Das Dessert-Café „Puffle Bees" in Berlin-Mitte sieht sich als erstes Food-Lab der Hauptstadt. In der von asiatischen Trends inspirierten Experimentierküche von Jenny Diem My Nguyen werden unter anderem köstliche Croissants im Waffeleisen gebacken und Korean Egg-Drop-Sandwiches gemacht.
Noch liegt leidiges Wintergrau wie ein Gesichtsschleier über der Stadt, und die dunkle Jahreszeit zieht sich in die Länge, als würde sie niemals enden. Anderswo hat man kürzlich längst wieder versucht, die Geister des Winters mit illustren Karnevalsjecken und Faschingsumzügen zu vertreiben. Nicht so im preußischen Berlin. Dort heißt es tapfer durchhalten, bis das Frühjahr kommt. Wie gut, dass man dort selbst in der tiefsten Wintertristesse immer wieder neue Locations entdecken kann, in denen es sich in farbenfrohere Regionen träumen lässt. Und so finden wir uns alsbald im „Puffle Bees" wieder.
Unvermittelt fühlen wir uns in eine andere Welt versetzt – und sind gleich in besserer Laune. Es grünt so grün: Das ist der erste Eindruck, den unsere Sehzellen direkt an unser Gehirn weiterleiten. Die im Pflanzendesign gestaltete Tapete und etliche Kunstpflanzen geben dem Café etwas Entspannendes. Sehr viel grüner wird es an diesem Samstagmittag im „Puffle Bees" für uns nicht werden. Dafür umso bunter. So empfiehlt uns die Gründerin Jenny Diem My Nguyen gleich einen hausgemachten „Strawberry Butterfly Latte" mit Kokosmilch und Schmetterlingserbsentee (Butterfly Pea Tea).
Die beflügelnde Getränkesymphonie mit ihren drei Farbschichten ist ein wahrer Augenschmaus: Leuchtend rotes Erdbeerkonfit an der Basis, perlweiße Milch in der Mitte, und on top schwebt horizontgleich die irisierende Mélange aus Blau und Lila des Schmetterlingserbsentees. Der farbintensive Kräutertee, der auch Anchan genannt wird, ist in Südostasien seit Jahrhunderten verbreitet. Nur hierzulande ist er noch nicht so bekannt. Die Getränkekomposition macht auch gustatorisch einiges her: Der Latte schmeckt durch das Erdbeermus und die Kokosmilch fruchtig-aromatisch. Abgerundet wird das Ganze durch den Anteil des holzig-erdig schmeckenden Teeanteils. Pur getrunken würde ein Anchan-Tee eher wie ein Grüntee schmecken, selbst wenn seine ungewöhnliche Farbe eher ein süßes Aroma vermuten lässt.
„Food-Kultur in Korea schon ein Jahr voraus"
Tatsächlich hatte die Gründerin Jenny Diem My Nguyen, die die meisten einfach My (Mi ausgesprochen) nennen, in ihrem gastronomischen Konzept durchaus auch Experimentelles im Sinn. Nicht ohne Grund nennt sie ihr Café auch „erstes Food-Lab Berlins". Sie reist viel durch Asien und ist vor allem öfter in Korea. Ein Teil ihrer Verwandtschaft wohnt dort. „In Korea ist man mit der Food-Kultur viel weiter als hier, da ist man ein Jahr voraus", weiß die Geschäftsfrau nach mehreren Reisen und Begegnungen.
Auch Japan ist in ihren Augen der richtige Ort, um neuen kulinarischen Trends auf die Spur zu kommen. Zu der Reise- und Experimentierlust der in Magdeburg aufgewachsenen Kaffeehausbesitzerin kommt auch eine gehörige Portion Sprachtalent. Als Tochter vietnamesischer Eltern spricht My außer Deutsch und Vietnamesisch auch fließend Englisch und Französisch sowie etwas Koreanisch und Chinesisch.
Unterstützt wird My von ihrer jüngeren Schwester Huyen My Nguyen. Diese ist noch Studentin und gehört zu den Namensgeberinnen des „Puffle Bees", dessen geflügelter Name eher als Metapher zu verstehen ist. „Unseren anderen Geschwistern ist in der Schule immer alles zugefallen, aber wir mussten sehr viel lernen. Deshalb hat unsere Mutter uns immer als fleißige Bienen bezeichnet", erklärt sie im Gespräch und erzählt, dass ihre Schwester und sie auch hier die emsigen Bienen sein wollten – die Puffle Bees. Dann berichtet sie von dem Spruch, der in ihrer Familie oft kursiert: „Ohne Fleiß kein Reis". Es ist anzunehmen, dass dieser Sprachwitz auch das Arbeitsethos der 26-Jährigen charakterisiert. Bevor Jenny Diem My Nguyen ihr Café vor etwa einem Jahr eröffnet hat, studierte sie internationales Management. Später arbeitete sie teilweise in Doppelschichten: zuerst als Kellnerin und im Anschluss als Restaurantmanagerin. Ihr Antrieb war, viel zu lernen und Geld für das „Puffle Bees" anzusparen. Mitten in der Coronazeit eröffnete sie das „Puffle Bees" zunächst als Pop-up-Café, das damals nur halb so groß wie jetzt war, weil sie sich die Fläche mit einem Blumengeschäft teilte. Der „To go"-Betrieb kam während der Lockdowns gut bei den Berlinern an. Seit mehr als einem Jahr gibt es regulären Café-Betrieb.
An diesem Wochenende hört man unter den Gästen des Dessert-Cafés das Berlin-übliche babylonische Stimmengewirr aus Deutsch, Englisch und mindestens einer weiteren Sprache. Einige der Gäste haben es sich auf einem der beiden Sofas bequem gemacht. Etwas Zeit und Muße braucht man, wenn man die ansehnlichen Köstlichkeiten auch gustatorisch kennenlernen möchte. Zunächst wären da die sagenhaft leckeren Croffles, mitunter auch Croiffles geschrieben. Das neue Gebäck ist eine Fusion aus Croissants und Waffeln (englisch: waffle). Die kulinarischen Zwitterwesen bestehen aus Blätterteig, der im Waffeleisen gebacken wird. In der süßen Variante wird die ungewöhnliche Waffel noch karamellisiert, in der herzhaften nicht. Wir entscheiden uns für die zuckersüße Version.
Die „White Choc Pistachio Croissant"-Waffel hat ein Topping mit cremiger Schlagsahne, durchdrungen von weißer belgischer Flüssigschokolade und weißen Schokoladensplittern, verfeinert mit gerösteten Pistazien. Was beim Naschen der Croiffle überrascht, ist vor allem ihre Textur: außen kross und knusprig und dabei karamellig-zuckrig wie eine Lütticher Waffel, aber innen luftig-fluffig wie ein Croissant. Kein Wunder, dass diese Croissant-Waffeln zum neuen K-Food zählen und in den Cafés von Busan bis Seoul weggehen wie anderswo frische Semmeln. Unseren Recherchen zufolge sollen die allerersten Croiffles allerdings erstmals in einem New Yorker Pop-up-Café verkauft worden sein, bevor sie nach Korea kamen und dort zum lukullischen Hybridfood-Hype wurden.
Naschkatzen und -kater können die Croissant-Waffeln im „Puffle Bees" auch pur und ohne weiteres Chichi genießen. Oder doch mit Topping? Wie wäre es in der Smores-Variante mit einer Ganache aus belgischer Zartbitterschokolade und Mini-Marshmallows sowie Leibniz-Keks? Oder in der Salted-Peanut-Butter-Banana-Version mit cremiger Erdnussbutterschlagsahne, hausgemachtem Nusskrokant und karamellisierter Banane? Oder, oder, oder. Die Liste ist lang und umfasst auch herzhafte Variationen. Die Savouries warten zum Beispiel auf mit scharf-pikanter Chorizo oder türkischer Sucuk-Salami und geschmolzenem Mozzarella. Wer es eher meerig auf dem eigenen Gaumen mag, wählt die Variante Smoked Salmon & Cream Cheese mit Lachs und Kräuterfrischkäse.
Wir aber kosten erst einmal einen weiteren K-Food-Trend und probieren ein Korean-Egg-Drop-Sandwich. Mys Schwester Huyen serviert uns hierfür ein Crunchy-Chicken-Sandwich und erklärt auf Nachfrage, dass die genaue Zubereitung des „Egg-Drop"-Rühreis ein Geheimnis sei. Nun gut, wir wollen nicht insistieren und schicken das Sandwich zur Begutachtung in die Geschmacksknospen-Zentrale. Die gibt grünes Licht. Das süßliche, frisch getoastete Brioche bildet einen köstlichen Kontrast zu dem salzig-aromatischen geschmolzenen Chester-Cheddar-Käse und fusioniert mit saftig-flüssigem Rührei. Dazwischen noch knuspriges Hühnerfleisch im japanischen Panko-Mantel … mmh.
Keine Kompromisse: Earl Grey Lavendel mag man oder eben nicht
Am Schluss wollen wir uns noch mit einem warmen Getränk stärken, bevor es wieder hinausgeht in das kaltgraue Berlin außerhalb des „Puffle Bees"-Schlaraffenlandes. Bienenkönigin My fragt, ob wir Lavendel mögen, und als wir bejahen, schlägt sie uns einen Earl Grey Lavendel vor. „Entweder mag man ihn oder man mag ihn nicht", sagt sie halb warnend.
Nur wenige Minuten später ist es um uns geschehen: Es ist gleich Liebe auf den ersten Schluck. Die blumig-aromatische Kreation aus schwarzem Earl-Grey-Tee, Milch und hausgemachtem Lavendelsirup bezirzt und bezaubert uns und hebt uns auf einen fliegenden Teppich in Richtung Nirwana. Uns ist, als umspülte kein Schwarztee unsere Gaumen, sondern ein tiefenentspannender Wellness-Urlaub. Fantastisch. Ob wir vielleicht nicht doch noch ein bisschen bleiben sollten?