Dr. Sarah Plack aus Berlin, selbst Ärztin, hat sich nach einer Fehlgeburt mit ihrem Mann für eine Kinderwunschbehandlung entschieden. Ihre persönliche Kinderwunsch- und Schwangerschaftsreise hat sie dazu gebracht, diesem Thema heute auch hauptberuflich ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Ein Interview.
Frau Plack, wann entstand Ihr Kinderwunsch?
Mein Mann Markus und ich hatten schon sehr lange über Kinder gesprochen, das aber immer in der Zukunft gesehen. Im Januar 2020 waren wir dann auf dem Rückweg von einer Freundin, die gerade ihr erstes Kind bekommen hatte und haben uns gesagt: „Jetzt legen wir auch los.“ Damals dachten wir noch, dass es ganz einfach und schnell gehen würde.
Warum war eine Schwangerschaft auf „normalem“ Weg nicht möglich?
Ich bin tatsächlich im fünften Monat und „Übungszyklus“ – so nennt man das in der Kinderwunsch-Community oft – natürlich schwanger geworden. Allerdings endete diese Schwangerschaft in der neunten Woche mit einer frühen Fehlgeburt. Wir suchten relativ früh die Hilfe einer Kinderwunschklinik, da ich da so ein Gefühl hatte, dass etwas nicht stimmt. Dabei erfuhren wir dann, dass mein Mann leider zu wenige bewegliche, normalgeformte Spermien hat und die Wahrscheinlichkeit für eine natürliche Schwangerschaft eigentlich im niedrigen einstelligen Prozentbereich lag.
Wann und wie haben Sie sich dann für eine künstliche Befruchtung entschieden?
Die Entscheidung für die künstliche Befruchtung fiel eigentlich, nachdem wir den Befund in den Händen hatten. Wir sind da beide sehr wissenschaftlich dran gegangen: wenn die Chancen so gering sind, dann folgen wir der medizinischen Empfehlungslage – und die hieß in diesem Falle nun einmal ICSI – eine Form der künstlichen Befruchtung, bei der das Spermium direkt in die Eizelle injiziert wird. Wir mussten allerdings noch ein Kontrollspermiogramm mit sechs Wochen Abstand für die Krankenkasse machen. Tatsächlich bin ich dann vor Beginn der ersten ICSI entgegen jeder Wahrscheinlichkeit erneut schwanger geworden – aber auch diese Schwangerschaft endete in einer Fehlgeburt. Dann haben wir endgültig entschieden, es auch gar nicht mehr natürlich zu versuchen vor Start der Behandlung.
Wie genau sahen die Behandlungen aus?
Nach der zweiten Fehlgeburt sollten wir noch einen Monat Pause machen, danach habe ich ab dem dritten Zyklustag Hormone gespritzt, um viele Eizellen heranreifen zu lassen. Nach einigen Tagen kam dann noch eine zweite Spritze dazu, um den natürlichen Eisprung zu unterdrücken. Außerdem wurde das Wachstum der Eizellen mehrfach mit Ultraschall überprüft, bis genug Eizellen groß genug waren für die Punktion. Diese wird zeitlich ganz genau geplant. 36 Stunden vorher sollte ich eine dritte Spritze nutzen, damit die finale Eizellreifung eingeleitet wird, umgangssprachlich sagt man dazu oft „den Eisprung auslösen“. Und schließlich wurden dann unter Kurznarkose alle größeren Eizellen mit einer feinen Nadel punktiert. Mein Mann musste eine Spermaprobe abgeben und eine Biologin hat dann unter dem Mikroskop jede einzelne gewonnene Eizelle mit einem „gut aussehenden“ Spermium befruchtet.
Hat die künstliche Befruchtung auf Anhieb geklappt oder gab es mehrere Versuche?
Normalerweise hätte drei bis fünf Tage nach der Punktion der erste Embryotransfer stattgefunden. Allerdings lief unsere erste künstliche Befruchtung sehr schlecht und es konnten nur sechs Eizellen gewonnen werden – initial waren wir von zwölf bis 15 ausgegangen. Leider ließ sich von diesen sechs Eizellen nur eine erfolgreich befruchten – und dieser Embryo entwickelte sich ab Tag zwei nicht weiter. Tatsächlich haben wir am Ende drei Versuche gebraucht, bis ich schließlich mit meiner Tochter Luisa schwanger geworden bin.
Hatten Sie nach den Fehlgeburten zwischendurch überlegt, Ihren Kinderwunsch aufzugeben?
Tatsächlich haben wir nie daran gedacht, aufzugeben. Die Fehlgeburten haben mir emotional zwar extrem zugesetzt – allerdings haben sie meinen Wunsch nach einer Schwangerschaft und einem Kind eher verstärkt. Ich hatte irgendwann wirklich Angst, dass es niemals klappen würde, gerade nachdem die ersten zwei künstlichen Befruchtungen gescheitert waren. Aber auch aufgrund meines Mannes war der „Kampfeswille“ nie gebrochen.
Ist das Thema Kinderwunsch phasenweise zum Hauptthema und auch mal zur Belastung in Ihrer Beziehung geworden oder hat es Sie und Ihren Partner eher stärker zusammengeschweißt?
Für mich war in dieser Zeit der Kinderwunsch klar der Dreh- und Angelpunkt meines Lebens und auch meinem Mann war das Thema extrem wichtig. Unsere Beziehung hat allerdings tatsächlich nicht darunter gelitten – eher im Gegenteil. Wir haben das als gemeinsame Herausforderung gesehen, als ein „wir gegen die Unfruchtbarkeit“.
Was hat Ihnen in dieser Zeit Kraft gegeben?
Mein Mann war ganz klar mein Fels in der Brandung in dieser Zeit. Wann immer ich gezweifelt habe, dass wir es eines Tages schaffen, war er da und meinte: „Wir bekommen ein Kind. Irgendwann. Irgendwie. Aber wir schaffen das.“ Er war wirklich immer optimistisch, auch wenn ich es mal nicht war. Und eine zweite Sache, die mir sehr viel Kraft und Energie gegeben hat, war der Austausch mit der Kinderwunsch-Community. Zu Beginn in einem anonymen Forum, später dann auch offen über Instagram und Youtube. Das Gefühl, nicht alleine zu sein, war wahnsinnig unterstützend. Und auch zu sehen, dass ja immer wieder „eine von uns“ schwanger geworden ist, hat Mut gemacht!
Was war das für ein Gefühl, endlich das erste Mal Ihre Tochter in den Armen zu halten?
Auch wenn es plakativ klingt, aber es war einfach unbeschreiblich! Diese Liebe, die ich wirklich im allerersten Moment so intensiv gespürt habe, hat mich wirklich überwältigt. Ich hatte meine Schwangerschaft sehr aktiv genossen und fühlte mich auch vor der Geburt schon sehr mit meiner kleinen Tochter verbunden – aber der Moment, als sie das erste Mal auf meiner Brust lag, war unglaublich. Da wusste ich wirklich: „Wir haben es geschafft.“
Sie führen einen erfolgreichen Blog über Ihre Erfahrungen und zum Thema Kinderwunsch, inzwischen sogar hauptberuflich. Wie sind Sie auf die Idee gekommen und was ist die Intention des Blogs?
Meinen Blog und den dazu gehörenden Youtube-Kanal habe ich tatsächlich schon im Frühjahr 2020 gestartet. Damals dachte ich noch, ich würde ganz schnell schwanger werden und der Fokus des Babybauch-Blogs würde vor allem auf medizinisch korrektem Wissen zu gesunder Schwangerschaft liegen. Das kam dann zwar anders – aber mein Grundgedanke blieb der Gleiche: Es existieren sehr viele schlecht recherchierte oder sogar schlichtweg falsche Artikel und Berichte online zum weiblichen Zyklus, dem Kinderwunsch oder der Schwangerschaft. Und dann gibt es die Fachinformationen und Studien – diese allerdings sind für Laien kaum verständlich. Mit dem Babybauch-Blog möchte ich eine Brücke schlagen und diese wissenschaftlichen Informationen einfach verständlich machen.
Bekommen Sie viele Nachrichten von anderen Frauen und was schreiben Sie Ihnen?
Tatsächlich bekomme ich inzwischen auf Instagram so viele Nachrichten, dass ich es meist nicht schaffe, alle davon zu lesen. Das tut mir dann unglaublich leid – denn es sind oft sehr persönliche Geschichten von Frauen, die schon viel erlebt haben und Rat suchen. Allerdings darf ich natürlich auch gar keine ärztliche Beratung „mal eben über Instagram“ geben und tue das auch nicht. Manchmal kann ich einer Frau helfen, indem ich sie in die richtige Richtung stoße. Oder ihr zumindest Mut mache, sich Hilfe zu suchen. Oft bekomme ich auch Nachrichten von Frauen, die etwas auf meinem Blog gelesen oder im Podcast oder auf Youtube gehört haben und die sich dafür bedanken. Das sind dann wirklich unglaublich liebe Nachrichten und motivieren mich natürlich, weiter zusätzliche Artikel zu schreiben oder Videos aufzunehmen.
Finden Sie, dass Fehlgeburten und Kinderwunschbehandlungen immer noch Tabuthemen sind?
Ja, das sind ganz klar noch Tabuthemen. In letzter Zeit höre ich immer mal wieder, dass es inzwischen anders wäre. Aber sind wir mal ehrlich: Jede dritte Frau erlebt eine Fehlgeburt und jedes sechste Paar benötigt Hilfe beim Kinderwunsch. Kennen Sie wirklich so viele Personen, die offen über das eine oder andere davon sprechen? Ich nicht – und deswegen halte ich es weiter für ein Tabuthema. Insbesondere, wenn es mit dem Kinderwunsch nicht klappt und der Mann „Hauptverursacher“ ist, schweigen viele. Aber tatsächlich wird es besser – und mit jeder Person, die sich entscheidet, KEIN Geheimnis aus Fehlgeburt oder Kinderwunschbehandlung zu machen, wird das Thema noch ein wenig mehr aus der Tabuzone geholt. Vermutlich sollte man aber noch viel früher beginnen – die Information dazu, dass es oft gar nicht so einfach sein kann, schwanger zu werden, gehört ebenso in den Biologieunterricht in den Schulen wie Möglichkeiten zur Verhütung.
Was würden Sie aus Betroffenensicht sagen, welche Voraussetzungen man für Kinderwunschbehandlungen mitbringen muss – sollte man zum Beispiel psychisch sehr stabil und finanziell sehr gut situiert sein?
Aus meiner Sicht sollte man nicht zu viel Angst vor Kinderwunschbehandlungen haben. Oft findet man Berichte von verschiedensten Nebenwirkungen – ich kann aber aus meiner persönlichen Erfahrung sagen, dass ich selbst kaum Beschwerden hatte, selbst bei hochdosierter Stimulationsbehandlung nicht. Psychisch ist ein unerfüllter Kinderwunsch allerdings wirklich für die allermeisten Betroffenen extrem belastend – und das kann sich in einer Kinderwunschbehandlung noch verstärken. Allerdings gibt es auch hier gute Hilfsangebote, und das sollte nie ein Grund sein, keine Behandlung zu beginnen. Die komplizierteste „Voraussetzung“ ist allerdings tatsächlich die finanzielle Seite. Aktuell werden von der gesetzlichen Krankenkasse maximal drei Versuche übernommen – und auch meist nur zu maximal 50 Prozent. Bei Privatversicherten hängt es vom Tarif ab – von vollständiger Erstattung bis hin zu keiner Kostenübernahme ist alles möglich. In jedem Falle kommen aber finanzielle Belastungen auf das betroffene Paar zu. Und nicht selten handelt es sich um mehrere Tausend bis Zehntausende Euro.
Sie hatten mit der ebenfalls sehr erfolgreichen Bloggerin Anna Adamyan (früher Anna Wilken) letztes Jahr die Petition #KiwuFürAlle gestartet. Was hat es damit auf sich und hat sich dadurch etwas getan?
Anna und ich sind schon sehr lange dank Social Media in Kontakt und hatten im Oktober 2021 nahezu zeitgleich künstliche Befruchtungen. Anna musste ihre künstlichen Befruchtungen komplett selbst bezahlen, weil sie für die Krankenkasse noch „zu jung“ war zu Beginn – aber sie konnte es sich glücklicherweise leisten, auch wenn es viel Geld war. Mein Mann und ich sind privat versichert und haben „alle Bedingungen für eine Kostenübernahme“ erfüllt – wir hatten also wahnsinnig Glück. Durch unsere Communitys haben Anna und ich aber immer wieder mitbekommen, wie viele Frauen und Paare ihren Kinderwunsch schließlich rein aus finanziellen Gründen aufgeben mussten – weil sie sich die künstlichen Befruchtungen einfach nicht mehr leisten konnten. Das fanden wir einfach unglaublich unfair und es hat uns immer geschmerzt. Und dann haben wir beschlossen, dagegen etwas zu unternehmen und starteten diese Petition. Inzwischen hat die Petition über 100.000 Unterschriften bekommen und wurde in zahlreichen Medienberichten thematisiert. Leider schweigt sich die Politik komplett aus – all unsere Versuche, bisher mit Politikern und Politikerinnen in Kontakt zu kommen, sind im Sande verlaufen. Die Kinderwunsch-Community ist groß – aber sie ist so leise, dass die Politik sie komplett ignoriert.
Welche Tipps würden Sie anderen Betroffenen geben?
Ich würde allen Betroffenen raten, sich Hilfe zu suchen und nicht alleine zu bleiben. Einerseits medizinische Hilfe – aber vor allem auch emotionale durch andere Betroffene. Das kann auf Instagram sein, in einer Facebook-Gruppe, in einem Forum – oder auch offline in lokalen Gruppen für Frauen beziehungsweise Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Es ist sowieso bereits eine unglaubliche Herausforderung – aber das Wissen, nicht alleine zu sein, kann sehr viel Mut machen. Und letzten Endes kann ich nur von mir persönlich sagen: Es war den Kampf wert! Ich bereue es in keiner Minute, dass wir weiter gemacht haben. Dass wir für unser Wunschbaby gekämpft haben. Eines Tages, wenn sie und ihr kleines Geschwisterchen in meinem Bauch größer sind – ich bin aktuell erneut schwanger mit dem letzten Embryo aus der dritten künstlichen Befruchtung –, werden wir es den beiden erzählen. Und eines werden sie immer wissen: Ihre Eltern wollten sie unbedingt haben!