Vor 90 Jahren, am 8. Januar 1935, wurde Elvis Presley in der US-Kleinstadt Tupelo in Mississippi geboren. Der Sänger gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Rock- und Popkultur des 20. Jahrhunderts. Dabei währte seine Karriere gerade mal 23 Jahre. Unser Autor sprach mit einigen seiner Wegbegleiter und seiner Ex-Frau Priscilla.
Der Drang nach Freiheit und die Rebellion gegen die bürgerliche Moral sorgen in den 1950er-Jahren für den Urknall des Rock‘n‘Roll. Die neue musikalische Bewegung verschmilzt Elemente von Blues, Swing und Country mit Erotik. Zum größten Star dieses Sounds wird ein 19-jähriger Lkw-Fahrer aus Tupelo im US-Bundesstaat Mississippi: Elvis Presley.
Im Frühjahr 1954 macht er in Memphis/Tennessee die Bekanntschaft des Produzenten Sam Phillips. Der Besitzer des winzigen Sun Records Studios an der Union Avenue ist auf der Suche nach einem weißen Countrysänger, der über eine schwarze Rhythm’n’Blues-Stimme verfügt. Im Sommer kommt Presley in den Sun Studios erstmals mit dem Gitarristen Scotty Moore und dem Bassisten Bill Black zusammen. Sam Phillips ist von den sentimentalen Liedern des jungen Truckers zunächst wenig beeindruckt. Als dieser in einer Pause am Mikrofon herumalbert und spontan den Song „That’s All Right (Mama)“ des farbigen Delta-Bluesers Arthur Crudup anstimmt, steigen Black und Moore nacheinander mit ein. In dem Moment erkennt Phillips in Elvis’ Stimme das gewisse Etwas – eine geheimnisvolle erotische Anziehungskraft.
Der Produzent hat ein untrügliches Gespür dafür, wann ein Künstler seine beste Vorstellung gibt. Er sucht stets nach der perfekten unperfekten Aufnahme. Phillips ist ein Innovator; beim Abmischen nimmt er Elvis’ Stimme zurück zugunsten der Instrumente, was damals absolut unüblich ist. 1956 wechselt der Newcomer schließlich vom regionalen Sun- zum nationalen RCA-Label. Seinen neuen Produzenten gelingt es allerdings nicht, den charakteristischen Sun-Records-Sound zu imitieren.
Elvis war legendär für seine Marotten
Elvis’ erste Platte beim neuen Label ist „Heartbreak Hotel“ und entwickelt sich zum größten Hit des Jahres 1956. Der Rolling Stone wählt sie in seiner Liste der 500 besten Singles der Musikgeschichte auf Platz 45. Für sein Debütalbum „Elvis Presley“ greift der inzwischen 21-Jährige auf Rock’n’Roll- und Rockabilly-Songs aus der Sun-Zeit und neuere Titel zurück. Für RCA wird es der erste Millionenseller in seiner Geschichte. Der Crooner Frank Sinatra („Strangers in the night“) verteufelt den Rock’n’Roll hingegen als „die brutalste, hässlichste, degenerierteste und bösartigste Ausdrucksform, die ich mir je anhören musste“.
1959 lernt der im hessischen Friedberg stationierte GI Presley auf einer Party die erst 14-jährige Priscilla Beaulieu kennen. Sie werden zu einem der berühmtesten Liebespaare der Musikwelt. Bis heute, 51 Jahre nach der Scheidung, lässt Priscilla Presley den Kult um den Sänger weiter leben in Form von Schallplatten, Filmen und Büchern. Mehr als eine Milliarde verkaufter Tonträger machen den „King of Rock’n’Roll“ zum erfolgreichsten Solokünstler der Musikgeschichte.
Die mittlerweile 79-Jährige hätte nicht gedacht, dass Elvis’ Musik die Jahrzehnte überdauern würde. „Ich bin verdutzt, wie viele Fans er noch immer hat“, erzählt sie beim Interview in Frankfurt. „Es scheint, als würde er von der Öffentlichkeit bis heute umarmt werden. Die Menschen lieben ihn, besonders in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Seine Musik war ja auch großartig. ,Heartbreak Hotel‘ und ‚Teddy Bear‘ kannte ich bereits, bevor ich wusste, wie er überhaupt aussah. Er sang anders als jeder, den ich bis dahin gehört hatte. Frank Sinatra war das Idol meiner Eltern, aber Elvis veränderte alles. Als ich ihn dann schließlich in dem Film ‚Love Me Tender‘ zum ersten Mal sah, dachte ich: Nicht schlecht, nicht schlecht!“
Elvis habe laut Priscilla schwarze Musik geliebt und enge Freundschaften mit Kollegen wie Fats Domino und Sammy Davis Jr. gepflegt. Von dem kürzlich verstorbenen farbigen Musiker Quincy Jones hingegen ist überliefert, dass er nicht gerne mit Elvis Presley zusammengearbeitet hätte, weil er ihn für einen Rassisten hielt. In einem richtigen Konzert erlebt Priscilla ihren Superstar-Ehemann erst sehr spät. „Es geschah 1969 in Las Vegas. In den 1960ern drehte er ja hauptsächlich Filme. Als ich ihn schließlich in dieser 18.000 Zuschauer fassenden Halle auf die Bühne kommen sah, konnte ich es nicht glauben. Elvis wirkte auf mich wie ein Tiger im Käfig. Oh mein Gott, ich war mit dem Mann viele Jahre zusammen, aber diese Seite von ihm kannte ich bis dahin nicht!“
Elvis ist auch legendär für seine Marotten. Mit seiner 57er Magnum soll er auf seinen Fernseher geschossen haben. Priscilla kann das bestätigen. „Diese Angewohnheit hatte nichts mit seiner Künstlerpersönlichkeit zu tun, sondern mit seinem Temperament“, erzählt sie lachend. „Wenn er schlechte Laune hatte und jemanden Bestimmten im Fernsehen sah oder etwas nicht verstand, musste man damit rechnen, dass er auf den Bildschirm ballerte. Er durfte das, denn er war Elvis. (lacht) Es ist nicht ständig passiert, aber wir haben schon so einige Fernsehgeräte verschlissen. Elvis war kompliziert, aber gleichzeitig auch einfach zu händeln. Fürwahr ein einzigartiger Charakter.“
„Wie ein Bündel Silvesterraketen“
Als das Paar am 1. Mai 1967 in einer Suite im „Alladin Hotel“ in Las Vegas heiratet, befindet Elvis Presley sich in einer Tretmühle. Sein Manager Colonel Parker hetzt ihn von einem Filmprojekt zum nächsten, die formelhaften und mit überschaubarem Aufwand produzierten Hollywood-Streifen hießen „G.I. Blues“, „Flaming Star“ oder „Wild In The Country“, werfen aber veritable Hitsingles wie „Can‘t Help Falling In Love“ und „Return To Sender“ ab. Als am 1. Februar 1968 Elvis’ und Priscillas einziges gemeinsames Kind Lisa Marie (†2023) geboren wird, ist ihr Vater höchst unglücklich über den Verlauf seiner Karriere. Das sollte sich erst mit seinem „68 Comeback Special“ ändern, seiner ersten Live-Performance seit 1961.
Ed Enoch, Leadsänger des Stamps Quartet, das von 1971 bis 1977 bei mehr als 1.000 Konzerten für Presley als Backgroundchor fungierte, erinnert sich lebhaft an die späten Auftritte seines ehemaligen Chefs. „Sie waren ganz schön wild. Elvis war ein Action-Typ. Speziell wenn er ‚Suspicious Mind’ oder ‚Polk Salad Annie’ sang, ging er ab wie ein Bündel Silvesterraketen. Elvis konnte sich von einem Moment auf den nächsten von einem Rocker in einen Balladensänger verwandeln und dich unglaublich berühren. Er war einzigartig.“
Herzversagen wegen zu vielen Pillen
Man weiß heute, dass Presley in seinen letzten Lebensjahren täglich einen Pillencocktail und Unmengen von Fast Food in sich hineinstopfte. Erstaunlicherweise wirkte sich das kaum auf seine Stimme aus. „Sobald er sang, war er ganz bei sich“, weiß Ed Enoch. „Das Publikum ahnte nichts davon und auch wir Musiker nicht. Er gab auf der Bühne immer alles – egal, ob er gerade glücklich war oder traurig. Wir alle wussten nichts von seinem seelischen Zustand. Daran sieht man, wie professionell Elvis wirklich war.“
Allein in seinem letzten Jahr soll sein Arzt ihm 10.000 Pillen – Schmerzmittel, Psychopharmaka, Schlaftabletten – verschrieben haben. Zu viel für seinen geschundenen Körper: Am 16. August 1977 stirbt Elvis Presley in seinem Badezimmer in Memphis an Herzversagen. Sein Hausfotograf Ed Bonja glaubt nicht, dass das tragische Ende hätte verhindert werden können: „Ich weiß, dass Red West, Sonny West und Dave Hebler versucht haben, ihn von den Pillen wegzubringen. Was passierte? Elvis schmiss sie raus. Er ließ sich nichts vorschreiben. Selbst vom Colonel nicht, und der war wie ein Vater für ihn.“
Jetzt kann man auch Priscilla ausfragen. Die Mitbegründerin und ehemalige Vorsitzende des Unternehmens Elvis Presley Enterprises wird am 21. und 22. März dieses Jahres in Bad Nauheim, wo sie ihren Ex-Mann kennenlernte, aus ihrem Leben erzählen. Unter dem Titel „An intimate evening with Priscilla Presley“ präsentiert sie im Jugendstil-Theater Dolce Filmausschnitte, Hochzeitsaufnahmen und Heimvideos aus Graceland. Sie wird natürlich darüber reden, wie es war, mit dem größten Star des Rock’n’Roll verheiratet gewesen zu sein – und den Mythos dieser „Jahrhundertliebe“ einmal mehr verteidigen. Tickets dafür sind erhältlich unter www.bad-nauheim.de/priscilla-presley
Über Elvis Presley gibt es so viele Meinungen wie Menschen. Überlassen wir Bono das letzte Wort: „So wie er sich wandelte, wandelte sich auch die Welt. Das war Punkrock. Das war Revolte. Elvis Presley veränderte alles – musikalisch, sexuell, politisch“.