Betrachtung zum 46. Filmfestival Max Ophüls Preis
Zur Eröffnung des 46. Filmfestivals Max Ophüls Preis war der Film „Muxmäuschenstill x“ ausgewählt. Zur Begrüßung erwarte ich Worte von Oberbürgermeister, Ministerpräsidentin und künstlerischer Leitung. Fertig. Film ab! Das Leben ist kein Ponyhof. Eine gekünstelte Moderatorin schwadroniert über Schuhe und Blasen. Ein ZDF-Mann erzählt am Montag über den 19. Preis, der erstmals verliehen wird, was er, meiner Auffassung nach, samstags zur Preisverleihung tun sollte. Der Vorstandsmann der Filmförderungsanstalt spricht mit zig Abkürzungen, die einzig Branchenkenner kennen. Die Jury Spielfilm tritt vollzählig auf. Ich sinke tiefer in den Sessel, mutmaßlich treten sogleich die Jurys Drehbuch, Schauspiel, Filmkritik, Ökumenische und Jugendjury auf. Das geschieht nicht. Das Leben ist weder gerecht noch logisch.
Lolas Bistro ist in der Modernen Galerie beheimatet. Ich finde keinen, der mit mir über „Muxmäuschenstill x“ diskutieren will. „Nein, nein! Das Kind wirft er über Bord.“ „War das so? Das hat er sich nur vorgestellt“, verteidige ich. „Und der Krake?“ Ich bin schachmatt. Neuer Versuch, anderer Mensch und eine Mauer: „Populismus!“ Ich wende mich um Richtung Dancefloor zwecks gymnastischer Übungen. In Lolas Bistro findet, wer die Tür findet, das Studio für den SR-Talk im Hinterzimmer. Kinogänger fand ich dort keine. Wozu auch? Produziert wird für die Mediathek. Reichweite ist den Verantwortlichen lieber als Live-Diskussion des Publikums mit den Filmschaffenden. Dabei hatte Oberbürgermeister Uwe Conradt das Saarbrücker Filmfestival bei der Pressestunde als Ort, an dem „Dialog geführt“, wird gerühmt. Ein wichtiger Dialograum wurde gekappt.
Meine Filmauswahl kostet Nerven und Zeit. Dabei weiß ich: Es ist eine Lotterie! Die Planung des Timetables hätten die Verantwortlichen nicht besser machen können. Noch nie hatte ich so ein entspanntes Wandern von Film zu Film. Dazwischen Kaffee trinken oder etwas essen? Kein Problem. Und, wichtiger: Filmtipps austauschen! Ich agitiere einen mir unbekannten Andreas, „Nulpen“ anzuschauen und wir erzählen uns gegenseitig, warum uns „Sew Torn“ beeindruckt hat. „Nulpen“ bekommt meine fünf Herzen für den Publikumspreis, alle anderen Abstimmungskarten Spielfilm werfe ich weg. Man hat nur ein Herz. Bei Ophüls habe ich fünf. Die sind blau, aber auch einzig. Das Herz geht mir auf, als ich erlebe, wie sehr sich Reza Sam Mosadegh freut, als er nach seiner Uraufführung vor dem Publikum steht. Sein grandioser Film „Inkubus“ hat mich spüren lassen, wie stark die Auslassung von Bildern Potential entfaltet und die eigene Fantasie bewegt. Meine fünf blauen Herzen bekommt der mittellange Film „Inkubus“.
In der Saarbahn treffe ich einen euphorischen Regisseur mit roter Rose. Sein Film hat Uraufführung gefeiert. „Der Tod ist ein Arschloch“ von Michael Schwarz ist im Wettbewerb Dokumentarfilm, aber nicht in meiner Filmauswahl. Das ändere ich. Kinogänger berichten mir nichts Überzeugendes über „Lonig & Havendel“ und „Noch lange keine Lipizzaner“. Ich gebe meine Karten ab. Ich begegne Boris Penth, als ich auf den Einlass für „Der Tod ist ein Arschloch“ warte. Der Filmemacher hat 2002, als er künstlerischer Leiter des Filmfestivals Max Ophüls Preis war, dem Filmfestival für den deutschsprachigen Nachwuchs neuen Schub gebracht, von dem es bis heute profitiert. Penth hat den Arschloch-Tod gesehen und hält ihn für sehenswert.
Die Juryentscheidungen matchen mit meiner Filmauswahl zwei Mal. Der Max Ophüls Preis 2025 „Bester Spielfilm“ geht an „Ungeduld des Herzens“ von Lauro Cress. Der Film beruht auf Motiven des Romans von Stefan Zweig. Die Adaption bringt den Stoff genial in die Gegenwart. Ich habe, der Film hat eine Laufzeit von 104 Minuten, dennoch Längen verspürt. Ladina von Frisching und Giulio Brizzi erhalten den Max Ophüls Preis „Bester Schauspielnachwuchs“ für ihre Leistung in „Ungeduld des Herzens“ ganz und gar zu Recht. Der Max Ophüls Preis der Jugendjury geht an „Sew Torn“. Der amerikanische Regisseur Freddy Macdonald und der schweizer Kameramann Sebastian Klinger drehen einen Film in den Schweizer Alpen. Was dabei herausgekommen ist, ist wahrlich atemberaubend. Ihr Vorbild: die beiden Coen-Brüder, die oscarprämierten US-amerikanischen Filmregisseure. Der 24-jährige Freddy Macdonald meinte, er wolle nicht in LA drehen. Das europäische Kino darf sich freuen!