Er ist gerade mal 100 Tage im Amt und hat bereits seinen ersten Bericht vorgelegt. Seit gut drei Monaten ist Uli Grötsch als erster Polizeibeauftragter des Bundes unabhängiger Ansprechpartner für Bürger und Polizisten.
Mitte März wurde Uli Grötsch vom Bundestag zum ersten Polizeibeauftragten gewählt, zuständig für die Polizeien des Bundes, die Bundespolizei (Grenzen, Bahnhöfe), das Bundeskriminalamt und die Polizei des Bundestags. Er ist damit zuständig für über 60.000 Kolleginnen und Kollegen. (Bundespolizei (über 54.000), BKA (über 8.000), Polizei Bundestag (rund 200).
Uli Grötsch ist selbst ausgebildeter Polizist, war über 20 Jahre im aktiven Dienst, bis er 2013 erstmals für die SPD in den Bundestag einzog. Das Mandat hat er nach seiner Wahl niedergelegt.
„Ich kenne beide Seiten, sowohl die Sichtweisen der Polizei als auch die der Zivilgesellschaft, der Forschung in diesem Bereich und auch der Bürgerinnen und Bürger“, sagte Grötsch nach seiner Wahl. Er ist der erste Polizeibeauftragte. Die Ampelregierung hatte die Einrichtung dieser unabhängigen im Koalitionsvertrag verabredet.
Allerdings war das keineswegs unumstritten. Union und AfD hatten die Einrichtung eines eigenen Beauftragten für Bundespolizeien für nicht notwendig erachtet. Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor beispielsweise sprach schon mal von einem „Misstrauensbeauftragten“. Nach dieser Argumentation ist schon die Einrichtung einer solchen Aufgabe Ausdruck für ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber der Polizei. Ein Argument, das auch bei Diskussionen in den Ländern immer wieder vorgetragen wurde und wird.
Der Bund ist nämlich keineswegs Vorreiter. In gut der Hälfte der Bundesländer gibt es bereits für die Landespolizeien Beauftragte und Beschwerdeanlaufstellen, in einigen wird noch über die Einführung diskutiert.
Der Hinweis auf Misstrauen ist dabei nicht aus der Luft gegriffen. Dazu beigetragen haben Vorfälle wie etwa die Aufdeckung von Chatgruppen, in denen Polizisten rechtsextreme und/oder rassistische Inhalte geteilt haben. Auch Racial Profiling wird immer wieder diskutiert, also wenn Menschen aufgrund ethnischer Merkmale wie etwa Hautfarbe besonders kontrolliert werden.
Vor diesem Hintergrund interpretiert der erste Bundespolizeibeauftragte auch seine Aufgabe: „Ich sehe wirklich überhaupt keinen Generalverdacht. Ich glaube, dass dieser Vorwurf nur von denen geführt wird, die sich mit dem Thema noch nicht richtig auseinandergesetzt haben. Für mich wird es in den ersten Jahren meiner Amtszeit sehr stark auch darum gehen, Vertrauen zu gewinnen. Vertrauen bei den Polizeibeschäftigten und in der Zivilgesellschaft“, sagte Grötsch bei Amtsantritt in einer Veröffentlichung von „Das Parlament“, einer Wochenzeitschrift, die vom Deutschen Bundestag herausgegeben wird.
Der Beauftragte ist gesetzlich verpflichtet, einmal im Jahr dem Bundestag einen Bericht seiner Arbeit vorzulegen. Das soll jeweils bis zum 30. Juni (also in der Regel vor der parlamentarischen Sommerpause) erfolgen.
„Ich sehe keinen Generalverdacht“
Für Grötsch, der erst seit März im Amt ist, eine Herausforderung, ist er doch eigentlich noch dabei, sich umfassende Überblicke zu verschaffen, Polizeidienststellen zu besuchen, Gespräche mit Beamten, Wissenschaftlern und Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft zu führen, wie er selbst berichtet. Dabei hat er sich auch in diesen Wochen die Vorbereitungen und Einsätze der Bundespolizei im Zusammenhang mit der Männer-Fußball-Europameisterschaft angesehen. Dass das eine besondere Herausforderung ist, ist klar. Worüber sich aber viele Beamte regelmäßig beklagen ist der schwindende Respekt ihnen gegenüber.
Der neue Beauftragte sieht deshalb auch Vertrauensarbeit als oberste Priorität. Dafür setzt er auf Transparenz und klare Positionierung. „In einem vielfältigen Land, in dem alle Platz finden, darf es kein Racial Profiling geben“, heißt es beispielsweise in seinem ersten Bericht, in dem er übrigens auch kritische Wortmeldungen gegen seine Arbeit nicht unerwähnt lässt. Und bereits kurz nach seinem Amtsantritt hatte er es als „hochproblematisch“ bezeichnet, wenn Polizisten Mitglied der AfD wären. Im Interview mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ sagte er zur Begründung: „Die AfD hat sich in den vergangenen Monaten extrem radikalisiert“, und: „Die Geschichte lehrt uns, dass es verheerend ist, wenn Polizei und Justiz von Feinden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterwandert werden.“
Uli Grötsch will zwischen den unterschiedlichen Positionen vermitteln, vor allem aber zwischen Polizei und Bevölkerung die Rolle des Vermittlers übernehmen.
Sowohl Bürger als auch Beschäftigte der Polizeibehörden des Bundes haben die Möglichkeit, Hinweise auf Fehlverhalten oder mögliche Missstände von ihm untersuchen und bewerten zu lassen. Dabei sei er „unabhängig, vollständig weisungsungebunden“, was ihm die Möglichkeit gäbe, „Sachverhalte und Vorfälle mit Blick auf ihre gesellschaftliche und politische Dimension zu bewerten und für zusätzliche Transparenz zu sorgen“. Es geht dabei durchaus auch um konkrete Einzelfälle. Vor allem aber liegt ein Augenmerk darauf, strukturelle Missstände und Defizite zu erkennen und gegebenenfalls Vorschläge zu entwickeln für gesetzgeberische Folgerungen.
109 Anliegen hätten Bürger in der noch kurzen Amtszeit an den Beauftragten herangetragen, zumeist Beschwerden über möglicherweise unangemessenes Verhalten bei polizeilichen Maßnahmen, etwa Kontrollen. Insgesamt gab es bis zur Vorlage des Berichts 133 Anliegen, neben den 109 von Bürgern waren auch 24 aus dem Kreis der Bundespolizei selbst dabei. Mitarbeiter können sich direkt an den Beauftragten wenden, ohne ihre Vorgesetzten zu informieren. Anonyme Eingaben will der Beauftragte nicht bearbeiten, sichert aber Vertraulichkeit zu, und betont zugleich: „Meldung machen hat nichts mit Anschwärzen, Nest beschmutzen oder Hetzen zu tun.“ Es gehe darum, „konstruktiv dazu beizutragen, die Dinge zu verbessern“.
„Wir setzen uns für eine moderne, transparente und bürgernahe Polizeiarbeit ein. Der Bericht des Polizeibeauftragten des Bundes ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung und bildet die Grundlage für zukünftige Verbesserungen und Reformen innerhalb der deutschen Polizeibehörden“, bewertet Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, den ersten Bericht.
Grötsch selbst – wieder ganz in Vermittlerrolle: „Der Mensch, der sich jeden Tag übelst beschimpfen lassen muss, obwohl er in seiner beruflichen Tätigkeit die freiheitlich-demokratische Grundordnung schützt, der braucht ein dickes Fell, damit es nichts mit ihm macht.“