Im Zuge des Skin-Minimalismus hat sich das Microdosing als Beauty-Trend des Jahres herauskristallisiert. Statt auf Produkte mit hochkonzentrierten Inhaltsstoffen lieber auf deutlich niedriger dosierte setzen.
Als US-Superstar Alicia Keys vor einigen Jahren beschlossen hatte, aus dem für sie nervigen Teufelskreis der perfekten, schminkenden Selbstoptimierung auszusteigen und sich damit zur Protagonistin des No-Make-up-Mouvements zu machen, war dieser Schritt für viele Frauen weltweit zunächst kaum nachvollziehbar. Selbst in der Gesichtspflege galt gemeinhin das Motto: Viel hilft viel – was bei manchen Frauen jedoch zu erheblichen Problemen geführt hatte, weil vor allem empfindliche Haut durch übermäßige Pflege schnell aus dem Gleichgewicht geraten und mit Irritationen reagieren kann. Ein Umdenken in der Pflegeroutine hat vor allem die Corona-Pandemie eingeleitet. Denn durch die Arbeit im Home-Office oder fehlende Anlässe für einen Glamour-Auftritt hatten viele Frauen erkannt, dass sie mit einer deutlich kleineren Palette an Beauty-Produkten auskommen können. Dadurch konnten sie als schönen Nebeneffekt einen natürlicheren Look erzielen.
Ein Zehntel der sonst verwendeten Stoffe
Bei Pinterest waren daher im vergangenen Jahr die Suchanfragen nach schonenderen Gesichtspflegemöglichkeiten geradezu explodiert. Ein neuer Begriff, „Skin-Minimalismus", machte schnell die Runde: Der Verzicht auf unnötige Produkte, die Minimierung der Inhaltsstoffe auf das absolut Notwendige und die bewusste Reduktion der Hautpflegeroutine hat 2022 weiter an Fahrt aufgenommen. Nicht zuletzt weil das ewige Streben nach unerreichbaren Schönheitsidealen – im Extremfall in der südkoreanischen K-Kosmetik mit dem vielschichtigen Layering-Prinzip oder in maskenhaften Make-up-Fassaden – angesichts des Siegeszugs der Body-Positivity als zunehmend überholt und nicht mehr zeitgemäß angesehen wird. Ganz im Sinne des Skin-Minimalismus soll die Haut nicht mehr unter dicken Schichten von Foundations oder Pudern regelrecht zugekleistert und dadurch den Poren das Atmen unmöglich gemacht werden.
Genau an dieser Stelle kommt der neue Beauty-Trend des sogenannten Skincare Microdosing oder einfach nur Microdosing genannt, mit dem Motto: „Weniger ist mehr!" ins Spiel. Der Begriff selbst ist keineswegs neu. Er wird vielmehr schon seit Jahrzehnten in einem umstrittenen Umgang mit psychedelischen Drogen verwendet. Weil kolportiert wird, dass eine mikrodosierte Einnahme von LSD oder der Pilz-Substanz Psilocybin ohne Rauschwirkung oder Suchtentwicklung eine kognitive Leistungssteigerung ermöglichen soll. Das Prinzip wird jetzt jedenfalls für die Hautpflege adaptiert. Statt die Haut mit der höchstmöglichen Wirkstoffkonzentration geballt zu überlasten, soll mit einer geringeren Dosierung von etwa einem Zehntel der sonst verwendeten Inhaltsstoffmenge ein viel besseres Ergebnis erzielt werden können. Produkte mit weniger konzentrierten Wirkstoffen sollen nicht nur quasi als Powerladung ein- oder maximal zweimal pro Woche aufgetragen werden können, sondern weitaus regelmäßiger. Dadurch kann sich die Haut wesentlich schonender an die Inhaltsstoffe gewöhnen. Die schützende Barrierefunktion wird nicht beeinträchtigt und Irritationen wie Rötungen, Ausschläge, Juckreiz, Poren-verstopfungen oder Schuppungen durch hochpotente Wirkstoffe wie Retinol, Vitamin C oder die Peeling-Wunderwaffen Azelain- und Salicylsäure können vermieden werden. Allein der Sonnenschutz sollte unbedingt vom Microdosing ausgenommen sein, der Lichtschutzfaktor sollte auf keinen Fall niedriger dosiert werden.
Microdosing führt zu weniger Hautirritationen
Auch wenn vom Microdosing generell alle Hauttypen profitieren können, so ist es doch ganz besonders für Frauen mit empfindlicher Haut mehr als empfehlenswert. Und für die Gesundheit der Haut wird sich diese neue Pflegeroutine kurz- wie auch langfristig auszahlen. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Pflege-Boostern, die mit niedrigen Konzentrationen der wichtigsten Wirkstoffe auskommen und regelmäßig zusätzlich zur Feuchtigkeitspflege aufgetragen werden können. Auf jeden Fall lohnt sich ein Blick auf die Konzentrationen der wesentlichen Inhaltsstoffe bei den Kosmetik-Produkten. Beginnen wir mit Retinol, das als Wundermittel gegen Hautalterung, Akne oder Pigmentierung gilt, aber in hoher Dosierung schädlich für die Hautbarriere sein kann. Viele Hersteller bieten aktuell noch immer Hautpflegeprodukte an, die ein bis sogar drei Prozent Retinol enthalten. Das ist eine gewaltige Menge, geschuldet dem Wunsch vieler Frauen, möglichst umgehend eine strahlende und glatte Haut zu erhalten. Dabei kann auch mit einer schonenden, regelmäßig aufgetragenen Dosierung von 0,1 bis 0,3 Prozent ohne die Gefahr von Irritationen viel bewirkt werden. Auch beim Vitamin C, das zu den stärksten Antioxidantien für die Haut zählt und die Kollagenbildung stimulieren kann, muss die Konzentration in einem Serum nicht bei über 20 Prozent liegen. Auch hier lässt sich ein erwünschter Glow und Effekte gegen die Luftverschmutzung mit einem Zehntel der bislang üblichen Dosierung erzielen. Bei Produkten mit Peeling-Säuren, beispielsweise den Alpha-Hydroxysäuren, kurz AHAs, oder der Glycol- oder Milchsäure, sind bislang Konzentrationen von bis zu 30 Prozent frei verkäuflich. Das macht aber eigentlich nur bei extrem verstopften Poren Sinn. Ansonsten ist für den Peeling-Effekt ein Zehntel der Menge locker ausreichend, ein solches Pflegeprodukt lässt sich regelmäßig nach der abendlichen Hautreinigung verwenden.