Der Pink Panther wird 60 Jahre jung. 1963 hatte er seinen ersten Auftritt im Vorspann einer Kriminalkomödie. Zehn Jahre später sprach er als Paulchen zum ersten Mal Deutsch.
Am Ende standen zwei Fragen: „Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät?“ Es folgte ein Versprechen: „Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage.“ So verabschiedete sich Paulchen, der rosarote Panther, ab 1973 von seinem deutschsprachigen Publikum. 124-mal hat er das durchgehalten. So viele rund sechs Minuten lange Trickfilm-Episoden wurden zwischen 1969 und 1980 in den USA produziert. Seitdem werden die Abenteuer des Pink Panther lediglich als Wiederholung gezeigt. Meist im Kinderprogramm des Fernsehens, manchmal aber auch an dem Ort, für den die meisten dieser Filme gemacht wurden und wo 1963 alles begann: im Kino.
Reime nur in deutscher Serie
Ralph Turnheim ist einer von denen, die sich der Poesie des Pink Panther verschrieben haben. Zusammen mit dem oberösterreichischen Stummfilm-Pianisten Gerhard Gruber feiert der in Wiesbaden lebende gebürtige Wiener in diesem Jahr den 60. Geburtstag der rosa Raubkatze in Kinos. Gruber variiert dabei am Klavier die jazzige Pink-Panther-Musik von Henry Mancini, während Turnheim neue Reime zu den alten Filmen vorträgt. „Die Pink-Panther-Trickfilme wurden wie Stummfilme mit Musik konzipiert. Es gibt nur wenige Ausnahmen mit einem Erzähler oder sprechenden Nebenfiguren. Nur in der deutschen Fernseh-Fassung kamen die Reime dazu, was aber der direkten, visuellen Komik nichts nimmt, sondern sie bereichern kann“, erklärt Turnheim. „Die Komik kombiniert Elemente der großen Slapstick-Meister Buster Keaton, Charlie Chaplin und auch Laurel & Hardy.“
Er sei überrascht gewesen, als er erfahren hat, dass das englischsprachige Original ohne Sprache auskommt. Er hätte das in jungen Jahren sicher nicht so analytisch formuliert, aber: „Die Reime zu Paulchen Panther waren für mich als Kind das faszinierende Markenzeichen der Serie, gleichbedeutend mit der Musik und dem Design.“ Wobei auch der Name Paulchen eine deutsche Erfindung ist. In seinem Heimatland blieb der Pink Panther namenlos.
Auch die Reihenfolge der Episoden hat das deutsche Fernsehen, das mit der Ausstrahlung im Oktober 1973 begann, verändert. Mit der Serie „Der rosarote Panther – zu Gast bei Paulchens Trickverwandten“ brachte das ZDF die amerikanische Reihe vor 50 Jahren erstmals auf deutsche Bildschirme. Später zeigten unter anderem auch Pro7, der Kinderkanal, SuperRTL, Tele5, EinsFestival und einige ARD-Sender-Filme aus der Pink-Panther-Reihe. Zielgruppe waren Kinder. Dabei war der erste Auftritt des Pink Panther zehn Jahre zuvor alles andere als kindgerecht.
Erfunden wurde er nämlich von Hawley Pratt fürs Marketing der Krimikomödie „The Pink Panther“. Es geht in dem Film um einen „das Phantom“ genannten Gentleman-Gangster (David Niven), den trotteligen französischen Interpol-Inspektor Clouseau (Peter Sellers) und einen Diamanten mit dem Namen „Pink Panther“. „Erst nach Ende der Dreharbeiten entschied Regisseur Blake Edwards, die Figur im Vorspann auftreten zu lassen. Die Trickfilmzeichner arbeiteten Monate an der damals sehr neuen Idee eines Trickfilmvorspanns. Filmkomponist Henry Mancini hatte das Thema noch gar nicht komponiert. Den fertigen Zwei-Minuten-Vorspann fanden legendärer Weise viele Zuschauer witziger als die zwei Stunden Film danach“, weiß Ralph Turnheim. In diesem Intro treibt der Panther unter anderem mit dem Inspektor Schabernack, versucht, sich in den Vordergrund zu drängen. Das ist ihm schließlich über den Vorfilm hinaus gelungen.
Anfangs noch mit Zigarette im Mund
Die Figur war vom ersten kurzen Leinwandauftritt an beliebt. „Allein Name und Erscheinung des Pink Panther sind eine Pointe und rufen: Ikone!“, sagt Ralph Turnheim. Er erklärt das so: „Ein Raubtier, das elegant und milde lächelnd eine Zigarette im Zigarettenhalter raucht. Dazu jazzige Musik. Das ist für mich die James-Bond-Formel, nur umgekehrt: Bond fasziniert als eleganter, kultivierter Mann, der aber jederzeit ein gewissenloser Killer und Schwerenöter, sprich: Raubtier, sein kann.“
Der Pink Panther wiederum sei eben längst nicht mehr das wilde, gefährliche Tier. Er handelt menschlich, oft tollpatschig. Ein Beispiel dafür, wie wenig Raubtier dieser Panther ist, haben Turnheim und Gruber in ihrem Programm: Übermütige Mäuse machen dem Panther in seiner Wohnung das Leben schwer. Weil sie seine Drohgebärden nicht ernst nehmen, verkleidet sich der Panther als Hauskatze und miaut. Die Mäuse kriegen Panik und flüchten.
Das Raubtier domestiziert sich selbst, macht sich zum Trottel, bleibt dabei cool und wirkt dadurch gefährlicher als vorher. An diesem Stil liege es auch, dass der Pink Panther sich „von seinen Kollegen wie Bugs Bunny, Donald Duck, Daffy Duck, Tom & Jerry und anderen durch seine Nonchalance abhebt, die Trickfilmfiguren sonst eher nicht eigen ist“, erklärt Turnheim. Wobei die Zigarette, die der Panther im Filmvorspann genießerisch geraucht hat, schnell verschwunden ist. Ein rauchendes Tier ist nun mal kein Vorbild für Kinder und Jugendliche.
Neuauflagen scheiterten alle
Und bei denen ist der Pink Panther offenbar weiterhin beliebt. In Turnheims Veranstaltungen amüsieren sich Kinder und Jugendliche nämlich ebenso wie Senioren. Das liegt nach Ansicht des Pink-Panther-Poeten daran, dass der Zeichenstil zwar alt, aber nicht antiquiert ist, „eher echt, authentisch, klassisch“. „Jeder Moment ist in Handarbeit entstanden, das altert nie, behält seinen Charme“, findet Turnheim. Moderne Trickfilme und 3D-Animationen wirken aus seiner Sicht „schneller überholt“. Die Pink-Panther-Cartoons seien auch „näher verwandt“ mit den Disney-Trickfilm-Klassikern als mit den Kinder-TV-Serien der 70er-Jahre wie zum Beispiel „Wickie und die starken Männer“ oder „Biene Maja“, mit denen sie etwa zeitgleich ausgestrahlt wurden. Der rosarote Panther wurde für die große Leinwand produziert. „Allein produktionstechnisch spielt er also in einer anderen Liga. Große Animationsfilme entdecken die Ästhetik der handanimierten Trickfilme gerade wieder“, sagt Ralph Turnheim. Er nennt den Film „Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch“ aus dem Dreamworks-Studio als Beispiel.
Für die Qualität der Original-Pink-Panther-Filmchen spricht auch, dass alle späteren Versuche, das Erfolgsmodell zu kopieren, mehr oder weniger zum Scheitern verurteilt waren. Mitte der 1980er-Jahre zum Beispiel wurde eine Serie mit dem Titel „The Pink Panther and Sons“ produziert. Dieser Versuch kam über die erste Staffel allerdings nicht hinaus. 1993, also 30 Jahre nach dem ersten Auftritt der rosa Raubkatze, wagten sich die Metro-Goldwyn-Mayer-Studios, einer der Konkurrenten von United Artists – der Filmgesellschaft, die 1963 dem Pink Panther erstmals eine Bühne gegeben hatte – an eine Zeichentrickserie mit ihm als Hauptfigur. Diesmal bekam der Panther auch in der englischsprachigen Reihe eine Stimme. Das kam bei den Fans nicht gut an.
Nur ein Satz in Originalfassung
Anders als in Deutschland war der US-Panther bis dahin weitestgehend stumm geblieben. Der Funke sprang nicht über. Nach drei Staffeln wurde das Experiment beendet. Ganz aufgeben wollte Metro-Goldwyn-Mayer aber doch nicht. 2010 produzierte das Studio eine weitere Reihe – diesmal unter dem Titel „Pink Panther and Pals“. 26 Episoden wurden hergestellt. Diese Reihe schaffte es auch ins deutsche Fernsehen. Unter dem Titel „Der rosarote Panther und Freunde“ in Anlehnung an „Der rosarote Panther – zu Gast bei Paulchens Trickverwandten“ wurde sie im Bezahlsender Boomerang gezeigt.
Auch die Originalfilme der 60er-Jahre wurden 2006 und 2009 mit Steve Martin als Spielfilme neu aufgelegt – mit mehr oder weniger bescheidenem Erfolg.
Ganz schweigsam war der Pink Panther übrigens auch in der Originalfassung nicht. Dort sagt er allerdings nur einen wirklich bedeutenden Satz. In der Ur-Version verspricht er in der Szene am Wasserloch, die in der deutschen Serie am Schluss jeder Folge kommt, kein ewiges Wiederkommen („Heute ist nicht alle Tage …“). In der englischsprachigen Fassung antwortet er, bevor er mit einem Elefanten davonspaziert, nicht mit einem Versprechen auf eine Frage, sondern stellt selbst eine: „Why can’t man be more like animals? – Warum kann der Mensch nicht mehr wie ein Tier sein?“