Der Klimawandel hat auch Einfluss auf die Wind-Aktivitäten, was wiederum die Wassersportler zu spüren bekommen. Extreme werden künftig zunehmen. Wie wappnet sich die Branche dafür?
Im November will es Björn Dunkerbeck wieder einmal sich selbst und der Surfer-Szene beweisen. Der inzwischen 54-Jährige, der nicht nur in Deutschland das Gesicht seiner Sportart ist, plant einen Rekord im Speed-Surfen. Dunkerbeck will als erster Windsurfer eine 500 Meter lange Strecke mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern hinlegen. Möglich ist so etwas auf der Welt aktuell in Lüderitz in Namibia, wo ein 1,3 Kilometer langer Kanal am Atlantik jedes Jahr im Herbst zum Mekka der Surfer wird. „Wenn der Kanal perfekt ist, ist das allemal möglich. Dann kann man die 100 km/h knacken. Ich möchte das schaffen“, sagte Dunkerbeck der „FAZ“. Vor drei Jahren hatte er dort die 100-km/h-Schallmauer schon durchbrochen, als er auf eine Spitzengeschwindigkeit von 103,68 Kilometern pro Stunde gekommen war. „Auf dem ganzen Planeten sind wir etwa acht Milliarden Menschen. Nur sechs haben 100 km/h auf einem Windsurfboard erreicht, ich bin einer davon“, sagte Dunkerbeck stolz.
Was der 42-malige Weltmeister für den nächsten Rekord im Adrenalin-Rausch braucht? Natürlich Wind. Viel Wind. Auch für die Kitesurfer und Segler ist Wind der entscheidende Faktor für den Spaß und Erfolg. Aber wie verhält es sich mit dem Wind in der Klimakrise? Eine pauschale Antwort darauf gibt es – anders als zum Beispiel bei den Temperaturen – nicht. „Von allen Parametern ist die Prognose über die Windgeschwindigkeiten in der Zukunft der unsicherste Faktor und viele Modelle stoßen da an ihre Grenzen. Man kann hier nur von Trend sprechen“, sagte Wetter-Experte Meeno Schrader dem Surf-Magazin. Der Firmengründer und geschäftsführender Gesellschafter von WetterWelt ergänzte jedoch: „Nichtsdestotrotz gibt es Indikatoren die, auf globaler Ebene, eine leichte Zunahme der Windgeschwindigkeiten vorhersagen. Global erwartet man eine Zunahme von 0,1 Knoten, also rund einem Prozent.“
Wind-Extreme dürften zunehmen
Das hört sich zunächst nicht nach einem großen Einschnitt an, kann aber dennoch massive Auswirkungen auch für den Wassersport haben. Die Sturmtage im Norden Europas nehmen schon jetzt zu, seit 2006 wird zudem eine massive Sturmaktivität im Nordatlantik festgestellt. Weil der Wasserspiegel steigt sowie Wind und Meer den Strand so stark abtragen, dass sogar die Felsbrocken unterspült werden, plant zum Beispiel der bei Surfern beliebte „Lacanau Océan“ in der Nähe von Bordeaux den Rückzug hinter die schützende Düne. Stürme und der Anstieg des Meereswasserspiegels werden „dafür sorgen, dass die Küste und die Dünen bedroht sind“, sagte Klima-Wissenschaftler Peter Pfleiderer von der Non-Profit Organisation Climate analytic in Berlin.
Und die Wassersportler? „Vermutlich können sich Surfer erst mal über mehr Stürme freuen“, sagte der Wetter-Experte Schrader, der aber zugleich einschränkte: „Allerdings bedeuten mehr Stürme auf der einen Seite auch einen Ausschlag in die andere Richtung – es könnte also auch zunehmend längere windarme Phasen geben.“ Noch ist in der Windforschung vieles unklar, aber sicher scheint: Wind-Extreme dürften in einer fortschreitenden Klimakrise zunehmen. Das trifft sowohl auf die bei Surfern und Seglern so gefürchtete Windstille zu als auch auf die Sturmaktivitäten. „Im Mittel ändert sich recht wenig, das gaukelt uns vor, es sei alles nicht so schlimm“, sagte Schrader: „Entscheidend werden die Extremwerte sein, und diese werden in der Zukunft weiter zunehmen.“ Das könne beispielsweise dazu führen, dass im August in Pozo auf dem Surfer-Paradies Gran Canaria eine ungewöhnliche Flaute herrscht. Oder dass dort der Passat so extrem stark ausgeprägt ist, dass ebenfalls kein Wassersport möglich ist. „Die Unsicherheiten nehmen zu“, so Wetter-Experte Schrader, „damit muss jeder Surfer in der Zukunft leben“.
Ausstattung wird nachhaltiger
Kitesurfer Mario Rodwald will sich nicht so einfach damit abfinden. Der dreimalige Europameister kämpft mit einigen Projekten gegen die negativen Auswirkungen der Klimakrise und der Umweltverschmutzung. Er fühle sich dafür verantwortlich, denn: „Man bekommt durch das Surfen ein Gefühl dafür, wie der Mensch die Umwelt verändert. Wir Wassersportler sind Naturschützer.“ Früher sei er auch viel Langstrecke geflogen, um bei Wettkämpfen auf der ganzen Welt anzutreten. Jetzt surft der Kieler viel lieber vor der Haustür an der Nord- oder Ostsee. „Wir haben zwischen Bremen und Kopenhagen eines der besten Kite-Reviere weltweit. Im Sommer ist es schwierig, etwas Schöneres zu finden“, sagte er und gab ein Beispiel: „Auf Sylt bei Windstärke sechs bis sieben aus West, dann klatschen auch die Profis aus Hawaii oder Brasilien auf den Strand und haben zu kämpfen.“
Seinen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit leistet der studierte Betriebswirtschaftler auch durch seine Firma Koldshapes, die nachhaltige Boards und Foils bereitstellt. Bei der Herstellung wird Plastik durch Pappe, Holz oder Papier getauscht, außerdem werden recycelbares Carbon und Flachsfasern verwendet. Dadurch halten die Teile drei bis vier Jahre, der Käufer muss sich nicht jedes Jahr ein neues Board oder neue Foils anschaffen. Der viele Müll in den Meeren und Seen ist Rodwald besonders ein Dorn im Auge. In Indonesien ist er zum Beispiel für die Dokumentation „Plastik in jeder Welle“ an Windeln, Spritzen und Plastiktüten vorbeigesurft und hat sich die Sinnfrage gestellt. „Das war heftig“, sagte er. Das sei aber kein spezifisches Problem in Indonesien. Überall auf der Welt gäbe es Müll an den Stränden, besonders nach einem Sturm.
Wegen des zu erwartenden Mülls, aber auch wegen der baulichen Veränderungen und auch wegen der unzureichenden Kommunikation der Organisatoren regte sich auf Tahiti Widerstand gegen die Austragung der olympischen Surf-Wettbewerbe. Diese fanden nämlich nicht an der französischen Atlantikküste statt, sondern auf der größten Insel Französisch-Polynesiens, knapp 15.000 Kilometer von Paris entfernt. „Als Französisch-Polynesien sich für die Organisation der Surfwettbewerbe bewarb, waren wir direkt von der Qualität dieses Ortes, dieser mythischen Welle, begeistert“, sagte Chef Tony Estanguet vom Pariser Olympia-OK. Er begründete den Umzug auch mit dem Stichwort „Nachhaltigkeit“, da die meisten Surfer ohnehin aus Ozeanien oder Nordamerika stammen würden und daher eine kürzere Anreise hätten, als wenn sie sich nach Europa aufgemacht hätten.
Doch klar ist: Die Entscheidung diente auch der Macht der Bilder. Die Ortschaft Teahupo’o, wo die Wellen auf ein sehr flaches Riff treffen und daher besonders stark ausgeprägt sind, gilt als einer der schönsten Surfspots der Welt. Und Olympia bekam seine Big-Wave-Romantik: Das Bild des Brasilianers Gabriel Medina, der nach einem erfolgreichen Ritt auf einer brachialen Welle jubelnd abhob, ging um die Welt. Es sah fast so aus, als ob der spätere Olympia-Dritte in der Luft stehen würde. Er bekam für seinen Auftritt die Rekord-Wertung von 9,90 Punkten, die TV-Zuschauer waren begeistert von den famosen Bildern aus dem Urlaubsparadies – aber zu welchem Preis? Die Videos, die einen großen, im Korallenriff vor der Küste Tahitis feststeckenden Lastkahn und mehrere von der Schiffsschraube beschädigte Korallen zeigten, sorgten für Kritik. Dass zudem ein neuer Wertungsrichterturm aus Aluminium gebaut und nicht der alte Holzturm verwendet werden sollte, sei im Vorfeld nicht abgesprochen gewesen, betonten Naturschützer und Einheimische. Sie befürchten auch langfristige Folgen für die Korallen.
Innerhalb der Wassersport-Szene ist längst angekommen, dass man selbst für den Naturschutz mehr machen muss. Auch Grant Dalton, der Organisator der berühmten Segelregatta „America’s Cup“ und Teamchef von Titelverteidiger Neuseeland, achtet auf diesen Kurs. „Jedes Team fährt ein mit Wasserstoff betriebenes Beiboot, um den Verbrauch anderer Kraftstoffe zu senken. Dazu bereitet jede Teambasis das verbrauchte Wasser für Duschen, Bootsreinigung und Hospitality in einer eigenen Anlage wieder frisch auf“, erklärte er. In Deutschland gibt es zudem in „Greenboats“ eine Werft, die explizit für Nachhaltigkeit steht. Auch der weltgrößte Sportboot-Hersteller „Beneteau“ will seine CO2-Bilanz nachhaltig senken.
„Unser Sport ist nachhaltig“
Die „Kieler Woche“ hat sich längst auf den Weg gemacht, eine nahezu klimaneutrale Regatta abzuhalten. Ein Aspekt dieser Bemühungen: In Kooperation mit den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten pflanzt die „Kieler Woche“ in Lindau Tausende Bäume, die zur Klimastabilität des Waldes beitragen und bei der Aufnahme von CO2-Emissionen helfen. Bei den beliebten Feuerwerken werden zudem seit 2021 insgesamt 30 Prozent weniger Sprengmasse verwendet.
Kleine Schritte, die aber vor allem Aufmerksamkeit für das große Problem schaffen sollen. „Der Sport bietet eine ideale Plattform, Jung und Alt ungeachtet ihrer Herkunft, Denkweisen und Zugehörigkeit zu vereinen, um den Status quo in puncto Klimabelastung zu hinterfragen und das scheinbar Unmögliche noch möglich zu machen“, sagte Kieler-Woche-Regattachef Dirk Ramhorst, der seit fast 21 Jahren für das Segel-Spektakel im hohen Norden im Einsatz ist. Segeln und auch Surfen sind in der Klimakrise keine unbeteiligten Inseln, auch wenn sie an sich umweltgerechte Formen des Freizeit- und Wettkampfsports darstellen, weil sie einzig den Wind als Antriebskraft benötigen und noch immer weit entfernt von einem Massenphänomen sind. Zudem halten gute Boote viele Jahrzehnte. „Unser Sport ist rein, nachhaltig“, sagte Surf-Star Dunkerbeck, der genau das in seinen Projekten hervorheben will: „Wir hoffen, dass wir über die Nachhaltigkeitsschiene wieder an die großen Budgets kommen.“