Nach dem Saisonende wird bei Hertha BSC an der Neuausrichtung in Kader und Führungsebene gearbeitet. Mit dem elften Tabellenplatz blieb der Club aus der Hauptstadt weit hinter den eigenen Erwartungen.

Die Sommerpause im Profifußball bietet Aktiven Gelegenheit, mal etwa vier Wochen abzuschalten und den Kopf freizubekommen – zumeist werden diese Tage für entsprechende Urlaube genutzt, die die Akkus wieder aufladen sollen. Derweil treibt die Freizeit aber auch mal ungewohnte Blüten, wie etwa zwei Spieler von Hertha BSC vergangene Woche bewiesen. „Die Basis ist unter anderem weiches Sandelholz und Vanille, in der Herznote Tonka, Karamell, Zimt, und in der Kopfnote sind Kirsche, Marshmallow und Orangenblüte“, wurde Linus Gechter in der „B.Z.“ zitiert – der 21-Jährige beschrieb damit das Parfüm, das er gemeinsam mit seinem Mannschaftskollegen Marten Winkler auf den Markt gebracht hatte. Eine Aktivität, die man im Kader eigentlich eher einem Trendsetter wie Fabian Reese zugetraut hätte – doch vielleicht hat der 27-Jährige ja den Anstoß für seine Teamkameraden geliefert.
Mitgliederversammlung verlief harmonisch
Inspiration ist derzeit aber vor allem in der Führungsebene des Berliner Zweitligisten gefragt – schließlich gilt es, einen Kader für die neue Saison auf die Beine zu stellen, der es Trainer Stefan Leitl ermöglicht, eine ambitioniertere Runde im Vergleich zur vergangenen zu spielen, in der er der „Alten Dame“ quasi als Feuerwehrmann erst zum sicheren Klassenerhalt verhelfen musste. Die gezeigten Ansätze stimmten dabei durchaus positiv, sodass auch die Mitgliederversammlung am 25. Mai in weiten Teilen harmonisch verlief. Dabei gab Präsident Fabian Drescher schon einmal die Zielsetzung mit einem kritischen Blick auf die vergangene Saison vor: „Unser Anspruch darf nicht Platz elf in der 2. Bundesliga sein.“
Auch Sportdirektor Benjamin Weber, einer der beiden verbliebenen Hertha-Funktionäre auf der unmittelbaren Kommandoebene nach den Abgängen von CEO Thomas Herrich sowie Andreas „Zecke“ Neuendorf (Leiter Akademie und Lizenzspielerbereich), nahm etwaigen Kritikern im Auditorium gleich den Wind aus den Segeln: „Die Saison war enttäuschend, wir hatten uns das alle anders vorgestellt“, erläuterte der Sportdirektor ohne Umschweife. Allerdings schaffte Weber auch die auf derartigen Versammlungen nicht unübliche Wendung hin zu einem selbstbewussten Ausblick: „Die Ambition ist es, in der nächsten Saison um den Aufstieg mitzuspielen.“

Allerdings war dieser Anspruch auch schon vor der abgelaufenen Saison formuliert und dann deutlich verfehlt worden. Doch die – wie erwähnt – sich größtenteils verbessernden Auftritte zum Ende der Spielzeit 2024/25 unter dem neuen Trainer sorgen dafür, dass anders als vor einem Jahr keine Reise ins Ungewisse droht, sondern auf einem soliden Fundament sportliche Verbesserung erwartbar erscheint. Ob diese am Ende für einen der ganz vorderen Plätze reicht, wird auch die Konkurrenz bestimmen, die 2025/26 im Unterhaus – nach den Aufstiegen des 1. FC Köln und des Hamburger SV – aber nicht ganz so mächtig erscheint wie zuvor.
Doch weiterhin beschäftigen auch die Finanzen den Verein und bestimmen damit die Politik auf dem Spielermarkt. So waren Ibrahim Maza, Derry Scherhant und Jonjoe Kenny nicht zu halten – gemeinsam mit dem ebenfalls scheidenden Florian Niederlechner war das Quartett 2024/25 immerhin für knapp 70 Prozent aller Torbeteiligungen (Treffer oder Vorlagen) bei Hertha BSC verantwortlich, wie die „Bild“ vorrechnete. Das Internetportal konstatierte aktuell ein „riesiges Torvakuum“, das angesichts eben jener Finanzschwäche schwer adäquat zu füllen sein werde.
Denn auch zuverlässige Zweitligastürmer wie zuletzt ein Davie Selke (HSV, 22 Tore) dürften für Hertha BSC weiterhin kaum finanzierbar sein – schließlich belasten Einschränkungen wie ein vom DFB geforderter Transferüberschuss in zweistelliger Millionenhöhe sowie die im Herbst anstehende Rückzahlung einer 40-Millionen-Anleihe die Planungen zusätzlich. So soll zwar außer dem bereits verpflichteten Drittliga-Torjäger Sebastian Grönning (28 – 2024/25: 17 Tore) noch ein gestandener Angreifer kommen, dessen Finanzierung ist jedoch längst nicht gesichert.

Ein richtiger Ansatz scheint aber generell die neue Präferenz zu sein, bei Verpflichtungen darauf zu achten, dass die Spieler die Liga mit ihren speziellen Anforderungen möglichst schon kennen. In dieses Schema passen die bereits unter Vertrag genommenen Leon Jensen (28, Karlsruher SC, Mittelfeld) und Niklas Kolbe (28, SSV Ulm, Abwehr) – ebenso wie die Verlängerungen mit vier Spielern, die eine gute Saison 2024/25 absolviert haben und damit das Gerüst für eine bessere Gesamtperformance in der kommenden Spielzeit bilden sollen.
Positive Ansätze unter Coach Leitl
Dazu zählt allen voran natürlich Fabian Reese, der notfalls auch 2025/26 wieder als Torjäger einspringen müsste, sollte man auf dem Markt keinen bezahlbaren Kandidaten finden. Stefan Leitl hatte seinem „Lieblingsschüler“ diese Umschulung gegen Ende der vergangenen Saison schmackhaft gemacht – mit entsprechendem Erfolg (zehn Tore in den letzten zehn Spielen). Auch Kapitän Toni Leistner (34), der noch ein Jahr aktiv sein und wieder als Abwehrstabilisator auftreten will sowie Michael Cuisance (25), dem nach dem Abgang von Maza eine zentralere Rolle im Spiel zukommen dürfte, gehören zu diesem Quartett.
Dazu kommt mit Deyovaisio Zeefuik (27) noch ein nimmermüder Kämpfer, der obendrein wertvoll durch seine vielseitige Verwendbarkeit ist. Die genannten Spieler gehören dabei auch zu den routinierteren Profis im Kader – ebenso wie Diego Demme (33), von dem man sich nach einer von Ausfällen geprägten Saison noch einmal mehr Impulse erhofft.
Mehr Zeit als bei der Kaderplanung will man sich hingegen mit der Neubesetzung des Geschäftsführerpostens lassen – nach den ersten, letztlich erfolglosen Verhandlungen mit Kandidaten wie Jonas Boldt (ehemals HSV), Rachid Azzouzi (vormals Greuther Fürth) oder Alexander Rosen (Ex-Hoffenheim). „Wir im Präsidium haben uns entschieden, einen strukturierten, professionellen und zukunftsorientierten Auswahlprozess für die Nachfolge aufzusetzen“, gab Präsident Drescher bei der Mitgliederversammlung bekannt, „und lassen uns bei der Entscheidung nicht treiben.“
Bis die Kandidatenkür vollendet ist, soll Ralf Huschen die Aufgaben von Herrich übernehmen – der 46-Jährige spielt ohnehin nicht erst seit heute in seiner Position als Finanzvorstand eine zentrale Rolle bei Hertha BSC.