Im Saar-„Tatort“ spielt Vladimir Burlakov Leo Hölzer, den zweiten Hauptkommissar. Im Interview spricht er darüber, wie er sich von klischeehaften Rollen lösen konnte und was er an seinem Kollegen Daniel Sträßer besonders mag.
Herr Burlakov, Sie haben eine sehr interessante Biografie: In Moskau geboren, mit neun Jahren mit Ihrer Familie nach Deutschland gekommen. In einem Asylbewerberheim gelandet, dann eingebürgert worden. Und schon als kleiner Junge haben Sie davon geträumt, Schauspieler zu werden. Wie haben Sie es geschafft, diesen Traum ausgerechnet in Deutschland zu verwirklichen?
Es war eigentlich nie die Frage, dass ich etwas anderes werde als Schauspieler. Meine Mutter hat in Moskau am Theater gearbeitet, und ich bin sozusagen im Theatersaal und nahe der Bühne aufgewachsen. Ich war auch immer bei den Proben dabei. Der Beruf war mir also schon in die Wiege gelegt. Als wir dann in Deutschland waren, habe ich zunächst eine ganz normale Schule besucht und mich mit 18 Jahren – still und leise – an der Otto-Falckenberg-Schule für Schauspielerei in München beworben. Und wurde sofort angenommen.
Wie hat man Sie in Deutschland behandelt, als Sie zunächst kein Wort Deutsch sprachen?
Meine Schwester und ich wurden von Anfang an gut behandelt. Bis auf eine Lehrerin, die vielleicht etwas gegen Ausländer hatte. Wir hatten eine glückliche Kindheit. Und ich hatte auch keine Probleme, die deutsche Sprache zu erlernen. Damals, in den 90er-Jahren, als wir nach Deutschland kamen, war das Klima auf jeden Fall in Bezug auf Migranten nicht so vergiftet wie heute.
Sie studierten Schauspiel in der prestigeträchtigen Otto-Falckenberg-Schule in München und sind über das Theater zum Fernsehen und dann zum Film gekommen. Eine ziemlich steile Karriere in relativ kurzer Zeit. Hatten Sie einen Mentor? War da Glück im Spiel? War es harte Arbeit?
Ich glaube, es war eine Mischung aus all dem. Und Glück gehört auf jeden Fall dazu. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein ist schon ausschlaggebend. Ich war ja noch an der Otto-Falckenberg-Schule, als ich einen Anruf bekam und zum Vorsprechen für eine Rolle in der Krimiserie „Im Angesicht des Verbrechens“ von Dominik Graf eingeladen wurde. Und zum Glück habe ich die Rolle bekommen. Und das, obwohl ich gar nicht auf der Suche war. Ich wollte eigentlich nur Theater spielen. Film war mir damals noch völlig fremd. Diese Serie hat dann für mich alles ins Rollen gebracht. Das war vor 13 Jahren.
Anfangs wurden Sie im Film und Fernsehen gern als russischer Gangster oder Mann mit slawischem Background besetzt. Wie ist es Ihnen gelungen, sich relativ schnell von diesem Typecasting zu lösen?
Indem ich relativ konsequent diesbezügliche Rollenangebote abgesagt habe. Anfangs war das schon okay, aber dann ging es in eine Richtung, die mir nicht mehr zusagte. Immerhin hatte ich während der vier Jahre auf der Schauspielschule eine gründliche Ausbildung bekommen und erfolgreich gelernt, mir den russischen Akzent abzutrainieren. Und den wollte ich für diese einschlägigen Rollen nun wirklich nicht mehr künstlich herstellen. Ich habe damals auch Angebote abgelehnt, beim „Tatort“ einen Typen mit russischem Akzent zu spielen. Zum Glück bekam ich bald auch andere Rollenangebote.
Apropos „Tatort“: 2019 wurden Sie für den Saar-„Tatort“ gecastet, zusammen mit Ihrem Filmpartner Daniel Sträßer. Wie ging das vonstatten?
Ich war ja zuvor schon in verschiedenen „Tatort“-Filmen zu sehen. Ich hatte sogar das Glück, beim letzten Schimanski-„Tatort“ an der Seite von Götz George mitzuspielen. Und da hat sich Christian Theede, der bei unserem ersten Saarland-„Tatort“ „Das fleißige Lieschen“ Regie führte, an mich erinnert und mich zum Casting eingeladen, zusammen mit Daniel Sträßer.
Ich hatte mich auf dieses Treffen sehr gut vorbereitet. Und wir stellten schnell fest, dass Daniel und ich sehr gut miteinander harmonieren. Da stimmt einfach die Chemie. Eine Woche später bekamen wir dann Bescheid, dass wir die neuen Kommissare sein würden.
Sie spielen den Hauptkommissar Leo Hölzer. Wurde Ihnen die Rolle ganz und gar vorgegeben oder hatten Sie auch Einfluss auf die Gestaltung? Und was haben Sie von sich in die Rolle einfließen lassen?
Hendrik Hölzemann, der die ersten Drehbücher für unsere „Tatorte“ geschrieben hat, schrieb auch gleichzeitig eine Figuren-Bibel, in der die einzelnen Charaktere intensiv beleuchtet wurden. Das ist – zumal beim Fernsehen –
schon sehr bemerkenswert. Leo Hölzer hatte zum Beispiel eine ausführliche Background-Story. Ich wusste also, wie er aufgewachsen ist und auch was ihn mit seinem Kollegen Adam Schürk, den Daniel spielt, verbindet. Die beiden waren einst befreundet und haben eine gemeinsame – ziemlich traumatische – Geschichte. Das war natürlich alles sehr hilfreich beim Gestalten der Rolle. Natürlich lässt man dann als Schauspieler auch etwas von sich selbst in die Rolle einfließen. Da entsteht eine Art Symbiose zwischen dem, was Hendrik als Autor angelegt hat, und dem, wie ich die Figur dann interpretiere. Das geschieht jedoch eher intuitiv. Und es ist auch alles sehr komplex. Die Figur war so geschrieben, dass man sich darin auch ganz entfalten konnte – mit dem, was man als Schauspieler mitbringt.
„Wir sind die jungen sexy Kommissare mit Talent“, sagten Sie bei einem Interview mit Daniel Sträßer. Wollen Sie diesem Statement noch etwas hinzufügen?
Als wir vor sechs Jahren angetreten sind, waren wir die jüngsten „Tatort“-Kommissare. Das war schon etwas Besonderes. Der „Tatort“ hat ja eine bestimmte, ziemlich breit gefächerte Zielgruppe. Da wollten wir schon etwas Neues, Frisches, Freches mit einbringen. Und unsere Jugend … und warum nicht auch sexy sein? Um so vielleicht auch eine jüngere oder andere Zielgruppe zu erreichen.
Was schätzen Sie an Daniel Sträßer am meisten? Was nervt Sie manchmal an ihm?
(lacht) Daniel und ich sind sehr unterschiedliche Schauspieler. Ich bin ein bisschen verkopfter, Daniel ist viel spontaner. Ich schätze an Daniel, dass wir sehr gut miteinander arbeiten können, obwohl wir unterschiedliche Herangehensweisen haben. Und ich schätze, dass er mich so akzeptiert, wie ich bin. Das beruht auf jeden Fall auf Gegenseitigkeit. Wir vertrauen uns gegenseitig voll und ganz. Deshalb können wir auch so gut diese schwierigen Szenen spielen. Und wir sind auch privat befreundet.
Sie leben ja schon lange in Berlin. Was haben Sie denn für einen Bezug zum Saarland – außer der „Tatort“-Rolle?
Ich liebe das Saarland. Ich kannte Saarbrücken schon ein bisschen und war auch schon zum Max-Ophüls-Filmfestival dort. Aber das war immer im Winter und immer sehr kalt. Ich war schon sehr gespannt darauf, wie das sein würde, wenn ich zum Dreh für einen Monat dort bleibe. Und es war fantastisch! Ich bin ein großer Saarbrücken-Fan geworden. Ich bin unfassbar gerne dort. Ich empfinde das tatsächlich auch immer als eine Art „Urlaub“. Denn die Dreharbeiten finden meist im Mai oder Juni statt. Und es gibt auch noch die Nähe zu Frankreich. Da ich sehr frankophil bin, finde ich das natürlich auch wunderbar. Von Saarbrücken aus ist man in zehn Minuten in Frankreich. Mit dem TGV ist man in einer Stunde und 50 Minuten in Paris. Das liebe ich. Und ich liebe auch die saarländische Küche. In der wunderschönen Altstadt von Saarbrücken gibt es nicht nur sehr gute Restaurants, es gibt dort auch eine sehr schöne Bar-Kultur. Nicht zu vergessen die kleinen Clubs, wo man tanzen kann. Kurz: Da ist alles, was man braucht.
Fit zu sein gehört für die meisten jungen Schauspieler zum Beruf dazu. Stimmt es, dass Sie fünfmal in der Woche zum Fitnesstraining gehen?
Ja, das stimmt. Ich gehe wirklich sehr oft zum Fitnesstraining. Und ich fahre auch sehr viel mit meinem Rennrad durch die Gegend. Fitsein ist für mich auch eine Lebenseinstellung.
Jetzt noch zu einem ernsten Thema: Sie haben die russische Bevölkerung als „brainwashed“, also gehirngewaschen, bezeichnet. Möchten Sie das kommentieren?
Dazu stehe ich nach wie vor. Im russischen Fernsehen oder auch in den anderen Medien wie im Internet wird permanent nur Propaganda verbreitet. Und wenn da Menschen in Russland interviewt werden, was sie über Putins Krieg denken, sind es schon sehr viele, die den Krieg begrüßen. Kaum jemand verurteilt ihn. Kaum jemand äußert sich öffentlich zur Repression, die überall in Russland stattfindet. Leider informiert sich die Mehrheit dort nicht über andere Medien. Und dieses Nicht-Willens-sein, über den eigenen Tellerrand zu gucken, oder Dinge zu hinterfragen, das wundert mich schon sehr. Auch, dass so viele Mütter ihre Söhne als Kanonenfutter in den Ukraine-Krieg ziehen lassen. Da gibt es nach wie vor keinen Aufstand. Dazu fällt mir nichts mehr ein. Das ist alles sehr traurig.
Zum Schluss noch etwas Leichteres: Haben Sie einen Lieblingsschauspieler? Einen, der Sie vielleicht auch beeinflusst hat?
Darauf fällt es mir schwer zu antworten. Weil man doch von vielen Erlebnissen beeinflusst und geformt wird. Lange Zeit habe ich Sean Penn sehr geschätzt, der außergewöhnlich verwandlungsfähig ist. Das ist auch immer mein Anspruch gewesen. Ich will immer alles benutzen, was mir als Schauspieler zu Verfügung steht. Die Körpersprache, die Mimik, wie man sich hält, die verschiedenen Stimmlagen ...
Beschreiben Sie sich doch – ganz spontan – mit vier Worten.
Ungeduldig, pedantisch, witzig, emotional.