Hertha BSC war in Leverkusen chancenlos. Die kollektive Überforderung muss die „Alte Dame“ bis zum Heimspiel gegen Mainz hinter sich lassen.
Wenn es eines Weckrufs bedürfen würde, so taugt die 1:4-Pleite in Leverkusen sicher dazu. Denn anders als im Fall der identisch hohen Niederlage zwei Wochen zuvor in Dortmund zeigte Hertha BSC diesmal eine schwache Leistung. Die Berliner bleiben dadurch zwar in der Tabelle auf Platz 14, doch durch den Schalker Sieg in Bochum sind sie nun Kopf einer Fünfergruppe, die nur ein einziger Punkt trennt. Aktuell sieht es danach aus, als ob aus diesem Quintett auch die zwei direkten Absteiger im Sommer ermittelt werden, da der FC Augsburg – den Hertha BSC in der Woche zuvor noch besiegt hatte – auf Rang 13 nun sieben Punkte entfernt ist. Offensiv präsentierte sich Hertha in Leverkusen weitgehend harmlos: Den ersten Schuss auf das Bayer-Tor gab man erst in der 50. Spielminute ab, zu diesem Zeitpunkt führten die Hausherren längst mit 2:0. Zwar hatten sich die Hauptstädter in der Anfangsphase zumindest gegen den Ball noch hartnäckig gezeigt, dann aber war man schlicht überfordert mit der Geschwindigkeit, die Bayer über die Außenbahnen entwickelte. Bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechslung noch im ersten Durchgang hatte allein Leverkusens Jeremie Frimpong mit der Vorarbeit zum Führungstor durch Serdar Azmoun und seinem Treffer zum 2:0 die Weichen gestellt. Marco Richter, der auf der rechten Außenbahn der Hauptstädter zuletzt viele Akzente nach vorne setzte, konnte beide Male den Ball nicht mehr am Überschreiten der Linie hindern. Danach war es vor allem der Schütze zum 3:0, Moussa Diaby, der die Hertha-Defensive ein ums andere Mal in Atem hielt. Bezeichnend, dass der einzige Treffer des Tages für die Berliner vom Elfmeterpunkt zustande kam: Dodi Lukebakio, als einzige Änderung zum letzten Spiel von Beginn an für Jessic Ngankam in der Startelf, gelang so Mitte der zweiten Halbzeit das zwischenzeitliche 3:1. Dass dies nicht mehr als ein „Ehrentreffer“ würde, war den meisten Beobachtern zu diesem Zeitpunkt allerdings klar. Gut fünf Minuten später sorgte die Bayer-Elf durch Amine Adli dann auch für die Wiederherstellung des Drei-Tore-Abstands. Unter dem Strich war die Mannschaft von Sandro Schwarz am vergangenen Sonntag also schlicht chancenlos.
Enge Situation am Tabellenende
Das Thema Abstiegskampf wird Hertha BSC also weiterhin begleiten, vielleicht sogar einmal mehr bis zum Saisonende. Das wiederum erfordert die volle Konzentration auf die Aufgabe – und Nebenschauplätze sind in einer solchen Situation nur wenig brauchbar. Umso genauer bleibt zu beobachten, wie sich der juristische Streit zwischen Hertha BSC und Fredi Bobic weiterentwickelt. War bislang in der Sache der Begriff „Schlammschlacht“ noch den Boulevardmedien vorbehalten, so sickern allmählich weitere Details an die Öffentlichkeit, die schwierig zu bewerten sind. Allein die Tatsache, dass wieder Interna bei der „Alten Dame“ nach außen dringen, ist dabei schon als bedenklich einzustufen. Zuletzt war die „Unsitte“, die bei Hertha BSC eine gewisse Tradition besitzt, vor allem seit Amtsantritt des Präsidenten Kay Bernstein deutlich reduziert aufgetreten. Nun aber, wo es für die Streitparteien um viel Geld geht, werden offenbar wieder Interna preisgegeben. Dass inzwischen auch die Internetseite des „Spiegel“ genauer darüber berichtet, beweist dabei, dass der Fall offenbar nicht mehr nur den schlagzeilenträchtigen Medien vorbehalten ist. Nach der ordentlichen Kündigung von Fredi Bobic durch Hertha BSC jedenfalls hatte der Verein bekanntlich eine fristlose nachgeschoben, was die ersten Spekulationen antrieb. Diese soll – so die Gerüchte – sich auf den mittlerweile bekannten Ausfall des damaligen Sportvorstands gegenüber einem Journalisten („Wenn Du noch mal fragst, kriegst Du eine gescheuert“) gegründet haben. Inzwischen aber sind weitere Informationen ans Licht gekommen: So geht es etwa um einen üppig dotierten Vertrag, den der frühere Nationalspieler mit Ex-Hertha-Profi Axel Kruse abgeschlossen haben soll – die beiden gelten als Freunde seit ihrer Zeit beim VfB Stuttgart, und Kruse hat (allerdings auch) als erstes Gesicht der vom Verein ins Leben gerufenen „Fahnenträger-Initiative“ eine deutlich bessere Dotierung zu verzeichnen als etwa Gabor Kiraly oder Marko Rehmer. Von 100.000 Euro Jahrespauschale sei die Rede und einer einseitigen Option Kruses auf eine Verlängerung um zwei Jahre. Dazu wurden Inhalte von Schreiben der Hertha-Anwälte publik, die Bobic vorwerfen, womöglich „vertrauliche Informationen“ über den Stand der Verhandlungen mit US-Investor 777 Partners weitergegeben zu haben. Womit die Lunte am „Pulverfass Hertha BSC“ doch zumindest bereits glimmen könnte – schon im Umgang mit Lars Windhorst hatte die Vereinsführung um Präsident Bernstein juristisch ja unmissverständlich klargemacht, wenn nötig auch mit harten Bandagen vorzugehen. So scheint nun auch die Strategie im Umgang mit Fredi Bobic auszusehen – möglicherweise darauf spekulierend, dass der gekündigte Geschäftsführer Sport eher einem Kompromiss und damit einem finanziellen Rabatt für Hertha BSC zustimmen wird. Sollte sich der 51-Jährige jedoch ebenso unversöhnlich zeigen, wird der Prozess mit all seinen unangenehmen Details für beide Seiten auch die Fußballmannschaft bis in die entscheidende Saisonphase begleiten.
100.000 Euro Jahrespauschale
Solange Hertha BSC wie zuletzt die Heimspiele gewinnt, darf man jedoch weiterhin guten Mutes sein, dass der Klassenerhalt gelingt. Schon aber der kommende Gegner im Olympiastadion wird es den Berlinern richtig schwer machen: Denn der 1. FSV Mainz 05 verfügt nicht nur über eine besonders gute Statistik gegen die Berliner (nur eine Niederlage in den letzten zwölf Duellen), sondern hat gerade auch eine ganz starke Phase. Viermal in Folge hat das Team von Bo Svensson zuletzt gewonnen und dabei unter anderem auch bei Bayer Leverkusen – diese Serie hat die Rheinhessen immerhin bis auf Platz acht geführt und dürfte für die entsprechend breite Brust beim Gastspiel am Sonnabend sorgen. Mit Ludovic Ajorque findet sich dabei ein Mainzer Neuzugang dort immer besser ein, den Hertha BSC noch zu Zeiten von Fredi Bobic selbst gerne verpflichtet hätte. Allein: Der Wechsel kam aus finanziellen Gründen nicht zustande.