Der Berliner Regionalligist beendet mit dem neuen Trainer seine Negativserie – erleidet dann aber wieder einen Rückschlag.

Özer Hurmaci hatte den ersten Sieg im Jahr 2025 buchstäblich „herbeigeredet“, wenn nicht gar von seiner Mannschaft erzwungen. Infolge der zweiten knappen Niederlage nach seinem Amtsantritt im März, einem 0:1 in Zwickau, erklärte der neue Trainer von Viktoria Berlin jedenfalls am Mikrofon von „Ostsport.tv“: „Während man sich weiterentwickelt, kann man trotzdem gewinnen – das weiß ich und deswegen müssen wir jetzt damit anfangen, sonst kann man keine Siegermentalität bekommen. Es müssen wieder Siege her, und das muss jetzt am Wochenende gegen Plauen kommen.“
Motivation weiter hochhalten

Die 0:3-Heimniederlage gegen einen anderen Aufsteiger, den FC Eilenburg, hatte Anfang März die einvernehmliche Trennung von Trainer Lucio Geral nach sich gezogen, der selbst erst im September 2024 vom Posten des Assistenten aufgerückt war – mit Hurmaci konnten Viktorias Verantwortliche dann schnell einen Nachfolger präsentieren. Das Spiel gegen den VFC Plauen wurde vom neuen Coach dann also selbst zum Wegweiser für die Restsaison der Berliner deklariert – in den „Kellergipfel“ ging man dabei mit der einigermaßen verheerenden Vorgeschichte von einem Punkt aus den letzten acht Begegnungen. Alles andere als eine Statistik, die eine breite Brust in dem immens wichtigen Spiel versprach – doch man überstand dann gegen die Vogtländer die eine oder andere knifflige Situation in der ersten Halbzeit, um dann in der zweiten Hälfte zuzuschlagen. Nach einem Pass in die Tiefe überrumpelte Flügelspieler Julien Damelang die gegnerische Deckung mit einem atemberaubenden Antritt und traf aus spitzem Winkel ins lange Eck zum 1:0. Der VFC, selbst seit Anfang November ohne Sieg, wirkte nun verunsichert, was Viktoria nur sieben Minuten später dank einer starken Einzelleistung von Enes Küc zum 2:0 nutzte – damit war der so wichtige Dreier unter Dach und Fach.

Doch der neue Coach versuchte nach Abpfiff bereits, die Motivation weiter hochzuhalten: „Das Selbstbewusstsein muss wieder zurück – deswegen arbeite ich mit den Spielern im Moment weniger taktisch als vielmehr psychisch, damit sie wieder an sich glauben“, so Özer Hurmaci. Denn: „Sie haben Qualität und Potenzial – und wenn man zusammenspielt kann man jeden Gegner schlagen.“ Diese „Motivationsansprache“ war dabei sicher schon mit dem Blick auf das kommende Duell gerichtet, wo es im Heimspiel gegen den Tabellenvierten FC Carl Zeiss Jena ging. Dort geriet Viktoria dann allerdings bereits nach 30 Sekunden in Rückstand und musste in der Folge erst einige kritische Situationen auch dank des unter Hurmaci zur neuen Nummer eins avancierten Dmytro Karika überstehen. Ein zugegebenermaßen strittiger Foulelfmeter, den Küc nach einer halben Stunde zum Ausgleich nutzte, half den Himmelblauen dann endgültig ins Spiel – mit diesem Rückenwind sollte sogar noch vor der Pause das Führungstor gelingen. Winterzugang Noah Jones erzielte dabei nicht nur seinen ersten Treffer für Viktoria – er behielt auch die Übersicht, nachdem er Jenas Torwart bereits überspielt hatte, aber keine optimale Abschlussposition vorfand. So ließ er den grätschenden Gegenspieler mit einem Haken ins Leere laufen und traf platziert in die linke untere Ecke. Doch in Zusammenhang mit dem Jenaer 2:2-Ausgleich nach dem Wechsel mussten die Lichterfelder gleich mehrere Nackenschläge hinnehmen: Durch das Foul von Sidney Sylla, das zum Strafstoß führte, musste nicht nur der Mittelfeldspieler mit Gelb-Rot vom Platz – sondern kurz darauf auch Trainer Hurmaci. Der in seinem emotionalen Auftreten ein wenig an Diego Simeone von Atlético Madrid erinnernde Coach konnte sich nicht darüber beruhigen, dass unmittelbar zuvor im Angriff seines Teams einem gegnerischen Verteidiger ein Handspiel im eigenen Strafraum unterlaufen war. Nun war also guter Rat teuer in der Schlussphase mit einem Spieler weniger und dem Trainer auf der Balustrade – die allerdings die intensive Kommunikation mit „Co“ Sven Körner, der schon unter Lucio Geral assistierte, nicht verhindern konnte. So rieben sich die Beobachter die Augen, denn Viktoria suchte weiter sein Heil im Mitspielen – und wurde dafür belohnt. Verteidiger Ivan Yermachkov verkörperte dabei sinnbildlich die breite Brust der Spieler, als er mit eben jenem Körperteil eine Ecke zur erneuten Führung im Tor der Jenaer unterbrachte. Und als Sergey Dikarev einen Ausrutscher seines Gegenspielers eiskalt zum 4:2 nutzte, war die Überraschung perfekt: Viktoria verbuchte den zweiten Dreier in Folge.
Unbeschriebenes Blatt

Dabei ist der 38-jährige Hurmaci noch ein unbeschriebenes Blatt im Traineramt. Geboren in Kassel und dort auch fußballerisch aufgewachsen, hat er es allerdings als Profi im Erwachsenenbereich zu einer beachtlichen Karriere in der Türkei gebracht. So spielte er unter anderem bei den Süper-Lig-Clubs Ankaraspor (120 Einsätze), Trabzonspor (75) sowie Fenerbahce (74) und absolvierte sogar zwei Einsätze für die Nationalmannschaft im Oktober 2010 – dabei stand er im EM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland in Berlin über die volle Distanz auf dem Rasen, musste allerdings mit der Türkei eine 0:3-Niederlage hinnehmen. Zum Ende seiner aktiven Karriere wurde er 2023 für kurze Zeit beim heutigen Zweitligisten Bursaspor in Personalunion Spielertrainer sowie Leiter der Fußballabteilung – mehr Erfahrung an der Seitenlinie ist nicht überliefert. So kann auch Hurmaci als neuer Übungsleiter, der den Klassenerhalt bewerkstelligen soll, keine Wunder vollbringen. Schließlich muss er auch mit den für Viktoria typischen Umständen leben: was etwa bedeutet, mit dem zweitjüngsten Kader der Regionalliga Nordost zu arbeiten. So gab es nach den beiden Siegen auch wieder einen Rückschlag, als die Hauptstädter vergangene Woche im Nachholspiel beim FSV Luckenwalde mit 0:1 unterlagen. In letzter Minute verursachte dabei Jan Lippegaus einen Foulelfmeter, nachdem weder er noch Teamkollege Gia Huy Phong den Ball zuvor resolut geklärt hatten. „90. Minute: Wir spielen ein, zwei kleine Pässe im Sechzehner, statt den Ball einfach zu löschen – da merkt man schon, dass wir noch unerfahren sind“, fasste Co-Trainer Sven Körner anschließend die Ernüchterung in Worte. Chefcoach Özer Hurmaci blieb die Aufgabe der Nachbetrachtung dabei erspart – wegen der Ampelkarte aus dem Jena-Spiel durfte er schließlich rund um die Partie nicht aktiv in Erscheinung treten.