Die 2. Bundesliga zieht gefühlt mehr Menschen in den Bann als die Bundesliga. Zum einen wegen der Traditionsvereine – zum anderen, weil immer etwas los ist.

Es ist ein Lob aus berufenem Munde: „Ich könnte über die Bundesliga gar nicht so viel reden wie über die Zweite Liga. Und wenn ich rausgehe in Kneipen und Restaurants, sprechen die Leute fast alle nur über die Zweite Liga, nicht über die Erste Liga“, sagte der langjährige Trainer Friedhelm Funkel über die große Attraktivität des Unterhauses. „Ich gucke mir die Top-Vereine der Bundesliga schon an. Aber ja: Ich schalte lieber bei Kaiserslautern gegen Köln ein als zum Beispiel bei Heidenheim gegen Augsburg.“
Dass so viele Traditionsvereine in der 2. Bundesliga angesiedelt sind, ist in der Regel eine Konsequenz wirtschaftlicher und sportlicher Fehltritte. Dennoch genießen die Vereine aufgrund ihrer Historie eine Strahlkraft, die vielen Bundesligisten fehlt. Das macht die Zweite Liga zur heimlichen Attraktion des deutschen Fußballs – und Geschichten liefert sie auch. FORUM blickt auf die Turbulenzen in zwei Vereinen zum Jahreswechsel zurück.
Hannover 96

Zwei Kalenderjahre ohne Trainerwechsel sind selten vorgekommen in der jüngeren Geschichte von Hannover 96, und bevor dieser penibel erarbeitete Ruf noch leidet, entledigte sich der Zweitligist aus Niedersachsen kurz vor dem Jahreswechsel noch schnell ein weiteres Mal seines Chefcoachs. Stefan Leitl musste gehen. So saß am zweiten Tag des Jahres 2025 plötzlich André Breitenreiter, 51, auf dem Podium am Maschsee. Trainer kommen, Trainer gehen, gerade in Hannover. Breitenreiter weiß das gut. Der gebürtige Hannoveraner, der im Stadtteil Altwarmbüchen wohnt, war schon mal Coach bei 96 – und sogar der bisher letzte Übungsleiter, der mit dem Club einen Aufstieg geschafft hat. Das war 2017, Breitenreiter kam im März und verlor bis zum Bundesliga-Aufstieg kein Spiel mehr. Nach anderthalb weiteren Jahren und einem 1:5 bei Borussia Dortmund war er seinen Job allerdings wieder los. Trotzdem fühle sich der Schritt nun wie „ein Nachhause Kommen“ an, sagte Breitenreiter bei seiner Vorstellung: „Jeder weiß um meine besondere Verbindung zu Hannover 96.“ Sein altes Stadion, die alten Wege, „so viele bekannte Gesichter“ – Breitenreiter lächelte viel bei seiner offiziellen Präsentation. Hinzu kam das Lob von den alten und neuen Vorgesetzten: „Ihn zeichnet diese Überzeugung aus, etwas gewinnen zu können“, sagte etwa Sportchef Marcus Mann. Auch Breitenreiter sagte dann Sätze, die alle hören wollten. „2017 ist komplett anders als heute. Das Gleiche ist das Ziel: Wir wollen aufsteigen“, erklärte der neue Trainer.
Sportchef Mann übte früh Kritik an Leitl
Dabei waren Breitenreiters jüngste Engagements in Hoffenheim und beim englischen Zweitligisten Huddersfield weniger erfolgreich. Für ihn ist Hannover eine Chance, wieder im deutschen Fußball Fuß zu fassen – am besten mit der Rückkehr in die Bundesliga. Für seinen Vorgänger Leitl, 47, musste sich die Demission kurz vor Silvester hingegen wie ein schlechter Scherz anfühlen, wobei: Auch er hatte bereits eine Ahnung davon, wie gespannt der Geduldsfaden in Hannover manchmal ist. Um vom Image des Hire-and-fire-Vereins wegzukommen, hatte der damalige Profiabteilungschef Martin Kind für Leitl ursprünglich einen Dreijahresplan ersonnen: zwei Jahre Aufbau, im dritten Jahr dann die Rückkehr in die Bundesliga, so die Theorie. Gemessen daran lag Leitl im Soll: Er hatte das Team verjüngt, eine Durchlässigkeit vom Nachwuchs zu den Profis geschafft – und lag aktuell auf Platz sieben in der extrem engen Weihnachtstabelle, nur zwei Punkte hinter Platz zwei. Der Aufstieg war in dieser wilden Zweitligasaison zwar keinesfalls sicher, ist aber ausdrücklich noch möglich. Doch die Zweifel an Leitl gärten seit einiger Zeit im Verein, spätestens seit der Erstrundenpleite im DFB-Pokal beim Drittligisten Arminia Bielefeld. Aus dieser Zeit im August stammt das bekannte Zitat von Sportchef Mann, der den Sport, den Leitl in Hannover praktizieren ließ, als „Schlafwagenfußball“ bezeichnete. 96 stand zwar defensiv in dieser Saison solide, fuhr im eigenen Stadion auch verlässlich seine Punkte ein. Im Sturm haperte es aber mitunter gewaltig. Hinzu kam eine ausgemachte Auswärtsschwäche, nur ein Sieg gelang in der Hinrunde auf fremdem Rasen. Am schwersten wog sicher die 0:2-Derbyniederlage im Oktober beim verhassten Nachbarn aus Braunschweig. Der Glaube an einen erfolgreichen Weg mit Leitl sei „nicht mehr vorbehaltlos vorhanden gewesen“, sagte Sportdirektor Mann deshalb – und startet mit André Breitenreiter einen neuen Versuch.

SC Paderborn
Nach 15 Spieltagen stand der SC Paderborn an der Tabellenspitze der 2. Bundesliga. Nach nur einem weiteren Punkt in den folgenden beiden Partien ist es Platz sechs zum Hinrundenabschluss. Der Rückstand auf einen direkten Aufstiegsplatz beträgt lediglich einen Punkt. Damit liegen die Ostwestfalen, die vor der Saison nicht zu den heißesten Aufstiegsanwärtern gezählt wurden, voll im Soll – sollte man meinen. Ganz anders sah das nämlich Lukas Kwasniok. Der Trainer holte auf der Pressekonferenz nach der 1:2-Niederlage gegen den Karlsruher SC am letzten Spieltag im Jahr 2024 zu einem „Rundumschlag“ aus, wie er es selbst bezeichnete. Der 43-Jährige ging auf eine für einen Profi-Trainer ungewohnt scharfe Art seine eigenen Spieler in aller Öffentlichkeit an. Zunächst hielt sich Kwasniok noch allgemein: „Ich finde, dass Mannschaft und Trainerteam dauerhaft am Anschlag agieren. Sie können nicht mehr. Aber du brauchst einfach zwei bis drei Spieler, wenn du mal nach oben kommen willst.“
Kwasniok „zerlegte“ den eigenen Kader
In Bezug auf das Verteidigen der Gegentore gegen den KSC polterte Kwasniok dann los: „Wir kriegen das nicht hin, weil die Jungs alles geben, aber nicht gut genug sind. Das ist eine ganz einfache Rechnung.“ Er forderte Verstärkungen von der Clubführung: „Willst du mehr, musst du dich verbessern. Ich glaube einfach, dass die Mannschaft und die Trainer in dieser Zusammenstellung nicht besser arbeiten können. Und das ärgert einen, wenn du das siebte Halbjahr hier stehst, und sagst: ,Boah, maximal gearbeitet, und das ist das Ergebnis.‘“ Kwasniok deutlich: „Das ist mir halt auf Dauer zu wenig. Entweder es passiert etwas, oder wir haben irgendwann ein motivationales Problem.“ Es sei vor allem ein „Qualitätsdefizit“. Speziell seine Torhüter nahm er sich dabei zur Brust: „Man muss sich einfach nur die kompletten Aussetzer der Torhüter anschauen, das sind sechs bis acht Punkte in einer Halbserie – ein No-Go. So hast du einfach keine Chance, irgendeinen Blumentopf zu holen.“

Das bisher Erreichte führte Kwasniok darüber hinaus eher auf die Versäumnisse der Konkurrenz zurück: „Sind wir mal ehrlich: Es ist eher den Schwächen und den Widrigkeiten, die bei den großen Vereinen aktuell herrschen, geschuldet, dass wir da in der Verlosung sind als der Gesamtperformance von uns allen.“ Kwasniok war noch immer nicht fertig: „Ich bin mehr als nur angefasst, ich wirklich pissig. Wir reißen uns alle gemeinsam als Trainerteam und Mannschaft den Allerwertesten auf, du bist am Anschlag und es immer nicht gut genug, um den nächsten Step zu machen.“ Ob bei seinen deutlichen Aussagen auch etwas Frust über eine verweigerte Freigabe mitschwang? Die „Bild“ berichtete, dass der Hamburger SV sich mit Kwasniok bereits über eine Zusammenarbeit einig gewesen sein soll, Paderborn seinen Trainer jedoch nicht ziehen ließ. Das wäre womöglich eine Station für Kwasniok gewesen, wo er persönlich mit einer stärkeren Mannschaft und größeren finanziellen Möglichkeiten den von ihm angepeilten „nächsten Step“ hätte machen können.