Spezielle Initiativen wollen vermeiden, dass defekte Elektrogeräte im Müll landen. Unter dem Motto „Reparieren statt entsorgen" versuchen ehrenamtliche Helfer, die Lebensdauer von Staubsauger, Kaffeemaschine und Co. zu verlängern. Ein Besuch im Reparatur-Café Neunkirchen.
Alle möglichen elektronischen Geräte sind auf den Tischen drapiert und warten darauf, dass sie an die Reihe kommen – angefangen vom Fernseher über Staubsauger, Kaffeemaschine, Wecker, Lampe bis zum antiquarisch anmutenden Kofferradio. Wie in einer offenen Werkstatt wird hier hochkonzentriert geschraubt, gelötet und geprüft, ob immer noch Strom fließt und wo die Fehlerursache liegen könnte. All diese Haushalts- und Unterhaltungsgeräte haben nur aus einem Grund den Weg ins Reparatur-Café Neunkirchen gefunden: Sie funktionieren nicht mehr, doch ihren Besitzern sind sie zu schade zum Wegwerfen.
600 Geräte werden jährlich repariert
Das Reparatur-Café, getragen vom Verein Bürgerinitiative Neunkirchen-Stadtmitte (BiNS), öffnet jeden dritten Samstag im Monat im „KOMMZentrum". Laut Netzwerk Reparatur-Initiativen ist das Repair Café in der Kreisstadt eines von deutschlandweit 974. Etwa 20 Reparateure und zehn Reparateurinnen engagieren sich ehrenamtlich bei der Neunkircher Initiative. Im Schnitt reparieren die ehrenamtlichen Helfer das Jahr über hochgerechnet 600 Geräte. Die Grundidee ist, dass die Besucher ihre defekten Geräte abgeben und diese gemeinsam mit den ehrenamtlichen Profis reparieren. Aus zeitlichen und sozialen Gründen werden Reparaturen von Handys, Kaffeevollautomaten, alten Verstärkern und Hochdruckreinigern nicht vorgenommen.
„Wir schauen uns alle Geräte an, und finden entweder eine Lösung oder sagen, dass es sich nicht mehr lohnt", sagt Joachim Becker, Vorstandssprecher der BiNS und Ansprechpartner für das Reparatur-Café. Während der Corona-Pandemie hat sich das Prozedere geändert: Die Gäste gehen nach der Anmeldung nicht einen Stock höher ins Café und warten dort, bis sie aufgerufen werden, sondern gehen direkt zur Reparaturstation, wo sie live die Reparatur ihres Geräts verfolgen können. „Es kommen immer mehr Leute zu uns, die sich nicht auskennen und keine Enkelkinder haben oder jüngere Leute kennen", erzählt Becker.
Dass die im Café engagierten Reparatur-Helfer nicht nur in ihrer Freizeit schrauben, merkt man schnell – jeder Handgriff sitzt, die Funktionsweise der Geräte ist ihnen bestens vertraut. Wie Stefan Gräber, hauptberuflicher Kundendiensttechniker für Elektro-Hausgeräte, sind alle Reparateure vom Fach. Er engagiert sich von Anfang an im Neunkircher Reparatur-Café, das vor gut vier Jahren eröffnet wurde. Mit seinem Engagement möchte er zeigen, dass man nicht immer gleich alles wegwerfen muss. Nebenbei teile er mit seinen Teamkollegen den „Spaß am Schrauben". Gräber findet, es müsste noch viel mehr Reparatur-Initiativen wie das Café in Neunkirchen geben. Zuerst hat er die Kaffeemaschine eines Besuchers wieder flottgemacht. Das Problem war schnell gefunden und behoben – der Siebträger der Maschine musste gereinigt werden. „Im Siebträger befindet sich ein engmaschiges Sieb und alles läuft durch eine kleine Düse", berichtet Gräber. Doch ausgerechnet letztere war mit Kaffeepulver verstopft.
Fehlerursache wird rasch erkannt
Als harte Nuss stellt sich eine abgegebene Filter-Kaffeemaschine heraus. Der Ein/Aus-Schalter funktioniert zwar, doch das Brühwasser in der Maschine heizt sich nicht mehr auf. Nun möchte der Gerätebesitzer wissen, ob eine Reparatur überhaupt möglich ist. Stefan Gräber entfernt geschickt das Plastikgehäuse der Maschine, um einen Blick in ihr Innenleben zu werfen. Als Nächstes prüft er mit einem Messgerät, ob Strom durch den Sicherheitstemperaturbegrenzer fließt. „Der Temperaturbegrenzer sorgt dafür, dass das Ding nicht zu heiß wird und abbrennt", erklärt der Reparateur der ersten Stunde. Währenddessen steht der Kunde vorm Tisch und sieht sich an, was Gräber da macht. Genau deshalb habe er sich nicht getraut, das Gerät weiter auseinanderzubauen, sagt der Kaffeemaschinen-Besitzer, zumal er es nicht geschafft habe, den Schalter auszubauen. Stefan Gräber rät dem Selbstreparierer dazu, das Gerät sorgfältig zu zerlegen, denn sonst wisse man nicht mehr, wo die einzelnen Teile hingehörten. „Servicefreundlich sind die Dinger nicht", bringt Gräber es auf den Punkt.
Nach wenigen Minuten ist die Fehlerursache erkannt: Der Temperaturbegrenzer tut’s nicht mehr. Das defekte Teil muss ersetzt werden. Als Gräber dem Kunden das Elektronikteil zeigt, vermutet jener erst, dass das fingernagelgroße Teil verkalkt sei. Was wie eine Verkalkung aussehe, sei lediglich die Wärmeleitpaste, klärt Gräber ihn auf. „Der Temperaturbegrenzer ist gerätespezifisch und muss beim Hersteller bestellt werden", resümiert er. Allerdings finden sich keine Angaben auf dem kleinen Geräteteil. Früher waren auf Bauteilen die Spannungs- und Temperaturwerte noch angegeben, so Gräber. Dadurch konnte man beispielsweise beim Großhändler nach Spezialteilen suchen. Doch ohne diese Daten sei man als Besitzer eines defekten Gerätes regelrecht aufgeschmissen. „Deshalb muss man direkt beim Hersteller recherchieren", sagt der Profi aus der Gemeinde Spiesen-Elversberg. Aus Sicherheitsgründen würde er kein Billigteil aus dem Internet bestellen, empfiehlt der Reparateur. Beim Hersteller könne der Mann auf jeden Fall nachhören, ob man den passenden Temperaturbegrenzer für die Kaffeemaschine nachbestellen kann.
Im Reparatur-Café seien ihm schon abgegebene Elektrogeräte untergekommen, bei denen ihm das passende Werkzeug zum Öffnen fehlte, erzählt Stefan Gräber. „Es wird heute vieles so hergestellt, dass man es nicht mehr reparieren kann", beklagt er. Das Problem hierbei sind entweder sogenannte Sicherungsschrauben, die nur mit speziellem, nicht handelsüblichem Werkzeug gelockert werden können, oder sogar das komplette Fehlen von Schrauben. Das von der Bundesregierung geplante Recht auf Reparatur findet der Helfer gut und richtig. Die Ampelkoalition will über die in der EU geltenden Gesetze zum Recht auf Reparatur hinausgehen und dieses auch für kleinere Geräte wie Handys und Laptops möglich machen. Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) macht sich zudem für einen Reparierbarkeitsindex für Produkte stark. Danach soll erkennbar sein, wie reparierfreundlich ein elektronisches Gerät ist.
Die Lampe spielt weihnachtlich auf
Das Nachbarland Frankreich hat das Recht auf Reparatur dagegen schon umgesetzt. Die Hersteller von elektronischen Geräten seien bereits verpflichtet worden, erstens eine Garantie auf die Lieferung von Ersatzteilen zu geben und zweitens Schaltpläne und erweiterte Bedienungsanleitungen zum Download bereitzustellen, erzählt Joachim Becker. Deutschland dagegen sei auf dem Weg, ein Recht auf Reparatur umzusetzen, zuletzt „zwei Schritte zurückgegangen", moniert er. „Wenn sie heute in einen Elektromarkt gehen und nach einem reparierbaren Föhn fragen, dann kann ihnen der Verkäufer nicht weiterhelfen, weil er dafür schlichtweg nicht geschult ist", so Becker. Mitunter finde man für den französischen Markt hergestellte Geräte, die im deutschen Einzelhandel verkauft werden. Einmal habe Becker in einem „Real"-Markt in Bexbach eine Dampfbügelstation gekauft. Auf dem Verpackungskarton waren bereits die Zehn-Jahres-Garantie und das Recht auf Reparatur vermerkt gewesen.
Nebenan in einem zweiten Raum des Reparatur-Cafés wird derweil fleißig weiter repariert. Eine Frau und ein Mann warten, während sie den Reparateuren mit gewissem Abstand bei der Arbeit zusehen. Hinter einem Tisch sitzt Bernhard Wecker, vor sich eine reparierte Lampe, die nun zu einer wippenden Bewegung wieder eine Weihnachtsmelodie abspielt. Der selbstständige Feinmechanik-Meister hat das Problem schnell erkannt – und gelöst. Die Platine der Lampe war – vermutlich ausgelöst durch einen Aufprall – gebrochen. „Jetzt habe ich das Ding wieder angeleimt und diese Stelle mit Draht überbrückt, damit wieder Kontakt hergestellt ist", schildert Wecker die Reparaturschritte. Sehr zur Freude der Kundin, die sicherlich schon weiß, wo sie zu Hause für das reparierte Stück einen Platz findet.