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1996: John Malkovich (links) und Schlöndorff unterhalten sich während einer Dreh­pause von „Der Unhold“
1996: John Malkovich (links) und Schlöndorff unterhalten sich während einer Dreh­pause von „Der Unhold“

... Volker Schlöndorff?

Seine Oscar-prämierte Grass-Verfilmung „Die Blechtrommel" brachte dem deutschen Regisseur 1979 den internationalen Durchbruch. Danach hatte er vor allem mit Literaturverfilmungen Erfolg. Für sein Werk erhielt er auch noch die Goldene Palme und sieben deutsche Filmpreise. Der 83-Jährige hat im Vorjahr die Umwelt-Doku „Waldmacher" ins Kino gebracht.

Volker Schlöndorff hat nach seinen vielfach ausgezeichneten Literaturverfilmungen zuletzt vor allem Dokumentationen gedreht, zu denen die 2020/21 entstandenen „Du kannst mich fragen, was du willst, Franz Seitz" und „ Margaretha von Trotta – Zeit der Frauen" gehören. Für seine Film-Doku „Zeitzeugengespräch" hat der Oscar-Gewinner dann 2021 Holocaust-Überlebende interviewt und war im Vorjahr an dem Porträt „Werner Herzog – Radical Dreamer" beteiligt. Ebenfalls 2022 stellte er dann seinen ersten großen Dokumentarfilm für die Kinoleinwand, den Crowd-finanzierten „Der Waldmacher", persönlich in 44 kleinen deutschen Kinos vor. Diesen Film hat Schlöndorff dem australischen Alternativ-Nobelpreisträger Tony Rinaudo und seinem Wüsten-Aufforstungsprojekt „The Great Green Wall" gewidmet. Er suche sich für seine Filme wahrscheinlich immer Leute aus, die „sozusagen gegen alle Widrigkeiten versuchen, etwas trotzdem zu machen", erklärt Schlöndorff kürzlich bei der „Deutschen Welle".

Humanitäres Engagement

In Afrika, wo er sich seit über 15 Jahren humanitär engagiert, seien dies vor allem Frauen, weshalb seine Dokumentation eigentlich eine Ansammlung von Frauenporträts ist. Mit seinem ökologischen Filmprojekt sieht er sich auf einer Linie mit jungen Klimaaktivisten: „Die jungen Leute suchen nach einer Aufgabe, wo sie sich engagieren können. Das ist ein Menschheitsprojekt, da geht es darum, uns als Spezies zu retten", betont Schlöndorff im Deutschlandfunk. Dennoch sieht er sich mehr „als Aktivist für das Kino als für Bäume". Seine letzten Filmprojekte waren 2017 die Max-Frisch-Adaption „Rückkehr nach Montauk" und 2018 sein erster Fernseh-Krimi „Der namenlose Tag".

Auf die Frage, was man von ihm als jetzt 83-jähriger Filmemacher künftig noch erwarten könne, antwortete Schlöndorff kürzlich der „Augsburger Allgemeinen": „Nichts mehr!" Er sei zwar körperlich noch fit, aber um einen wirklich guten Film zu drehen, müsse es einen richtig dazu drängen: „Und mir brennt gerade nicht wirklich was auf der Seele." Das könne sich aber jederzeit wieder ändern.

Rückblickend auf die Anfänge seiner sechs Jahrzehnte währenden Karriere gesteht Schlöndorff bei Bremen2: „Wo der Fimmel herkommt, Filme machen zu wollen, ist mir ganz unklar." Es habe ihn schon als 16-Jährigen nach Frankreich verschlagen, weil er nach dem Baccalauréat auf eine dortige Filmschule gehen wollte. Doch stattdessen landete er in der Praxis und assistierte in der Folge großen französischen Regisseuren, wie Louis Malle, Alain Resnais oder Jean-Pierre Melville. Diese Zeit mit den Erfahrungen der „Nouvelle Vague" hat ihn entscheidend geprägt und ließ ihn schließlich zum Mitgründer des „Neuen deutschen Films" werden, der versucht hat, das politische Bewusstsein zu verändern. Seine Filme „Der junge Törless", „Die verlorene Ehre der Katharina Blum", „Tod eines Handlungsreisenden", „Homo Faber" und ganz besonders die Verfilmung des Grass-Romans „Die Blechtrommel" machten Schlöndorff dann zu einem ganz Großen des deutschen Films. Hier nimmt er seit einiger Zeit einen deutlichen Wandel wahr. Vor allem die Vielzahl der veröffentlichten Filme und die damit einhergehende Unüberschaubarkeit für das Kinopublikum seien ein echtes Problem, weil „man eigentlich kaum mehr zwei Leute findet, die den gleichen Film gesehen haben", sagt er der Deutschen Welle. Dadurch fehle der auch für Filmschaffende wichtige Austausch innerhalb der Zuschauer. Hier wären wöchentliche Diskussionsabende in den Kinos hilfreich, um eine ganz neue Publikumsgeneration heranziehen, die sich fürs Kino begeistert und nicht zu Streaming-Angeboten abwandert. „Zukünftige Filme und Dokumentarfilme ersetzen im Grunde die politische Bildung – oder müssten es!", fordert Schlöndorff eine Wiederbelebung engagierter Kinokultur.

Umfassendes Lebenswerk

Schlöndorff vollendet Ende März sein 84. Lebensjahr und kann auf ein umfassendes Lebenswerk zurückblicken. Er war manchmal unbequem, stand politisch sowohl der SPD als auch Angela Merkel nahe, hat sich inhaltlich mit Produktionsfirmen angelegt, aber auch über den Regiestuhl hinaus für die Filmkunst engagiert. Nach der Wende ist er aus den USA nach Berlin zurückgekehrt und hat dort als Geschäftsführer die traditionsreichen Babelsberger Filmstudios vor dem Untergang gerettet.

An der Deutschen Film- und Fernsehakademie hat er sein Wissen an junge Filmschaffende weitergegeben und wurde 2016 von der Filmuniversität Babelsberg zum Honorarprofessor ernannt. Rente ist für Schlöndorff noch kein Thema, weil er „immer unabhängig" bleiben will. Er wohnt heute in seinem Haus in Potsdam, wo er vom Wohnzimmer aus aufs den Griebnitzsee blicken kann. Jeden zweiten Tag läuft er „zur Entspannung" im Wald, seitdem er seine frühere Vorliebe für den Marathonlauf altersbedingt aufgegeben hat. Besorgt verfolgt er derzeit die Entwicklungen in der Ukraine, zumal er nach Kriegsausbruch eine Familie aus Charkiw in seiner Einliegerwohnung aufgenommen hat.

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