Schroffe Kalksteinfelsen, puderfeine Strände, türkisgrüne Lagunen: Die Insel Palawan ist ein Traumziel auf den Philippinen. Beim Island-Hopping faszinieren Seekühe und Schiffswracks, doch auch an Land gibt es viel zu entdecken.
Auch wenn einem Leib und Leben selbstverständlich lieb und teuer sind: Eine Reise in die Unterwelt darf man wagen. Allerdings nur in einer so paradiesisch schönen Umgebung wie hier auf Palawan, wo es noch einsame Strände gibt wie Sand am Meer und jeder seinen Lieblingsplatz an der Sonne finden kann. Für die Tour braucht es aber auch einen erfahrenen Fährmann, der einen sicher hinrudert. Und vor allem sicher wieder zurück: Auf dass man am Ende nicht versehentlich bei den Toten ankommt und ihnen auf ewig Gesellschaft leistet.
„Krokodile? Monster? Geister? Die Leute erzählen viel. Aber ich habe in all den Jahren, die ich hier paddle, noch nie welche gesehen. Nur unzählige Schwalben und Fledermäuse“, sagt Junjun Nitor, der am goldgelben Strand wartet, an dem das Bangka-Motorboot die Besucher abgesetzt hat. Er führt durch Mangroven und Regenwald, dann wartet in einer Lagune sein Kanu. Gegen die Strömung steuert er direkt auf eine Felswand zu und dann hinein ins Herz des Berges: Wie ein Höllenschlund liegt hier die Mündung eines unterirdischen Flusses.
Kilometerlanges Höhlensystem
Eine kühle Brise zieht über den Puerto Princesa Underground River – mehr als acht Kilometer ist er lang, das Höhlensystem selbst erstreckt sich über 24 Kilometer tief unter dem Mount Saint Paul. Taschenlampen schweifen über Tropfsteine, die als Stalaktiten wie ein Wald von Speeren von der Decke hängen oder als mächtige Säulen die Höhle zu tragen scheinen. Fährmann Junjun Nitor erklärt, weshalb die Unesco den Ort zum Welterbe ernannt hat. „Zwischen den Kalksteinfelsen über der Erde gibt es den artenreichsten Wald der Insel: Vögel wie der Palawan-Nashornvogel oder der Pfauenfasan kommen hier vor, dazu Raritäten wie das Schuppentier.“ Die Höhlen selbst sind so spektakulär wie die größten Bauwerke der Menschen. Erst paddelt man durch enge Passagen und kleine Kammern. Doch dann weichen auf einmal die Wände zurück und eine riesige unterirdische Halle tut sich auf – 120 Meter breit und 60 Meter hoch.
Lange hieß es, die Philippinen bestünden aus 7.107 Inseln. Als reiche das nicht, sind es nun – anscheinend hat wieder jemand offiziell gezählt – 7.641. Lange war das Reisen per Fähre hier unbequem und unsicher, nun haben Billigflieger das Land für den Tourismus erschlossen. Die alte Backpacker-Hochburg Boracay ist nun eine Party-Location und Sehnsuchtsziel vieler Asiaten, die den berühmten White Beach fluten. Im Kommen ist auch Panglao, die Schwesterinsel von Bohol: Dort erheben sich die imposanten Chocolate Hills, mehr als 1.250 Hügel, deren Gras sich in der Trockenzeit braun färbt. Surfer zieht es nach Siargao, Abenteurer nach Siquijor, und wer auf anmutig geformte Landschaften steht, wandert durch die Hunderte Meter hoch aufragenden Reisterrassen auf der Hauptinsel Luzon. Und es gibt – die Filipinos sprechen von „The Last Frontier“ – noch Palawan: Die Insel ist ein wildschönes Juwel im Südwesten, außerhalb des Taifungürtels und auch nicht auf dem vulkanischen Feuerkranz.
Spektakuläre Landschaften
Vom Südchinesischen Meer und der Sulusee eingerahmt, besteht die 400 Kilometer lange, aber nur 40 Kilometer breite Insel vor allem aus gebirgigem Dschungel. Rund um den Underground River bei der Provinzhauptstadt Puerto Princesa setzt man passend dazu auf sanften Tourismus. Bei Wanderungen kann man die Batak besuchen, einen Stamm von Halbnomaden, die in den Bergen leben und aus Bambusfasern die schönsten Körbe der Insel flechten. Auch für Romantiker ist gesorgt: Abends rudern einen Dorfbewohner durch die Mangroven entlang des Iwahig River. Weil keiner mehr illegal Holz einschlägt, tummeln sich im Geäst nun wieder Millionen von Glühwürmchen – es glitzert und blinkt, als stünde hier ein ganzer Wald geschmückter Christbäume.
Puerto Princesa ist der beste Ort, um eine Tour durch Palawan zu beginnen: Je weiter man nach Norden fährt, desto spektakulärer wird die Landschaft, desto schöner werden die Strände. Inzwischen ist die Straße geteert, doch für die 250 Kilometer bis nach El Nido braucht ein Minivan trotzdem noch fünf Stunden. Wer richtig viel Zeit hat, macht ein paar Abstecher: Port Barton an der Westküste und Roxas im Osten sind Fischerdörfer, in die sich nun auch Backpacker verirren. Von Taytay aus düsen alle jene, die mehr Geld ausgeben, per Speedboat zum Inselresort. Das Programm: Entspannen – und sich dann anschauen, welche kostbaren Schätze Pinctada maxima hier produziert. So heißt die Auster, die mit irrem Aufwand gehegt und gepflegt wird, um goldgelbe Perlen auszuspucken.
Klettern durch die Felshöhle
Wo die Straße aufhört, liegt El Nido. Während der Corona-Zwangspause war der Ort eine Geisterstadt, doch nun wirkt er wieder so lebendig wie früher. Morgen für Morgen schwärmen vom Strand die Ausflugsboote aus. Ob man nun Tour A, B, C, oder D wählt: Ziel sind immer unterschiedliche Inseln, und am besten lässt man keinen einzigen der Ausflüge aus. Denn im Bacuit-Archipel wachsen graue Kalksteinfelsen wie Pilze aus dem schimmernden Ozean. Big Lagoon und Small Lagoon heißen die großen Lagunen, die man per Kajak erreicht – in die Secret Lagoon schafft es dagegen nur, wer durch eine Felshöhle klettert. Auf Snake Island schlängelt sich eine lange Sandbank quer durch eine Bucht (lohnt sich nur bei Ebbe), auf Lagen Island wartet die Cudugnon Cave auf Entdecker. Wer dann relaxen will, legt sich an einem der Strände unter rauschende Kokospalmen, während die Crew den Fisch auf den Grill haut – und dann auch noch die Zeit findet, eine Wassermelone zu einem kleinen Kunstwerk zu schnitzen.
Wer in El Nido hängen bleibt, dürfte damit glücklich sein – und verpasst (pssst, bitte nicht allen weitersagen) doch das echte Highlight. Zwischen der Nordspitze Palawans und Mindoro, der nächsten großen Insel, liegt nämlich Coron. Dort gibt es bislang keinen Massentourismus, auch wenn die Investoren aus Manila schon in den Startlöchern stehen. „Die Region hat sich noch ihre Wildheit bewahrt“, meint Jörg Weih, dessen Vater hier vor Jahren das familiäre „Kokosnuss Garden Resort“ aufgebaut hat. Die charmant-umtriebige Managerin Alma nimmt Gäste sofort unter ihre Fittiche, fragt die Interessen ab, und hilft bei der Planung.
Wie in El Nido prägen auch hier in Coron die dramatischen Kalksteinfelsen das Bild. Zum Lieblingsplatz fast aller Besucher, dem Kanyangan Lake und den Twin Lagoons um die Ecke, fährt man am besten per Privattour früh am Morgen, wenn alle anderen noch frühstücken. So lässt es sich noch ganz allein im glasklaren Wasser schwimmen. Wie soll es die nächsten Tage weitergehen? Will man zum Sonnenuntergang auf einen Berg klettern? In heißen Quellen baden? Mit einer halbzahmen Seekuh schnorcheln gehen? Für eine Robinsonade mit Picknick zu einem der unzähligen Strände aufbrechen? Oder mit dem gemieteten Moped die Insel umrunden, um Giraffen und Zebras zu sehen? Kein Scherz: Die wurden dort einst von Diktator Marcos angesiedelt – angeblich, um Afrikas Tierwelt zu retten.
Tauchen zu alten Wracks
Alles, außer Langeweile: Wer eine Woche bleibt, hat längst nicht alles gesehen. Rund um Coron liegen außerdem die bekanntesten Tauchspots von Palawan. Freediver schwärmen vom glasklaren Wasser des Barracuda Lake, wo sich tatsächlich einige der Pfeilhechte aufhalten. Im Meer kann man nach Malabar-Schnappern, Mantarochen und Schwarzspitzen-Riffhaien Ausschau halten. Das Highlight sind aber einige Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg. „Zwei Orte auf der Welt sind berühmt für Wracks: Die Lagune von Truk in Mikronesien – und Coron“, sagt Günter Bernert, ausgewanderter Schwabe und Patron des D’Divers Dive Centre. Ein Dutzend japanische Schiffe, versenkt von den Amerikanern durch ein Geschwader von 120 Bombern und Jagdflugzeugen, warten darauf, entdeckt zu werden. Das Skeleton Wreck liegt direkt unter der Wasseroberfläche und ist damit auch was für Anfänger, bei anderen geht es richtig in die Tiefe. Und die Wracks sind riesig: Die „Okikawa Maru“, ein Öltanker, misst stolze 170 Meter.
Doch eigentlich muss man in Coron gar nicht mit großer Ausrüstung abtauchen: Schon Brille und Schnorchel reichen für eine Exkursion in die farbenprächtige Unterwasserwelt. Die Korallen sind hier noch nicht von der Bleiche betroffen. Schwarz-weiß-gelb gestreifte Halfterfische lassen ihre Flossen in der Strömung flattern wie Fahnen im Wind. Clownfische schmiegen sich an Seeanemonen. Ein Pfauen-Kaiserfisch leuchtet auf, wenn ihn ein Sonnenstrahl trifft. Doch einer am Riff stiehlt allen die Schau: Ein Papageifisch paradiert mit seiner knalligen Schminke in Türkisgrün, Azurblau und Purpurrot.