Wenn ein Bürgerrat einberufen werden soll, gibt es vieles zu bedenken. Und so manches Hindernis stellt sich einem in den Weg: Wie erreicht man Menschen aus allen Schichten? Und wie wird beim Diskutieren niemand überhört?
Je konkreter und näher er am Alltag der Menschen ist, desto greifbarer sind die Ergebnisse eines Bürgerrats. Schwierig war etwa das sehr weit gefasste Thema „Deutschlands Rolle in der Welt“ im gleichnamigen bundesweiten Bürgerrat. Gute Erfahrungen haben Städte und Gemeinden mit Bürgerräten gemacht, die Lösungsvorschläge für ein Problem vor Ort erarbeiten. Je umstrittener und verständlicher das Thema ist, desto mehr Menschen sind bereit, sich im Bürgerrat zu engagieren.
Wirksam sind vor allem die Bürgerräte, die von Parlamenten, Regierungen oder auf lokaler Ebene von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern mit eingesetzt werden. Entscheidend ist, dass Politik, Rat und Verwaltung den Bürgerrat ernst nehmen und sich seine Arbeit zu eigen machen. Idealerweise ist schon vorab festgelegt, was mit den Ergebnissen passieren soll.
Die Bürgerräte sollen möglichst viele unterschiedliche Perspektiven und Meinungen der Bevölkerung widerspiegeln. Dazu bilden die Organisatoren aus den Melderegistern einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung nach Wohnort, Alter, Bildungsstand, Geschlecht, Beruf und weiteren Merkmalen. Aus der so ermittelten Gruppe losen sie dann mögliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerrats aus und schreiben sie an. Meist reagieren zwischen zehn und 20 Prozent der Angeschriebenen auf das Angebot. Das sind hauptsächlich gebildete Männer im mittleren Alter. Frauen, Menschen mit wenig Bildung und geringem Interesse an Politik sowie Migrantinnen und Migranten, die nicht so gut Deutsch sprechen, reagieren deutlich seltener auf die Einladung. Um sicherzustellen, dass auch die Menschen teilnehmen, die das Anschreiben nicht verstehen, sich die Teilnahme nicht zutrauen oder zum Beispiel wegen ihrer Arbeitszeiten, einer Krankheit oder Behinderung nicht mitmachen können, gibt es das „aufsuchende Losverfahren“: Reagiert eine angeschriebene Person nicht auf das Angebot, rufen Mitarbeiter der Organisatoren sie an oder fahren hin, um das Projekt zu erklären und eventuelle Bedenken auszuräumen. So erreichen sie eine breitere Zusammensetzung des Bürgerrats. Gerade Menschen mit wenig Zeit und wenig Geld lassen sich eher gewinnen, wenn sie für die Sitzungen des Bürgerrats Sonderurlaub oder eine Aufwandsentschädigung bekommen.
Möglichst viele Perspektiven einbinden
Im weiteren Verfahren erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Info-Mappen zum Thema. In Workshops geben Experten weitere Hintergrund-Infos und beantworten die Fragen der Bürgerräte. Die Auswahl der Fachleute soll dabei ein möglichst breites Spektrum unterschiedlicher Meinungen zum Thema abbilden. Anschließend diskutieren die Bürgerräte alle Aspekte des Themas in Kleingruppen. Diese erarbeiten Vorschläge, die sie dann im gesamten Bürgerrat zur Diskussion stellen. Professionelle Moderatorinnen und Moderatoren achten darauf, dass die Diskussion fair und sachlich bleibt und dass alle zu Wort kommen. So dürfen Teilnehmer erst dann ein zweites Mal sprechen, wenn alle einmal etwas dazu gesagt haben. Damit stellen sie sicher, dass nicht nur die Lauten und Redegewandten die Diskussion bestimmen.
Je nach Thema, Aufwand für Recherche und Auswahl der Teilnehmenden und Honorare für die beratenden Fachleute beziffern verschiedene Experten die Kosten für einen Bürgerrat auf etwa 1.000 Euro pro Teilnehmerin und Teilnehmer. „Eine sehr grobe Schätzung“, wie Volker Mittendorf anmerkt. Der Politikwissenschaftler forscht an der Universität Wuppertal zu Methoden der direkten Demokratie. Er veranschlagt für einen Bürgerrat mit 200 Teilnehmern „einen höheren fünfstelligen Betrag“.
Gegenrechnen müsse man dabei die Kosten, die man durch das Verfahren spart. Erarbeitet ein Bürgerrat ein durchdachtes, abgewogenes Konzept etwa für ein Bauprojekt, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Anwohner oder Interessenverbände dagegen klagen und so das Genehmigungsverfahren verteuern und verzögern.