Die Zukunft für FDP, Linke und BSW war im Wahlkampf lange ungewiss. Während die Linke recht früh aufatmen konnte, sollte der Wahlabend für FDP und BSW noch lange dauern. Und Konsequenzen fordern.
Bei den ersten Hochrechnungen des ZDF waren es noch fünf Prozent. Ein Ergebnis auf das man stolz sein kann? Weder für die FDP, noch für das BSW. Die einen vor wenigen Wochen noch an der Regierung beteiligt, die anderen noch immer mit dem Hoch der Landtagswahlen im Osten im Rücken. Nein, von Stolz konnte kurz nach Schließung der Wahllokale keine Rede sein. Und auch von Aufatmen konnte keine Rede sein, musste man doch nur einen Sender weiter zur ARDschalten, wo bei beiden noch eine vier vorm Komma stehen sollte. „Das wird eine lange Nacht werden“, prognostizierte FDP-Vize Wolfgang Kubicki – und Recht sollte er behalten.

Derweil sollten in der Parteizentrale der Linken bereits kurz nach 18 Uhr die Korken knallen: Über acht Prozent laut ersten Hochrechnungen. Für eine Partei, die vor wenigen Tagen noch die letzte Rettung in der Drei-Mandate-Regelung sah, ein Moment der puren Erleichterung. „Dieser Abend zeigt mir: Wir haben alles richtig gemacht“, so Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek. Um die 36-Jährige war in den letzten Wochen ein regelrechter Hype ausgebrochen. Grund für diesen „Hype um Heidi“ waren neben ihren Social-Media-Aktivitäten auch Reden im Parlament, die gerade junge Menschen ansprachen. Doch dieser Zuspruch sei nicht allein Grund für das gute Abschneiden der Linken, betont Reichinnek. Es sei vielmehr die jahrelange Arbeit vor Ort gewesen sowie die Tatsache, dass endlich „alle an einem Strang ziehen“.
Gute Arbeit in den Kommunen
Um 19:31 Uhr sollte auch das ZDF für ein Murren in den Reihen der FDP sorgen. Die bislang stabilen fünf Prozent verabschiedeten sich hin zu 4,9. Parteichef Lindner räumte eine Niederlage ein, zeigte sich aber dennoch kämpferisch: „Am heutigen Abend werden wir noch starke Nerven beweisen müssen. Die Freien Demokraten sind nicht endgültig besiegt, weil der politische Liberalismus zu dieser Republik gehört.“ Die Europa-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann fand noch deutlichere Worte: „Das ist eine Klatsche. Auf die Zwölf und mit Anlauf.“ Besonders bei den Wählern unter 30, einer Gruppe, bei der die Liberalen bei der Wahl 2021 noch überdurchschnittlich gut punkten konnte, verlor die FDP gute 13 Prozent Zuspruch.
Da hatte das BSW noch vergleichsweise gut lachen. An ihren 5,0 Prozent regte sich noch immer nichts „Das ist aufregend und nimmt einen mit“, sagte Co-Chefin Amira Mohammed Ali. „Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir es schaffen werden.“ Personelle Konsequenzen fürchtet Mohammed Ali keine – auch nicht für Partei-Namensgeberin Sahra Wagenknecht: „Selbst wenn es knapp nicht für das BSW reichen sollte, haben wir in dem guten Jahr, in dem es uns gibt, etwas geschafft, was es so noch nie in der Bundesrepublik gab“, betonte Mohammed Ali in der „Berliner Runde“, einem Talk-Format von ARD und ZDF, zu dem eigentlich Wagenknecht erwartet wurde, aber schließlich ohne Nennung von Gründen ihre Co-Vorsitzende schickte.
Anders sieht es bei den Liberalen aus. „Wenn das das amtliche Endergebnis ist, dann werde ich mit dafür sorgen, dass sich die FDP
neu aufstellt“, betont Lindner. „Wenn die FDP aus dem Bundestag ausscheidet, ist es vollkommen klar, dass ich auch aus der Politik ausscheide.“ Er hoffe, der Wahlausgang sei am Ende „ein Gewinn für Deutschland.“
Ganz andere Gefühle derweil bei den Linken, die bereits über die eigene Rolle im neuen Bundestag philosophieren: „Wir sind immer gesprächsbereit“, sagt Parteichef Jan van Aken. Doch sehen würde er die Linke in der Opposition. „Man muss nicht unbedingt regieren, auch aus der Opposition kann man viel mitreden“, so van Aken, der das Schaffen „gesellschaftlicher Mehrheiten“ als Kernziel seiner Partei erachtet. Wichtig sei dafür lediglich, Teil der Opposition und nicht der außerparlamentarischen Opposition zu sein.
Ein Ort, mit dem sich die FDP nun wieder anfreunden muss. Um 1:49 Uhr bestätigte das vorläufige amtliche Endergebnis das, was die Hochrechnungen bereits angedroht hatten. 4,33 Prozent für die FDP. Eine klare Niederlage. „Ich glaube, dass wir uns thematisch breiter aufstellen müssen, nachdem wir uns im Wahlkampf thematisch so verengt haben – und auch die Bürgerrechte wieder mehr ins Zentrum stellen müssen“, sagte Strack-Zimmermann in der Nacht. „Die außerparlamentarische Opposition ist ganz hart.“ Neben Parteichef Lindner machte auch dessen Vize Wolfgang Kubicki seinen Abschied deutlich: „Ich werde meiner Partei sagen: Ich übernehme einen Teil der Verantwortung“, sagte der 72-Jährige. Er sei „nicht derjenige, der die Partei in den nächsten Jahren aus dem Tal des Jammers wieder herausführt“, betonte er.

Doch auch beim BSW sollten die magischen fünf Prozent nicht von Dauer bleiben. Um kurz vor 22 Uhr rutschte das Bündnis erst bei der ARD, später dann auch beim ZDF ab. Das Endergebnis von 4,97 Prozent zeigt, wie knapp es für die Wagenknecht-Partei war. Eine Schuld sieht diese bei den Medien, die alles versucht hätten, „uns niederzuschreiben und kleinzumachen“, sagte die 55-Jährige. Das Scheitern sei eine Niederlage, aber nicht das Ende des BSW. Auch nicht das Ende der Bundestags-Träume, wenn es nach verschiedenen BSW-Akteuren geht: „Ich fürchte, diese Wahl wird noch Karlsruhe beschäftigen“, schrieb beispielsweise Fabio de Masi. Die Verfassungsmäßigkeit der Wahl sei angesichts des knappen Ausgangs – es fehlten 13.438 Stimmen – nicht mehr gewährleistet. Das betonte auch Sahra Wagenknecht am Montagmorgen. Als Begründung spricht sie von dem Briefwahlproblem der Auslandsdeutschen. Nur ein Bruchteil der wahlwilligen Deutschen im Ausland konnten ihre Stimme abgeben.
Kubicki als neuer Parteichef?
Und wie soll es bei der FDP weitergehen? Christian Lindner ließ seiner Ankündigung Taten folgen, wie er bei einer Pressekonferenz am Montagmittag noch einmal betonte. Die Neuaufstellung sei nötig, um wieder „an alte Erfolge anzuknüpfen“. Es soll einen politisch organisierten Übergang geben. „Der wird stark koordiniert durch den Kreis der Landesvorsitzenden“, sagte Lindner. Er selbst sehe sich bei diesem Umbruch nicht in einer führenden Rolle. „Alle Gremium-Beratungen waren voll von Respekt und Lob für Christian Lindners Arbeit der vergangen elf Jahre“, betonte auch FDP-Generalsekretär Marco Buschmann, der ebenfalls seinen Rückzug ankündigte. Die Wahlniederlage sei bitter gewesen, doch sie sei „nicht das, was mit dem Namen Christian Lindner in Erinnerung bleibt“.
Noch mal über den angekündigten Rücktritt nachgedacht hatte derweil Parteivize Wolfgang Kubicki: „Ich bin heute Nacht von so vielen Menschen aus der Partei und von Unterstützern gebeten worden, die Führung der Partei zu übernehmen, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, im Mai zu kandidieren, um die Partei zusammenzuhalten und neu zu motivieren“, sagte dieser gegenüber der „Bild“-Zeitung. Damit ist er nach Marie-Agnes Strack-Zimmermann der zweite Liberale, der sich für den Vorsitz zur Verfügung stellen möchte. „Ich stehe voll und ganz hinter der FDP und werde dort in der Partei Verantwortung übernehmen, wo es notwendig ist und wo es gewünscht wird“, sagte diese zuvor. Gehandelt werden aber auch andere Namen: Moritz Körner, Generalsekretär der FDP Nordrhein-Westfalen, oder Henning Höne, Chef der FDP-Fraktion im dortigen Landtag. Auch der Name Hans-Ulrich Rülke, Vorsitzender der Landtagsfraktion in Baden-Württemberg, wird genannt. Bereits auf der Wahlpartie sollen inoffizielle Gespräche geführt worden sein, heißt es.