Schiedsrichter Deniz Aytekin lief zu Baumgart und deutete mit einer Geste an, dass wohl der Kehlkopf betroffen sei. Er sollte Recht behalten. Wenig später wurde bekannt, dass Leite sich einen Kehlkopf-Bruch zugezogen hat, oder ganz korrekt ausgedrückt: einen Bruch des knorpeligen Kehlkopfgerüsts. Damit ist die Saison für den konstantesten aller Union-Innenverteidiger, der von den ersten 31 Ligaspielen nur eine Partie wegen Sprunggelenksproblemen verpasst hatte, vorzeitig beendet. Auch mit der Mannschaft trainieren wird er nicht mehr. Es ist auch eine Vorsichtsmaßnahme, um einen erneuten Schlag auf den Kehlkopf mit aller Macht zu verhindern. Aus dem ersten Unfall wird Leite keine bleibenden Schäden davontragen. Ab der Sommer-Vorbereitung für die neue Saison 2025/26 ist er wieder ohne Einschränkungen eingeplant. Aber bleibt der begehrte Abwehrspieler auch tatsächlich über die Saison hinaus bei den Eisernen?
Der Portugiese hat mit den starken Leistungen bis zu seinem Ausfall das Interesse von anderen Clubs geweckt. Bei einigen individuellen Statistiken wie die der Balleroberungen, der gewonnenen Zweikämpfe und der abgefangenen Pässe gehört er zu den besten Verteidigern der Bundesliga. Dass er einen starken linken Fuß hat und diesen beim Spielaufbau auch zu benutzen weiß, macht ihn auf dem Markt zusätzlich begehrt. Mit einer Größe von 1,90 Metern und einer guten Sprungkraft ist Leite zudem offensiv wie defensiv kopfballstark. Auch dank Leite, der nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Kevin Vogt noch mehr Chef-Aufgaben in der Abwehrkette übernahm, war Union nicht noch stärker in Abstiegsgefahr geraten. Kein Wunder, dass die Verantwortlichen den in einem Jahr auslaufenden Vertrag sehr gern und möglichst schnell verlängern würden. Gespräche soll es bereits gegeben haben, Leite fühlt sich in der Stadt und im Verein dem Vernehmen nach auch sehr wohl. Dennoch zögert er mit einem langfristigen Bekenntnis. Wohl auch, weil zahlreiche Topclubs an ihn und seine Berater getreten sein dürften.
Sollte Leite in der Sommerpause nicht verlängern wollen, wäre Union in den kommenden Wochen fast schon zu einem Verkauf gezwungen. Denn den Spieler mit einem aktuellen Marktwert von 17 Millionen Euro (Quelle: transfermarkt.de) in einem Jahr ablösefrei ziehen zu lassen, kann sich der Club finanziell eigentlich nicht erlauben. Das wissen natürlich auch die interessierten Clubs, was den Preis drücken und die Begehrlichkeiten für Leite nur noch größer lassen werden dürfte. Medienberichten zufolge kommen die Interessenten aus der Bundesliga, aber auch aus der italienischen Serie A und der spanischen La Liga. Schon im vergangenen Sommer sollen sich die AS Rom und AC Florenz mit ihm intensiv beschäftigt haben. Sollte einer der interessierten Vereine die Perspektive Europapokal und ein größeres Gehalt bieten, dürfte Leite zumindest ins Grübeln geraten. Denn große Gehalts-Sprünge und eine internationale Perspektive sind bei Union vorerst nicht vorgesehen.
Ein Abgang wäre ein schwerer Schlag
Klar scheint auch, dass sich Leites Chancen auf sein ersehntes Debüt in der Nationalmannschaft Portugals erhöhen würden, stünde er bei einem Top-Club regelmäßig auf dem Platz. „Es ist mein Ziel, mein Land zu repräsentieren“, sagte er: „Es ist mein Ziel, mit Portugal 2026 an der WM teilzunehmen.“ Ein Vereinswechsel ein Jahr vor dem Mega-Turnier ist aber auch ein gewisses Risiko. Bei Union ist Leite unumstrittener Stamm- und Führungsspieler, bei einem neuen Team müsste er sich diese Position erst mal erarbeiten. Ein Verbleib ist daher weiter möglich. „Die Bundesliga gehört zu den drei stärksten Ligen in Europa“, sagte Leite: „Ich habe das Gefühl, dass ich mich hier stets verbessere, weil ich in jedem Spiel gegen wirklich starke Gegner mit unterschiedlichen Herausforderungen spiele.“

Ein Abgang wäre für Union ein sportlich schwerer Schlag. Beim 2:2 im Heimspiel gegen Werder Bremen wurde Leite durch Vogt ersetzt. Der 33 Jahre alte Routinier übernahm die linke Innenverteidiger-Position in der Dreierkette, statt wie gewohnt in die zentrale Rolle zu schlüpfen. Die war erneut dem zwölf Jahre jüngeren Leopold Querfeld vorbehalten, der zuletzt als Abwehrchef überzeugt hatte. Baumgart betonte, „dass Leo eine sehr, sehr gute Entwicklung gemacht“ habe und ließ den Österreicher zentral verteidigen. Rechts agierte wie gewohnt Danilho Doekhi. Die Abwehr ohne Leite wackelte in den ersten Minuten gegen Bremen aber gewaltig, der 0:2-Rückstand durch zwei frühe Gegentore von Jens Stage war mehr als verdient. Vor allem Vogt deutete Schnelligkeits-Defizite an, zudem war ihm die fehlende Spielpraxis deutlich anzumerken.
Doch auch er steigerte sich, genau wie seine Teamkollegen. Und so erkämpften sich die Unioner doch noch einen Punkt, wodurch die Erfolgsserie auf acht Spiele ohne Niederlage ausgebaut wurde. Damit ist der Rekord aus der Saison 2020/21 unter dem damaligen Erfolgscoach Urs Fischer eingestellt. „Vereinsrekord eingestellt, Serie ausgebaut: Guten Morgen, ihr Unbesiegbaren“, schrieb die Social-Media-Abteilung des Clubs einen Tag nach dem Spiel auf der Plattform X. Im Heimspiel am Samstag (10. Mai) gegen den 1. FC Heidenheim wollen die Eisernen die Serie natürlich ausbauen. Eine Woche später reist das Baumgart-Team zu Saisonabschluss zum FC Augsburg.