Der vor 100 Jahren verstorbene SPD-Politiker Friedrich Ebert war als Reichspräsident der Weimarer Republik das erste demokratisch gewählte Staatsoberhaupt der deutschen Geschichte. Während der Revolution 1918/1919 hatte er die Weichen Richtung parlamentarische Demokratie gestellt.
Nach Überwindung der bürgerkriegsähnlichen Zustände der Anfangsjahre und schwerer Krisenfaktoren wie exorbitante Reparationszahlungen, Besetzung des Ruhrgebiets oder Hyperinflation trat die Weimarer Republik Anfang 1925 in eine Phase relativer Stabilität ein. Von daher war der überraschende Tod des Mannes, der ganz entscheidend in seiner Funktion als mächtiger Reichspräsident an der positiven Entwicklung seines Landes mitgewirkt hatte, gleichsam eine historische Zäsur. Den meisten Zeitgenossen dürfte dies damals kaum bewusst gewesen sein. Im historischen Rückblick aber zeigt sich, dass nach der Wahl des erzreaktionären Militaristen und Republik-Verächters Paul von Hindenburg zum Nachfolger Friedrich Eberts im Amt des Reichspräsidenten eine Fortsetzung der von dem SPD-Politiker betriebenen Festigung und Verteidigung demokratischer Strukturen und Freiheiten nicht mehr zu erwarten waren. Vielmehr wurde damit das langsame Sterben der Weimarer Republik eingeleitet.

bei der Reichskonferenz der Arbeiter- und Soldatenräte - Foto: picture-alliance / akg-images
Friedrich Ebert war im Alter von gerade mal 54 Jahren am Morgen des 28. Februar 1925 im Berliner West-Sanatorium eines natürlichen Todes gestorben. Er hatte die Behandlung einer akuten Blinddarmentzündung so lange hinausgezögert, dass ihn auch eine Operation nicht mehr retten konnte. Dennoch war er auch Opfer einer gigantischen Hetzkampagne. In mehr als 200 Gerichtsverfahren ging er gegen Beleidigungen und Verunglimpfungen seiner Person und damit auch seines Amtes vor, wobei die Anfeindungen sowohl von Linksradikalen als auch von ultrarechten Aktivisten ausgegangen waren und meist in der diffamierenden Anschuldigung Eberts als „Verräter“ mündeten. Daneben gab es auch andere haltlose Verleumdungen wie Alkoholsucht, regelmäßiger Bordellbesuch oder Bereicherung im Amt. Und auch der persönliche Werdegang aus einfachen Verhältnissen mit der beruflichen Ausbildung zum Sattler-Gesellen und kurzzeitiger Tätigkeit als Gastwirt wurde immer wieder thematisiert, um damit öffentlichkeitswirksam zu demonstrieren, dass einem solchen Emporkömmling der Status des ersten Mannes im Staate kaum zustehen könne. Am Tage der Vereidigung Eberts zum Reichspräsidenten als erstes demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt der deutschen Geschichte präsentierte das rechte Ullstein-Blatt „Berliner Illustrierte Zeitung“ am 21. August 1919 den SPD-Politiker auf seiner Titelseite nur mit einer (damals noch als ziemlich unschicklich geltenden) Badehose bekleidet am Ostseestrand.
„Muss um meine Ehre kämpfen“

Doch am gravierendsten war fraglos der Rufmord als „Verräter“, wodurch Ebert, der Mann der politischen Mitte, der glühende Demokrat und „vaterlandstreue Gesell“ (so der „Spiegel“) unfreiwillig zwischen alle Stühle seiner Zeit geraten war. Selbst in den eigenen Reihen hatte der Reichspräsident wegen seiner gemäßigten, auf Zusammenarbeit und Kompromisse mit den bürgerlichen Parteien drängenden Position bis zum Jahr 1924 immer mehr an Rückhalt verloren. Die Systemgegner von links sahen in ihm den verhassten Verhinderer eines Rätesystems nach russischem Vorbild, die rechten Extremisten brandmarkten ihn zum Protagonisten der „Dolchstoßlegende“. In einem skandalösen Urteil des Magdeburger Landgerichts wurde Ebert unter dem frenetischen Jubel der Rechtsextremen am 23. Dezember 1924 juristisch bescheinigt, mit seiner Teilnahme am Berliner Streik von Munitionsarbeitern im Januar 1918 Landesverrat begangen zu haben. Ebert legte gegen dieses Urteil sogleich Berufung ein, weil sein Eintreten in die Streikleitung lediglich vom Bestreben zur schnellen Beendigung des Aufstandes bestimmt gewesen sei. Wegen der Vorarbeiten für sein Berufungsverfahren schob Ebert den dringend erforderlichen Krankenhausaufenthalt immer wieder hinaus: „Ich muss um meine Ehre kämpfen, oder nein – um die Ehre des Staatsoberhauptes.“

Der Aufstieg Eberts, der am 4. Februar 1871 als siebtes von neun Kindern eines Schneider-Ehepaars inmitten der Heidelberger Altstadt zur Welt gekommenen war, vollzog sich ungewöhnlich schnell. Nach Volksschule, Sattlerlehre und zweieinhalbjähriger Walz, bei der er sich gewerkschaftlich engagiert hatte und schon 1889 mit 18 Jahren in die SPD eingetreten war, verschlug es ihn 1891 nach Bremen, das für die nächsten 14 Jahre seine zweite Heimat wurde. Seinen Handwerksberuf übte er nicht mehr aus, sondern bestritt seinen Lebensunterhalt durch bezahlte Tätigkeiten für den Sattler-Verband, als Lokalredakteur der „Bremer Bürger-Zeitung“ oder für das Bremer Arbeitersekretariat. Was ihm ein Einkommen bescherte, das dem eines mittleren Beamten entsprach und damit mehr als ausreichend war. So konnte er 1894 die Arbeiterin Louise Rump heiraten und mit ihr eine Familie mit fünf Kindern gründen.
Schnell stieg auch sein Ansehen in der Bremer SPD, weil er sich aus hitzigen Diskussionen über den Richtungskurs der Partei heraushielt und sich stattdessen als Reformist auf eine Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiterschaft konzentrierte. Ebert wurde zeitweilig Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender der Bremer SPD. 1905 wurde er als besoldeter Parteisekretär in den Berliner SPD-Vorstand gewählt, wo er sich bald den Ruf eines effektiven Parteimanagers sowie eines perfekten Vermittlers zwischen den verschiedenen Parteiflügeln erwarb. Nachdem er 1912 erstmals ein Reichstagsmandat für den Wahlkreis Elberfeld-Barmen errungen hatte, wurde er schon ein Jahr später zum Co-Vorsitzenden der SPD gewählt.
Einbindung alter Eliten

Während des Ersten Weltkrieges trug Ebert die Hauptverantwortung für den parteiintern umstrittenen Kurs der Zustimmung zu den Kriegskrediten im Zuge der sogenannten Burgfriedenspolitik und wurde daher für die daraus resultierende Abspaltung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) im Jahr 1917 verantwortlich gemacht. Gegen Widerstände in den eigenen Reihen setzte Ebert 1918 die Beteiligung der SPD an der ersten parlamentarisch gestützten Regierung unter Reichskanzler Prinz Max von Baden im Zuge der sogenannten Oktoberreformen durch. Er war mit einer konstitutionellen Monarchie durchaus einverstanden und erhoffte sich von dieser Lösung auch die Verhinderung eines drohenden revolutionären Chaos nach Kriegsende.
Nachdem dennoch die Novemberrevolution ausgebrochen war und Max von Baden am 9. November 1918 die Abdankung des Kaisers bekanntgegeben hatte, übertrug der Prinz das Amt des Reichskanzlers an den nun politisch mächtigsten Mann des Reiches, dem allerdings sein Parteikollege Philipp Scheidemann durch die eigenmächtige Ausrufung der Republik eine Hypothek aufhalste. Tatsächlich bekleidete Ebert dieses Amt nur einen einzigen Tag lang, weil danach sogleich eine Übergangsregierung namens „Rat der Volksbeauftragten“ mit je drei Vertretern aus SPD und USPD gebildet wurde, in dem Ebert die führende Position übernahm. Er schloss sogleich mit dem geheimen Ebert-Groener-Bündnis einen Pakt mit der Obersten Heeresleitung in Person von General Wilhelm Groener, um eine geordnete Rückführung der deutschen Truppen ins Reich zu gewährleisten, aber auch um ein Machtmittel zur Unterbindung der Radikalisierung der Revolution in Händen zu halten. Es war der erste Schritt zur später häufig kritisierten Einbindung der alten Eliten des Kaiserreichs aus Militär, Wirtschaft und Verwaltung ins neue Staatswesen. Dieses wollte Ebert unbedingt vor der Etablierung eines Räte-Systems bewahren, weshalb er Mitte Dezember 1918 auf dem Berliner Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte mit SPD-Mehrheit die Wahl einer verfassunggebenden Nationalversammlung durchsetzen konnte.
Oberster Hüter der Verfassung

Diese entscheidende Weichenstellung hin zu einer parlamentarischen Demokratie wollten die radikalen Linken allerdings nicht mittragen. Als dann auch noch Eberts Bündnis mit der Heeresleitung publik wurde, kam es im Januar 1919 in Berlin unter Führung von USPD und der gerade gegründeten KPD zum sogenannten Spartakusaufstand, der mit Eberts Billigung militärisch rigoros niedergeschlagen wurde. Am 6. Februar 1919 konstituierte sich in Weimar das erste aus freien, geheimen und allgemeinen Wahlen hervorgegangene Parlament der deutschen Geschichte. Die Nationalversammlung wählte fünf Tage später Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten. Er versprach, sein Amt überparteilich „als der Beauftragte des ganzen deutschen Volkes“ wahrzunehmen. Als Reichspräsident war er völkerrechtlicher Vertreter des Reiches, militärischer Oberbefehlshaber und allein Zuständiger für die Ernennung des Reichskanzlers, für die Auflösung des Reichstages oder für den Erlass von Notstandsartikeln und hatte damit gewaltige Machtbefugnisse. Ebert verstand sich als oberster Hüter der Verfassung, wobei die Funktionstüchtigkeit des parlamentarischen Systems stets die Richtschnur seines Handelns war.