Hertha BSC erlebt in Köln ein weiteres Debakel und muss nun zunächst den VfL Bochum am Samstag schlagen, um einen Rest Hoffnung zu wahren.
Nach 33 Spielminuten am vergangenen Freitag dürften einige Berliner Fans bereit gewesen sein, Pál Dárdai einen Heiligenschein aufzusetzen oder das längst fällige Denkmal vor dem Olympiastadion zu errichten. Zu diesem Zeitpunkt lag Hertha BSC im nächsten wichtigen Spiel um den Klassenerhalt beim 1. FC Köln nämlich nicht nur mit dem vom Ungarn prophezeiten Endergebnis von 2:1 in Führung – selbst der vom Ungarn vorhergesagte Treffer des Ex-Herthaners Davie Selke war dabei eingetreten. Dazu war der Kölner Stürmer auch bereits wegen einer beim 1:0 erlittenen Verletzung ausgewechselt worden und konnte so keinen weiteren Schaden gegen seinen ehemaligen Verein mehr anrichten. Allein: die Pessimisten unter den blau-weißen Anhängern dürfte die Sorge umgetrieben haben, dass die Realisierung dieser Wahrsagung schlicht zu früh im Spiel eingetreten war. Viel zu früh, wie sich bald herausstellen sollte – denn es brauchte gar keinen Davie Selke in der gegnerischen Mannschaft, um maximalen Schaden zu erleiden. Allein schon das eigene Defensivverhalten war an diesem Freitagabend nicht ausreichend, um ein Bundesligaspiel – gegen welchen Kontrahenten auch immer – gewinnen zu können.
Deffensivverhalten nicht ausreichend
Eine Woche nach der soliden Darbietung gegen den VfB Stuttgart inklusive 2:1-Erfolg zeigte die Mannschaft so wieder ihr anderes, unfähiges Gesicht. Bereits zur Pause lag man so schon erneut in Rückstand und kassierte am Ende eine 2:5-Niederlage, die sich in die Reihe vergleichbarer Pleiten wie zu Hause gegen Wolfsburg (0:5), in Schalke (2:5) oder gegen Bremen (2:4 nach zwischenzeitlichem 0:4-Rückstand) nahtlos einfügt.
Genau genommen waren die Hauptstädter mit fünf Gegentoren sogar noch gut bedient, denn Oliver Christensen erwischte nicht nur einen guten Tag im Tor, sondern hatte bei zwei Aluminiumtreffern auch das Glück des Tüchtigen auf seiner Seite. So nutzte es auch nichts, dass das Team trotz des frühen Rückstands zwischenzeitlich das Momentum durch zwei Treffer von Lucas Tousart und Stevan Jovetic auf seine Seite ziehen konnte. Die Kölner nutzten schlicht die Angebote des Gegners, die sich in Hülle und Fülle boten – Pál Dárdai wirkte entsprechend ernüchtert bis ratlos nach der Partie: „Wir müssen jetzt nicht darüber reden, was gewesen wäre, wenn Jessic Ngankam in der zweiten Halbzeit das 3:3 erzielt hätte – das wäre großer Quatsch“, wollte er sich nicht mit Nachtrauern aufhalten und empfahl: „Mund halten und schauen, was am Wochenende passiert – ob wir noch eine Chance haben.“ Angesichts der Darbietung seiner Schützlinge fiel Dárdais Analyse dabei nicht gerade in die Kategorie „psychologische Aufbauhilfe“. Vom schief zusammengestellten Kader über fehlende Physis bis zu mangelhafter Mentalität geriet schlicht alles in die Kritik, was eine Bundesligamannschaft auszeichnet beziehungsweise auszeichnen sollte. So ist etwa hinlänglich bekannt, dass der 1. FC Köln viel mit Flanken operiert: „Wir haben zwar zwischendurch geführt, aber man hat viele Fehler gesehen“, so Dárdai zu dem Thema, „gefühlt gab es schon in der ersten Halbzeit 30 Flanken gegen uns“.
Dazu musste der 47-Jährige schonungslos feststelllen: „Wir sind keine richtig gute athletische Mannschaft – wenn die Kölner Tempo gegangen sind, hatten wir ein Riesendefizit.“ Das war vor allem im zweiten Durchgang der Fall, am Ende hatte Dárdai so 31 Torschüsse des Gegners erlebt. Dafür machte der Ungar – zu seiner aktiven Zeit stets ein Spieler, der voranging – nach der Partie öffentlich ein „riesiges Mentalitätsproblem“ seiner Mannschaft verantwortlich: „Gegen den Ball muss man mit Tempo anlaufen, nicht irgendwie.“ Der „Kicker“ hatte nach dem Spiel die entsprechenden Zahlen für den schwachen Auftritt der Berliner aufgelistet: 9:31 Torschüsse, 40 Prozent gewonnene Zweikämpfe, 38 Prozent gewonnene Luftduelle, 11:26 Flanken, 71 Prozent Passquote (gegenüber 84 Prozent des 1. FC Köln). „Mit solchen Zweikampfwerten und Statistiken müssen wir nichts über Hoffnung erzählen, das bringt nichts“, bewertete Herthas Trainer die Zahlen vernichtend. So lange rechnerisch aber noch etwas möglich ist, wird Dárdai der Letzte sein, der die Flinte ins Korn wirft. Der 3:1-Erfolg des kommenden Gegners VfL Bochum über den FC Augsburg am Tag nach Herthas Debakel in Köln machte die schwierige Tabellensituation dabei nicht besser, auch der VfB Stuttgart ergatterte einen Punkt gegen Bayer Leverkusen. Die Pflicht, die beiden letzten Partien der Saison (zu Hause gegen Bochum und in Wolfsburg) zu gewinnen, ist angesichts von fünf Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz somit unabdingbar geworden – um überhaupt noch eine Chance auf den Klassenerhalt zu haben. Zur Erinnerung: Hertha BSC hat in dieser Saison noch keine zwei Spiele hintereinander gewinnen können. Obendrein muss die Konkurrenz – bestehend aus Bochum, Schalke und Stuttgart – auch noch „mithelfen“, sprich: darf nur eine begrenzte Anzahl Punkte erreichen, damit das „Himmelfahrtskommando“ noch ein gutes Ende nehmen kann.
Noch keine zwei Siege hintereinander
Parallel zur sportlich angespannten Situation gerieten dazu die maladen Finanzen der Alten Dame mal wieder in den Blickpunkt. Auslöser war ein Bericht der „Süddeutschen Zeitung“, die die Situation des Vereins im aktuellen Lizenzierungsverfahren als „hochkritisch“ bezeichnete. Dazu wurde eine ungenannte Quelle bei der DFL mit den Worten zitiert, Hertha BSC sei „der schlimmste Fall, den wir je hatten.“ Im Rahmen der Mitgliederversammlung am vergangenen Sonntag sollte dazu Aufklärung vonseiten der Verantwortlichen betrieben werden. So sei man im engen, gemeinsamen Austausch mit der DFL und dem Investor 777 Partners, um Zweifel über die Einhaltung der 50+1-Regel beziehungsweise die nötige Liquidität auszuräumen sowie Lösungsmöglichkeiten zu erörtern. Geschäftsführer Thomas Herrich zeigte sich dabei optimistisch, die Vorgaben zu erfüllen: „Wir müssen für die Lizenzierung die Finanzierung der nächsten Saison nachweisen: in dem Verfahren sind wir drin, das Commitment von 777 mit den 100 Millionen Euro ist ein Baustein – aber es braucht noch andere.“ Immerhin Klarheit gab es bei den Personalien: Die Abwahlanträge gegen das Präsidium inklusive Chef Kay Bernstein wurden qua Mitgliedervotum gar nicht erst zugelassen – und das höchste Gremium des Vereins bleibt aufgrund einer beschlossenen Satzungsänderung auch nach dem Rücktritt von Ingmar Pering handlungsfähig.