Laut einer Studie ist das Saarland nur Mittelmaß bei Standortfaktoren für Familienunternehmen. Wolfgang Herges, Landesvorsitzender der Familienunternehmer, kritisiert vor allem ausufernde Bürokratie und die mangelnde Unterstützung in den Kommunen.
Herr Herges, angesichts der aktuellen Situation, wie geht es der Herges Stahl- und Blechbau Gmbh derzeit?
Wir haben die letzten beiden Jahre gut überstanden, die Produktionsunternehmen wurden ja durch die Pandemie kaum in Mitleidenschaft gezogen. Andere Branchen wie Dienstleistungen oder Gastronomie waren schwerer betroffen. Es gab zwar im vergangenen Jahr extreme Preissteigerungen bei Stahl, doch die Preise haben sich mittlerweile beruhigt und sinken teilweise. In unserem kurzfristigen Projektgeschäft war auch dies bislang kein Problem. Dagegen hat die Baubranche derzeit ein Problem, viele Familien können sich die Baukosten wegen der Materialpreise, der Grundstückspreise und der schärferen Bauvorschriften nicht mehr leisten.
Trifft die Energiekrise auch Ihr Unternehmen?
Ich denke, wir alle müssen in Zukunft den Gürtel enger schnallen. Die Gaskrise betrifft uns nicht so stark, auch wenn wir Industriegase zum Schweißen nutzen. Doch wir spüren, auch diese Preise steigen. Unser Stromvertrag ist ja in diesem Jahr noch gültig, aber wir werden die Auswirkungen im nächsten Jahr spüren. Auf unserer Werkshalle sitzt eine große Photovoltaikanlage, die auch bald erweitert wird. Was toll wäre, ist ein starkstromfähiger Speicher für diese Energie, aber den gibt es noch nicht.
Dies sind kurz- bis mittelfristige Einflüsse. Eine Studie hat nun längerfristige Standortfaktoren wie Infrastruktur und Verwaltung in den einzelnen Bundesländern untersucht. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Wir haben im Land eine gute Infrastruktur aufgrund der Kleinheit des Bundeslandes. Die Wege sind kurz, und das gilt auch für die Wege zur Politik, insbesondere der Landespolitik. Wo es noch massiven Verbesserungsbedarf gibt, ist die Kommunikation mit den Kommunen. Das ist natürlich von Kommune zu Kommune unterschiedlich, hier in St. Ingbert haben wir eine unternehmerfreundliche Verwaltung. Ich höre jedoch von anderen Familienunternehmern oft Beschwerden über die langsame Verwaltung, insbesondere über manche Bauaufsicht im Land und hier vor allem beim Brandschutz. Jede Behörde hat hier ihre eigene Auslegung, das macht das Wachstum für manche Firmen extrem schwierig. Lothringen ist da vorbildlicher, dienstleistungsorientierter. Außerdem ist die Gewerbesteuerlast im Saarland im Bundesvergleich sehr hoch, ebenso die Grunderwerbssteuer. Insgesamt führt die Ausweitung der Bürokratie und der Dokumentationspflichten zu einem erheblichen Mehraufwand für die Unternehmerinnen und Unternehmer – aber natürlich auch für die Verwaltungen. Denn dies belastet kleine und mittelständische Betriebe sehr viel mehr als große Betriebe, da diese dafür mehr Mitarbeiter abstellen können.
Wie ist das in Ihrem Betrieb?
Da bleiben viele dieser Pflichten bei mir. Natürlich kann ich dazu einen Rechtsanwalt befragen. Aber wenn ich nicht weiß, welches die richtigen Fragen beispielsweise zu einem Arbeitsrechtsthema sind, wenn ich mich also nicht selbst auskenne, kann ich diese auch nicht stellen. Weniger Bürokratie, weniger Dokumentationen, das sind im Übrigen schon seit Jahren Anliegen der Familienunternehmer.
Finden die Unternehmen denn überhaupt genügend Nachfolger?
Da gibt es riesige Probleme. Viele wollen oder müssen irgendwann verkaufen, weil es keine Nachfolger gibt. Selbst die qualifiziertesten Menschen gehen dieses Risiko nicht ein, weil wir keine risikoaffine Gesellschaft sind. Erfolg ist aber mit Risiko verknüpft. Unternehmertum ist eine spannende Lebensart, die mit vielen Herausforderungen verbunden ist. Familienunternehmer sind in ihrer Region fest verwurzelt. Sie tun Entscheidendes für ihre Region. Wenn ein Arbeitnehmer mit einem Anliegen zum Chef kommt, hilft man ihm. Klar gibt es auch Meinungsverschiedenheiten, aber wir sagen: „Wir denken in Generationen, nicht in Quartalszahlen", also langfristig, und sichern so die Arbeitsplätze.
Wie gehen Sie denn mit dem täglichen Risiko um?
Ich bin jetzt 38 Jahre Unternehmer, das ist meine fünfte oder sechste Krise. Man wird gelassener. Ich leite das Unternehmen mit meinem Bruder, sodass wir uns gegenseitig unterstützen und inspirieren können. Wir diskutieren natürlich auch, denn ich sage: Wenn zwei Menschen einer Meinung sind, ist einer überflüssig. Und wir haben in jeder Krise für die Zukunft gelernt. Angst und Panik sind nie gute Ratgeber, sie lähmen nur, stattdessen versuchen wir, locker, aber wachsam und zuversichtlich zu bleiben. Und das geben wir auch an die Mitarbeiter weiter.
Ein Risiko: Fachkräfte. Finden Sie noch genügend?
Weil wir vor vielen Jahren zu viele Hauptschulabbrecher hatten, wurden die Anforderungen abgesenkt. Gleichzeitig sind die Anforderungen in der Wirtschaft gestiegen – nicht zuletzt durch die Digitalisierung. Ein Beispiel: In Zeiten meiner Ausbildung als Kaufmann lernten wir, Programmablaufpläne zu lesen und zu verstehen. Heute wird die Handhabung eines Programmes gelehrt, aber nicht mehr die dahinterstehende Logik. Ich bedaure das, denn die IT-Affinität junger Menschen ist ja zweifelsfrei vorhanden. Und diese gilt es herauszufordern. Wir haben hier im Unternehmen eine hohe Ausbildungsquote, bald sind es neun Auszubildende, alles Metallbauer. Egal ob jemand ein guter Schüler war oder nicht, wenn er ein guter Handwerker ist, unterstütze ich ihn, egal ob er ein Flüchtling, ein Migrant ist, die es manchmal in der Berufsschule wirklich schwer haben. Aber die Herausforderung bleibt, allein aufgrund des demografischen Wandels.
Müssen wir daher auch die Lebensarbeitszeit verlängern?
Wo es möglich ist, ja. Es gibt jedoch körperlich harte Berufe, in denen Menschen mit 70 Jahren nicht mehr arbeiten können. Aber uns muss bewusst sein, dass wir in der Regel länger und gesünder leben.