Sie ist erst zwölf Jahre alt, aber im Bogensport schon eine ganz Große. Emma Brill aus dem Saarland hat im 3D-Bogenschießen schon einige Medaillen eingeheimst.
Emmas Verein, die Bogensportschule Saar, empfiehlt das Training für Kinder eigentlich erst ab acht Jahren. Emma wollte nicht so lange warten. „Ich bin schon früh mit solchen Plastik-Bögen durchs Haus gerannt“, erinnert sie sich. Da kam ihren Eltern eine Idee: Sie kannten den Bogentrainer David Kossmann in ihrem Wohnort Urexweiler, und als Emma sieben war, nahm ihr Vater sie mit zu einem Schnuppertraining. Bingo! Emma wusste sofort: Dieser Sport ist genau ihr Ding. Trainer David Kossmann erkannte früh ihr Talent. Und weil er nicht nur Trainer sondern auch Bogenbauer und -händler ist, konnte er für die zierliche Emma eine besonders leichte und kindgerechte Ausrüstung zusammenstellen. Seitdem wächst ihre Ausrüstung mit ihrer körperlichen Entwicklung mit.
Neben dem Bogensport spielt Emma Fußball beim SV Dirmingen. Zu ihren weiteren Hobbys gehört die Kunst. „Ich zeichne gerne Tiere, Mangas, ab und zu auch ‚Star-Wars‘-Charaktere.“ Hobby Nummer eins bleibt der Bogen. Doch warum ausgerechnet Bogenschießen? Emma: „Es ist für mich ein sehr guter Ausgleich zum Schulstress. Man ist der Natur nahe, lernt viele nette Menschen kennen, gerade auch bei Turnieren.“
Emma nutzt einen sogenannten Blankbogen. Dieses Sportgerät ähnelt dem olympischen Bogen, verzichtet aber auf ein Visier und weitere technische Hilfsmittel. Emmas Lieblingsdisziplin ist das 3D-Bogenschießen. Es wird auf speziellen Bogenparcours ausgeübt. Dabei kommen dreidimensionale Ziele aus Schaumgummi zum Einsatz statt der klassischen Zielscheiben. Meist sind es Tierattrappen oder Fantasiewesen. Auf ihnen sind Trefferzonen markiert, die unterschiedliche Punktzahlen bringen. Die Ziele werden in verschiedenen, unbekannten Entfernungen im Gelände verteilt und müssen von markierten Positionen aus getroffen werden. „Ich mag die Vielseitigkeit dieser Disziplin“, erklärt Emma. „Jedes Ziel ist eine Überraschung. Man weiß nie, was kommt.“ Damit ist Emma nicht alleine: Das relativ anfängerfreundliche 3D-Bogenschießen liegt gerade im Trend und lockt immer mehr Leute in die Bogensportvereine, darunter auch viele Kinder und Jugendliche. „Die Jugendarbeit ist für unseren Verein sehr wichtig“, betont Vorstandsmitglied Peter Böhnel. „Das Training auf dem 3D-Parcours macht besonders viel Spaß und ist ein richtiges Abenteuer. So können wir auch junge Menschen für den Bogensport begeistern, und sie profitieren von der Bewegung an der frischen Luft.“ In der Sportberichterstattung komme es allerdings immer wieder zu Missverständnissen, so der Vereinssprecher, weil der Feldbogensportverband für die 3D-Disziplin die internationale Bezeichnung „Bowhunter“ verwendet. „Das sollte man nie wörtlich mit Bogenjagd übersetzen, denn gejagt werden hier lediglich Gummifiguren.“ Auch Emma stellt klar: „Ich könnte mir nicht vorstellen, auf ein echtes Tier zu zielen.“
Auf echte Tiere will sie niemals schießen
Für das 3D-Training findet Emma in ihrem Verein ideale Bedingungen vor. Die Bogensportschule Saar mit ihren 80 aktiven Mitgliedern verfügt über zehn Trainer, eine Trainingswiese und gleich zwei große Sportanlagen. Wichtigster Trainingsort ist dabei der Schaumberger Bogensportparcours in Theley, mitten auf dem „Hausberg“ der Saarländer. Die Parcours werden auch touristisch genutzt – nur so ist der große Aufwand finanzierbar.
Emma liebt es, an Turnieren teilzunehmen. Natürlich am liebsten an 3D-Turnieren. Hier ist der Erlebnisfaktor am größten: Man kennt den Parcours nicht, weiß nicht, welches Ziel als Nächstes kommt. Und man lernt immer wieder neue Leute kennen. Dabei geht Emma mit großem Spaß an die Sache heran. Der sportliche Wettstreit spornt sie an. Und, wie sie sagt, verbindet sie mit den Turnieren einige ihrer schönsten Erlebnisse. „Zum Beispiel meine erste Deutsche Meisterschaft 2017 in Coswig“, erinnert sie sich. „Das war etwas Neues, Großes, und viele von meinem Verein waren auch dabei.“ Damals war sie erst acht Jahre alt, und ihre Eltern begleiteten sie. Gekrönt wurde das zweitägige Turnier von einer Silbermedaille. Und so ging’s weiter. Silber auch bei der folgenden Deutschen Meisterschaft 2018. 2021 schließlich der Sprung aufs oberste Siegertreppchen bei der DM in Fulda. Gefolgt vom bisherigen Höhepunkt ihrer sportlichen Erfolgsgeschichte: der Goldmedaille in der Altersklasse bis zwölf Jahre auf der diesjährigen 3D-Europameisterschaft im französischen Confolens. Ein tolles Erlebnis für die Zwölfjährige, zumal sie auch hier wieder nette Gleichaltrige und Gleichgesinnte kennenlernen durfte.
Selbstverständlich ist ihr Trainer David Kossmann mächtig stolz auf das EM-Gold seiner Bogenschülerin. Noch stolzer aber ist er auf die jüngste Trophäe: die Bronzemedaille bei der Deutschen Meisterschaft, ganz frisch. Moment, was ist an Bronze so erfreulich, wenn man im Vorjahr bereits Gold erreicht hat? Weil es jetzt um die Bronzemedaille für Frauen geht. Um gegen eine stärkere Konkurrenz anzutreten und auf die größeren Distanzen schießen zu dürfen, hatte Emma die Teilnahme bei den Erwachsenen beantragt – und der Deutsche Feldbogen-Sportverband hatte es erlaubt. Nun, ihre erwachsenen Mitstreiterinnen staunten nicht schlecht, als die zierliche Emma aus dem Saarland die Pfeile wie eine Große fliegen ließ und auf Anhieb den dritten Platz erreichte. „Meiner Meinung nach ihre bisher wertvollste Medaille“, sagt David Kossmann. Seine Frau Madeleine, ebenfalls Emmas Trainerin, pflichtet ihm bei: „Ich glaube nicht, dass es schon einmal eine so mutige Jugendliche gab, die sich getraut hat, bei den Frauen mitzuschießen – und dann auch noch eine Medaille geholt hat. Hut ab!“
Gelassenheit und Ehrgeiz
David Kossmann lobt: „Emma hat früh gezeigt, was mittlerweile bei heutigen Jugendlichen fehlt: Gelassenheit, Ehrgeiz und vor allem Resilienz gegenüber Schwierigkeiten. Diese drei Komponenten sind für einen Erfolg im Bogensport von enormer Bedeutung. Kraft, Schießtechnik und alles kann jeder trainieren, aber die Grundeigenschaften, die Emma mit ins Training gebracht hat, bringen uns Erwachsene bis heute in so mancher Wettkampfsituation zum ehrfürchtigen Staunen.“
Und wie reagiert ihr Umfeld auf ihre besondere Vorliebe für den Bogensport – und auf ihren Erfolg? „Meine Freunde finden es toll“, sagt Emma. „Sie finden, dass dieser Sport perfekt zu mir passt und stehen voll hinter mir.“
Bei allem Erfolg gibt es auch kleine Wermutstropfen. Während Emma schon als kleines Mädchen an 3D-Turnieren des DFBV teilnehmen durfte, wird ihr die Teilnahme an den Meisterschaften des Deutschen Schützenbundes (DSB) bisher noch verwehrt. „Die wollen nicht, dass Kinder auf Tierattrappen schießen“, sagt Emma. Der Landesverband Saar möchte sie erst an 3D-Turnieren zulassen, wenn sie 14 ist. Bis dahin sind nur Wettkämpfe mit klassischen Zielscheiben erlaubt. Aber auch da zeigt Emma, was sie drauf hat: Bei ihren ersten DSB-Landesmeisterschaften in der Halle letzten Winter holte sie auf Anhieb Gold – und setzte auch gleich den neuen Landesrekord in ihrer Altersklasse.
Motiviert durch ihre Erfolgserlebnisse plant Emma schon fürs kommende Jahr. Nach der Wintersaison, in der das Bogenschießen in der Halle dominiert, winken wieder viele spannende Turniere in freier Natur. Auf welches sie sich am meisten freut? „Ganz klar auf die 3D-Weltmeisterschaft“, sagt Emma. Diese wird im Juni in Finnland stattfinden, genauer in Lappland, und eine ganze Woche dauern. „Da wird es für jeden Teilnehmer insgesamt vier Schießtage geben, und einer davon mitten in der Nacht, Dank der Mitternachtssonne“, erzählt sie voller Vorfreude. Auch ihre Eltern werden wieder mitkommen. Und viele Vereinskameraden. Das Hotel hat ihr Papa jedenfalls schon gebucht.