Ein Rolls-Royce ist etwas ganz Besonderes. Ihn fahren zu dürfen ist ein Erlebnis, das nicht vielen Menschen gegönnt ist. Wir testen einen Rolls-Royce Cullinan, den Geländewagen von Rolls-Royce – aus Sicht des Beifahrers.
Der Rolls-Royce Cullinan strotzt vor Superlativen. Seine rund 2,7 Tonnen Gesamtgewicht beschleunigt er in 5,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Ein Wert, der beeindruckt. Dabei ist der Cullinan ein Gelände- und kein Sportwagen. Früher hat Rolls-Royce die Leistung seiner Motoren mit „genug“ angegeben. Heute weiß ich, dass unser Testwagen 571 PS hat. Diese Kraft spürt man von Anfang an, denn sie entwickelt sich aus 6,75 Litern Hubraum und zwölf Zylindern. Autos mit einem Zwölf-Zylinder-Motor sind inzwischen selten. Die meisten Autos haben vier Zylinder, nur wenige haben mehr. Die zwölf Zylinder sorgen für einen ausgesprochen ruhigen Lauf des Motors. Als ich den Motor das erste Mal in Aktion erlebe, merke ich nicht, dass der Wagen bereits gestartet ist, so ruhig läuft er. Dazu trägt aber auch die Schallschutzverglasung und die gute Isolierung der Karosserie bei.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger ist unser Testwagen der zweiten Serie des Cullinan schwungvoller gezeichnet. Sowohl die Front- als auch die Heckscheibe sind leicht geneigt. Die Front hat üppige Lufteinlässe unterhalb des Kühlergrills, die dem Cullinan Dynamik verleihen. Dominant präsent ist auch bei diesem Modell der Kühlergrill, der hoch und breit ist. Seine Oberkante ist wie ein Kapitell gestaltet, das die Kühlerfigur „Spirit of Ecstasy“ ziert. Eine Dame mit Flügeln, die seit 1911 den Kühlergrill eines Rolls-Royce schmückt. Der Name ist Programm, denn ein Rolls-Royce ist geeignet, seine Nutzer in Ekstase zu versetzen. Seitlich ragen die Radhäuser leicht über die mit 2,16 Metern ohnehin breite Karosserie hinaus. Sie bedecken 23-Zoll-Felgen, die allein ob ihrer Größe beeindrucken. Die Reifen sind so breit, dass man sich über Schlaglöcher keine Gedanken machen muss, sie rollen einfach darüber hinweg.
Schweben auf einer Luftfederung
Optisch senkt eine Zierleiste im unteren Seitenbereich die Größe des Cullinan leicht ab, was dennoch nicht darüber hinweg täuschen kann, dass der Wagen 1,83 Meter hoch ist. Auffällig sind die Türen, von denen die hinteren sich nach hinten öffnen, um den Einstieg zu erleichtern. Trotz der gewaltigen Dimensionen wahrt die Erscheinung des Cullinan gute Proportionen. Die Heckklappe ist geteilt zu öffnen. So kann man sich bequem auf den unteren Teil, der mit Teppich ausgekleidet ist, setzen und eine kleine Pause an der frischen Luft einlegen. Der Kofferraum ist riesig. Aus Mangel an Gepäck haben wir es nicht ausprobiert, aber geschätzt passen dort mindestens vier große Reisekoffer und zwei Boardcases hinein. Wer Skier einpacken möchte, kann in der Rückenlehne der hinteren Sitze eine Klappe zum Durchladen öffnen.
Der wahre Genuss beginnt im Inneren des Rolls-Royce Cullinan, denn hier schwebt man vom Start seiner Reise bis zum Ziel. Eine Luftfederung gleicht so gut wie alle Unebenheiten der Fahrbahn aus. Die breiten Sitzmöbel sind mit weichem Leder in zwei Farben bezogen. Selbst das helle Leder ist zart wie eine Pfirsichhaut, was nur möglich ist, wenn allerbeste Qualität verarbeitet wird. Leder ist von Natur aus eher dunkel. Soll es hell sein, bedarf es relativ viel Farbe, die leicht dazu führen kann, dass das Leder hart wird. Das ist hier nicht der Fall. Die Sitze werden elektrisch eingestellt, selbst die Höhe der Kopfstützen. Sowohl eine Sitzheizung als auch eine Sitzbelüftung sind selbstverständlich.
Wird die Sitzheizung betätigt, erwärmen sich gleichzeitig die Armauflagen des entsprechenden Sitzes. Der Sitzkomfort ist tadellos und ermöglicht ein entspanntes Reisen. Zusätzlich haben alle Fahrgäste die Möglichkeit, sich während der Fahrt massieren zu lassen. Dafür stehen acht verschiedene Massageprogramme zur Auswahl, die in drei Intensitäten zur Verfügung stehen, denn eine leichte, kleine Person hat sicherlich einen anderen Bedarf als eine große, kräftig gebaute. Als Beifahrer habe ich diesen Komfort fast durchgehend genossen.
Beeindruckend ist die Klimaanlage. Hochwertige Autos haben eine Vier-Zonen-Klimaanlage. Der Rolls-Royce Cullinan hat eine erstklassige Acht-Zonen-Klimaanlage. Die Insassen haben die Möglichkeit, die Luftauslässe vor sich differenziert nach rechts und links unterschiedlich einzustellen. Ist das rechte Ohr zu heiß, kann die Temperatur auf 16 Grad Celsius gedrosselt werden. Ist das linke Ohr zu kühl, wird dieses eben mit 21 Grad belüftet.
Die Lüftungsauslässe selbst sehen aus wie verchromte Metallkugeln. Sie lassen sich beliebig drehen und die Lamellen in genau die Richtung bewegen, in die die Luft strömen soll. Die Intensität der Lüftung kann in verschiedenen Stufen gewählt werden, aber die Insassen können mit einem Bedienhebel auch dann noch selbst bestimmen, wie weit der Luftauslass geöffnet sein soll. Sämtliche Schalter sind hochwertig und aus Metall gefertigt. Sie fühlen sich angenehm glatt an und sind gut zu bedienen. Die Türgriffe sind „echte“ Griffe. Sie liegen gut in der Hand und man hat auch hier den Eindruck gut zupacken zu können.
So teuer wie zwei Eigenheime
Ein Detail, das manche belächeln mögen, ist wunderschön. Es ist der Sternenhimmel, der die Decke des Innenraums ziert. Hier kann man verschiedene Sternbilder einstellen, die Leuchtintensität regeln und – es huschen von Zeit zu Zeit Sternschnuppen über den Himmel. Dieses Extra ist so gestaltet, dass es vor allem die Fahrgäste auf der Rückbank sehen und genießen. Den Fahrer beeinträchtigt es nicht.
Die ursprüngliche Intention, die man mit einem Rolls-Royce verbindet, ist, dass es ein Auto ist, in dem jemand chauffiert wird. Das ist sicherlich noch immer gut möglich, denn auch die hinteren Sitze sind exzellent, und der Reisekomfort ist mindestens genauso gut wie der auf den vorderen Sitzen. Aber Rolls-Royce ist schon lange ein Auto, dass auch die Eigentümer gern und gut fahren können. Es macht einfach Spaß, einen Rolls-Royce zu fahren und zu genießen.
Die Musikanlage ist das Beste, was mir je begegnet ist. Selbst bei lauter Musik erklingen alle Höhen und Bässe glasklar und gut differenziert, komponiert zu einem phonetischen Genuss. Bei den Dimensionen dieses Autos wäre es eine kleine Turnübung, die Türen von Hand zu schließen. Das ist allerdings auch nicht notwendig, denn dafür gibt es Motoren, die per Knopfdruck die Türen für die Insassen zuziehen.
Wo der Rolls-Royce auftaucht, erregt er Aufsehen und flößt Respekt ein. Auf der Autobahn haben alle Autos von sich aus die linke Spur frei gemacht, um uns vorbeizulassen. Das, obwohl wir immer darauf geachtet haben, einen großen Sicherheitsabstand einzuhalten. Im ruhenden Betrieb gibt es viele Menschen, die unseren Testwagen bewundern. Nicht selten kommt es vor, dass wir mit den Worten „Ein schönes Auto“ angesprochen werden. Hieraus ergibt sich das eine oder andere nette Gespräch. Am Ammersee haben wir Jenny und Micha getroffen, die ein besonderes Interesse an Autos haben. Die beiden haben sich gefreut, dass wir sie ein Stück mitgenommen haben. Anschließend beschäftigte Micha die Frage, ob man an den Cullinan eine Anhängerkupplung für seinen Wohnwagen anbauen könnte. Wie er im Nachhinein in Erfahrung gebracht hat, ginge das.
Dennoch gibt es noch andere Gründe, weshalb der Cullinan möglicherweise nicht deren nächstes Auto sein wird. Mit einem Preis unseres Testwagens von 448.537,18 Euro könnte schlicht der Kaufpreis ein Hinderungsgrund sein. Für diese Summe bekommt man bei uns zwei schöne Einfamilienhäuser. Es werden nicht viele Menschen sein, die es sich leisten können und wollen, so viel Geld für ein Auto auszugeben. Dennoch ist dieses Auto jeden Cent wert. Es ist wunderschön – und ein erhabenes Gefühl, damit zu fahren.