Um die Inflation zu stoppen, hob die Europäische Zentralbank in diesem Jahr die Zinsen rasch an. Die Folgen: Bauen wurde schnell immens teuer. Klassische Sparanlagen wie Tagesgeldkonten könnten wieder attraktiver werden – aber das wird noch dauern.
In der linken Ecke: die Inflation, derzeit bei etwa zehn Prozent in der EU, eine historische Geldentwertung. In der rechten Ecke: steigende Zinsen, die der Geldentwertung entgegentreten sollen. Die Folge: Die Inflation sank im November tatsächlich, wenn auch nur leicht. Ob es über die bereits getätigten Zinsschritte hinaus eine weitere Erhöhung geben wird, liegt in den Händen der Europäischen Zentralbank (EZB). Es könnte weitere geben. In der Eurozone hat die Inflation nach Einschätzung des Chefvolkswirtes der EZB, Philip Lane, ihren Höhepunkt wohl erreicht. Er sei einigermaßen zuversichtlich, dass sich die Teuerung in der Nähe ihres Zenits befinde, sagte Lane. Dennoch bleibt unsicher, wann genau sie ihren Höhepunkt erreicht – oder ob sie ihn bereits hinter sich hat.
Was bedeutet das für Sparer? Abwarten, leider. Im Augenblick zeigen sich moderat steigende Zinsen bei den Tagesgeldkonten. Derzeit liegt deren Rendite laut Stiftung Warentest bei etwa einem Prozent – ein schon deutliches Plus im Vergleich zum März 2022, als die Rendite nur knapp über Null lag. Der Aktienmarkt zeigt sich in den vergangenen Wochen ebenfalls unbeständig, weiterhin gilt das Motto „Ruhe bewahren“ für alle Anleger.
Die Devise heißt noch immer warten
Eine weitere Investition, die sich in den vergangenen Jahren kaum lohnte, waren Lebensversicherungen. Nun scheint deren Zinstalfahrt bis auf Weiteres beendet. Bis der Altersvorsorgeklassiker in der Breite wieder deutlich mehr abwirft, wird es, Branchenexperten zufolge, trotz gestiegener Zinsen am Kapitalmarkt aber noch eine Weile dauern. „Der Abwärtstrend bei der laufenden Verzinsung privater Rentenversicherungen dürfte vorbei sein“, erwartet Lars Heermann von der Rating-Agentur Assekurata. „Die Mehrheit der Lebensversicherer dürfte die laufende Verzinsung allerdings erst einmal stabil halten und abwarten.“
Altverträge werfen hier noch bis zu vier Prozent ab. Hinzu kommt die Überschussbeteiligung, die Lebensversicherer je nach Wirtschaftslage und Erfolg ihrer Anlagestrategie jedes Jahr für alle Verträge neu festsetzen. Die laufende Verzinsung bezieht sich nur auf den Sparanteil, nach Abzug unter anderem von Abschluss- und Verwaltungskosten.
Laut der „Wirtschaftswoche“ erwartet die Europäische Zentralbank auch in den kommenden beiden Jahren eine Inflation über der von ihr selbst gesetzten stabilen Zielmarke von zwei Prozent. Dies bedeutet, dass alle neuen Geldanlagen unterhalb einer Zwei-Prozent-Verzinsung in den kommenden beiden Jahren den Inflationsausgleich nicht schaffen. Es bleibt also die Frage, wie das Geld sicher über einen möglicherweisen mehrjährigen Zeitraum der Inflation gerettet werden kann.
Dies könnte mithilfe von Sachwerten geschehen. Aber: Das hierbei beliebte „Betongold“ erweist sich im Moment als stark verteuert. Die Baubranche war in den vergangenen Jahren im Höchsttempo unterwegs und ließ sich auch nicht von der Corona-Krise ausbremsen. Nun beginnt der Motor zu stottern. Steigende Zinsen und hohe Baukosten machen dem Gewerbe zu schaffen. Insbesondere im Wohnungsbau springen Auftraggeber und Investoren ab. Der ohnehin schleppende Neu- und Ausbau gerät weiter ins Stocken, für Wohnungssuchende bleibt die Lage vielerorts angespannt. Insbesondere die bisher gute Auftragslage trübt sich ein. Während der Bund viele Milliarden in die Infrastruktur investieren will, fehlt laut Zentralverband des deutschen Baugewerbes (ZDB) vor allem in den Kommunen oft das Geld für öffentliche Bauaufträge. Im Wohnungsbau springen Investoren ab, weil sich die Projekte angesichts der hohen Baukosten und steigender Zinsen nicht mehr rechne. Das gelte auch für private Bauherrinnen und Bauherren. „Wir sehen eben auch besonders viele Stornierungen“, sagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. „Üblicherweise haben wir bei den Stornierungen eine Quote von so ein, zwei Prozent“ – aktuell liege sie im zweistelligen Prozentbereich. Viele könnten auch aufgrund der steigenden Kreditzinsen bereits vertraglich vereinbarte Projekte nicht mehr finanzieren und kündigten daher.
Kritik an höheren Zinsen mehrt sich
Hohe Zinsen sollten eigentlich zu sinkenden Immobilienpreisen führen. Doch dieser Effekt wird durch die steigenden Baupreise weitgehend kompensiert. Zwischen Januar und August dieses Jahres haben sich laut ZDB die Preise für Wohnungsbauleistungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 16 Prozent erhöht.
Das Ziel der Bundesregierung, jährlich mindestens 400.000 neue Wohnungen zu bauen, um den Notstand auf dem bundesdeutschen Wohnungsmarkt zu beheben, rückt aus Sicht des ZDB in immer weitere Ferne. Für 2022 geht der Verband davon aus, dass rund 280.000 neue Wohnungen fertiggestellt werden. Für das kommende Jahr rechnet der ZDB mit 245.000 Fertigstellungen.
Die Bundesregierung will Fördermittel stärker auf die Sanierung und die Energieeffizienz von Gebäuden ausrichten. Gleichzeitig würden die Mittel für den Neubau aber stark zusammengestrichen, kritisieren die ZDB-Fachleute. Die Vorgaben für energetische Standards insbesondere beim sozialen Wohnungsbau seien zudem zu hoch.
Was also bleibt an Sachwerten? Aktien, ETF-Sparpläne, Kunst oder Edelmetalle. Dass diese jedoch letztlich über eine deutlich höhere Rendite verfügten, ist längst nicht sicher. Auch die Zeit, über die Geld angelegt werden soll, will überlegt sein. Geld über lediglich ein Jahr fest anzulegen, auch wenn der Zins etwas niedriger ausfällt als bei mehrjährigen Anlagen, könnte in der volatilen Lage eine Möglichkeit sein. Es gilt, das Risiko breit zu streuen und konservative Anlagen wie Tagesgeldkonten mit etwas riskanteren und damit renditestärkeren Anlagen wie Aktien oder ETFs und anderen Sachwerten zu kombinieren.
Wie die Zukunft aussieht, bestimmen die Notenbanken. Die US-Notenbank Fed hat jüngst ihre Zinsen moderat um 0,5 Prozentpunkte angehoben und liegt damit in einer Spanne von 4,25 bis 4,5 Prozent. Die Inflation in den USA hat sich leicht abgeschwächt, so auch in Europa. Dennoch erhöhte die EZB ebenfalls den Leitzins moderat um 0,5 Prozentpunkte. Er liegt nun bei 2,5 Prozent. Eine schlechte Nachricht für den Aktienmarkt, der auf Investitionen, auf Liquidität setzt. Die Kritik am ständig erhöhten Leitzins mehrt sich, denn höhere Zinsen fungieren gleichzeitig als Konjunkturbremse: Kredite für Investitionen werden teurer. Dies, gepaart mit den eher verhaltenen Wachstumsaussichten in den kommenden Monaten in der Eurozone – die Kommission selbst spricht von 0,3 Prozent – könnte ein Signal sein, den Leitzins nicht weiter zu erhöhen. Zum Leidwesen konservativer Sparer.