Seit jeher gibt es Fürsprecher und Gegner von Zoos – und beides auch bei Naturschutzorganisationen. Die einen sehen den Vorteil der Arterhaltung, die anderen kritisieren die Haltung.
„Zoobesuch berührt Menschen“
Pro
Dr. Arnulf Köhncke, Fachbereichsleiter Artenschutz, WWF Deutschland
Der Mensch ist die Ursache des größten Artensterbens seit dem Ende der Dinosaurierzeit, eine Million Arten sind weltweit bedroht. Um diese Artenkrise aufzuhalten, brauchen wir zuallererst Unterstützung für den Erhalt der Artenvielfalt in der Natur und den Erhalt der Lebensräume. Zoos allein können die Artenkrise also nicht aufhalten, dennoch leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz, zur Umweltbildung und zur Forschung.
Gut geführte und international anerkannte Nachzuchtprogramme haben in Zoos wichtige Erfolge erbracht. Beispielsweise für den Wisent: 1927 wurde das letzte freilebende Exemplar im Kaukasus getötet, und die Art wäre ausgestorben, hätten nicht einige Tiere in Zoos und Gehegen überlebt und sich dort vermehrt. Seit den 1950er-Jahren werden Wisente ausgewildert. Heute leben wieder über 7.000 Tiere in freier Natur. Doch für viele bedrohte Arten liegt das Ziel der Auswilderung in weiter Ferne, weil deren Bedrohung in der Natur anhält und sie somit laut Weltnaturschutzunion nicht ausgewildert werden dürfen. Umso wichtiger ist das Bewahren im Freiland verschwundener Arten in Menschenhand und, natürlich, der Schutz der Lebensräume in der Natur.
„Ansporn zu mehr Einsatz für die Natur“
Weil Zoos als Orte Menschen für die Tierwelt begeistern können, spielen sie zudem eine wichtige Rolle in der Umweltbildung für den Artenschutz. In Zoos erleben Kinder meist das erste Mal die Faszination, eine Giraffe oder einen Löwen aus der Nähe zu betrachten. Natürlich sind Zoos begrenzt, und das Leben der Tiere kann nicht dasselbe sein wie in ihren natürlichen Lebensräumen. Trotzdem sind sie für viele Menschen die einzige Möglichkeit, bestimmte Tiere live zu erleben. Der Besuch im Zoo berührt Menschen dabei anders als zum Beispiel eine Naturdoku.
Wichtig ist zudem, dass Zoos ihren Besuchenden ausführlich erklären, wie es den Tieren in der Natur geht, warum sie bedroht sind und was jeder Mensch dagegen tun kann. Vorausgesetzt die Haltungsbedingungen sind einwandfrei und die Zusammenhänge werden deutlich, können Zoos Besuchende anspornen, sich für die Natur einzusetzen. Für das, was man kennt und mag, macht man sich eher stark. Aus diesem Ansatz heraus kooperiert auch der WWF mit ausgewählten Zoos und wirbt so Mittel für den Artenschutz draußen in der Natur und gleichzeitig für eine gute Haltung in den Zoos ein.
Forschung im Zoo kommt wilden Verwandten oder anderen Arten zugute. Es können Methoden wie künstliche Befruchtung erprobt oder neue Techniken zur Besenderung entwickelt werden, um Tiere in der Natur zu untersuchen.
Drei Viertel der Ökosysteme an Land und zwei Drittel der Meeresökosysteme sind inzwischen erheblich beeinträchtigt oder zerstört. Um dem Artensterben beizukommen, müssen wir die natürlichen Flächen erhalten und wiederherstellen, die noch vorhandene Artenvielfalt bewahren, Übernutzung stoppen und Koexistenz von Menschen und Wildtieren erreichen. Als Rettungsanker für Tiere und Orte der Aktivierung für Menschen können wissenschaftlich geführte Zoos hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Für ein Verbot der Nachzuchtprogramme
Contra
Dr. Yvonne Würz, Biologin, Peta Deutschland
In den Zeiten des europäischen Kolonialismus wurden in Zoos Tiere und teilweise sogar Menschen aus aller Welt zur Schau gestellt. Durch skrupellose Fangaktionen wurde die Natur geplündert, die Zoos selbst trugen zum Artensterben erheblich bei.
Seit 1973 regelt das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) den internationalen Handel mit gefährdeten Arten und schränkt damit die ungehemmte Entführung von „Wildfängen“ für den Bedarf von Zoos etwas ein. Aufgrund dieser Regulierung entstanden sogenannte Erhaltungszuchten, bei denen Zoos untereinander Tiere austauschen und züchten. Die meisten in Zoos eingesperrten Tiere sind allerdings weder vom Aussterben bedroht, noch werden sie auf eine etwaige Auswilderung vorbereitet. Für die Verantwortlichen ist vor allem relevant, welche Tiere beim Publikum besonders beliebt sind, und nicht, welche Arten am stärksten bedroht sind. Bei vielen Tierarten wie Haien und anderen Fischarten tragen zoologische Einrichtungen durch die „Entnahme“ von Wildfängen weiterhin aktiv zur Dezimierung der Bestände bei.
Zuchtprogramme nur als letzter Ausweg
Laut einer aktuellen Veröffentlichung im Wissenschaftsmagazin „Science“ wurden seit 1950 nur zehn zuvor in der Wildnis ausgestorbene Tierarten wieder in ihrem ursprünglichen Lebensraum angesiedelt. Dem gegenüber stehen schätzungsweise 150 Tier- und Pflanzenarten, die Tag für Tag aussterben. Forscher und Forscherinnen der UC Berkeley kamen in einer Studie bereits vor Jahrzehnten zu dem Schluss, dass Zuchtprogramme nur als letzter Ausweg betrachtet werden sollten. Gründe dafür sind unter anderem, dass Populationen in Gefangenschaft oft auf eine „Auffrischung“ des Genpools durch Wildfänge angewiesen und Wiederansiedlungs-Erfolge gering sind. Viele Zoos profitieren von hohen Subventionen, die deutlich effektiver zum Arterhalt beitragen könnten, wenn sie in den Schutz natürlicher Lebensräume fließen würden.
Tiere sind Individuen mit Persönlichkeiten und können Leid, Schmerz, Freude und Trauer empfinden. Verantwortliche von Zoos nehmen Tierleid in Kauf, um Profit zu generieren. Die Einschränkung der natürlichen Verhaltensweisen und die Eintönigkeit in der Gefangenschaft machen viele Tiere psychisch und körperlich krank: Eisbären, Großkatzen und andere Beutegreifer laufen in Gefangenschaft rastlos auf und ab, Elefanten wippen mit ihren Köpfen hin und her, Primaten verzehren Kot sowie Erbrochenes und verstümmeln sich selbst. Diese und viele weitere Verhaltensstörungen werden oftmals mit der Gabe von Psychopharmaka vor der Öffentlichkeit „versteckt“.
Zu den Hauptursachen des Artensterbens gehören der Verlust des natürlichen Lebensraums sowie Konflikte mit Menschen oder Wilderei. Der Schlüssel zu erfolgreichem Arterhalt liegt in der Bewältigung dieser Ursachen, nicht in der Zucht und Haltung der Tiere in Käfigen und Gehegen. Da die kommerzielle Zurschaustellung von Tieren unzeitgemäß ist und Leid verursacht, fordert Peta ein Verbot der Nachzuchtprogramme, sodass Zoo-Haltungen mittelfristig auslaufen.