Hallenfußball-Format, kleiner Platz, Ex-Profis, Profis und Streamer – das ist die Baller-League, der selbsternannte Gegenentwurf des „normalen“ Fußballs. Weniger Kommerz, mehr Fußball lautet das inoffizielle Credo. Doch stimmt das?
Der „neue alte Fußball“ – so nennt sich diese neue Baller League. Auf ihrer Internetseite wird sogar eine neue Ära des Fußballs versprochen. Damit will man zurück zum Bolzplatz, zurück auf die Straße, wo Fußball-Romantiker mit dem Sport angefangen haben. Doch mit Bolzplatz hat der Hangar in der Motorworld in Köln relativ wenig zu tun. Laut dröhnende Musik kommt aus den Lautsprechern, der Kunstrasen gibt einen synthetischen Geruch ab, der die gesamte Umgebung damit erfüllt. Auf dem Spielfeld toben nicht etwa eine Schar kleine Kinder herum, wie bei den Hallenturnieren früher, sondern Spieler, Promis, Kamerateams, sich selbst filmende Influencer und Spieler, die sich warmschießen. Denn Fußball wird hier ja auch gespielt. Zudem ist es völlig normal, dass Mats Hummels über das Feld läuft, einen kleinen Plausch hält, zeitgleich kommen Niclas Füllkrug und Julian Brandt in die Halle und marschieren in die VIP-Area. Dort sitzen Prominente – sehen und gesehen werden. Das soll der neue alte Fußball sein?
Großer VIP-Faktor
Die Baller League startete im Januar dieses Jahres. Es gibt zwölf Mannschaften und elf Spieltage. Die Gründer? Weltmeister Mats Hummels, Filmemacher Felix Starck und Medienunternehmer Thomas de Buhr. Co-Präsident neben Hummels ist Lukas Podolski. Das Versprechen der Beteiligten ist klar: den unterhaltsamen Straßenfußball zurückbringen. „Dieses Spiel mit seinen Jungs zwischen Wohnblöcken oder irgendwo auf der Straße, das gibt es ja heutzutage nicht mehr“, sagt Podolski gegenüber „Sports Illustrated“. Man wolle mit der Baller League „einfach etwas Neues entwickeln“ – oder wie es Starck erklärt: „Ein spanischer Trainer hat den Fußball hier in Deutschland perfektioniert. Wenn du in Ballbesitz bist, kannst du kein Gegentor bekommen. Für uns als Endverbraucher, die Unmengen zahlen für Streaming-Abos, ist es aber äußert anstrengend, das x-te 0:0 zu sehen, weil beide Teams jetzt auf einmal Tikitaka spielen wollen. Wir Zuschauer wollen Tore sehen. Deswegen unterstützen wir mit der Baller League den Kopf-durch-die-Wand-Fußball.“ Das bedeutet regeltechnisch folgendes: Sechs gegen Sechs, zweimal 15 Minuten Spielzeit, keine Bande, Kunstrasen und Abseits. Ein wenig kommt durchaus das Feeling des Budenzaubers der 90er- und 2000er-Jahre auf, als Bundesligisten noch Spieler zu Hallenturnieren abstellten. Doch dann brechen die letzten drei Minuten der Halbzeit an und dem Zuschauer wird schnell klar: Wir sind hier nicht beim Budenzauber von damals. Denn in den letzten drei Minuten werden Gamechanger aktiviert: Das Abseits wird aufgehoben, Tore dürfen nur per Volley erzielt werden – das sind beispielweise mögliche Gamechanger für die erste Halbzeit. Die zweite Halbzeit bietet dann einen eigenen Namen „Galaxy Minutes“. Dazu gehören Fairplay, dabei wird jeder Spieler nach einem Foulspiel des Feldes verwiesen, oder Shot Clock, bei der die Zeit für einen Torschuss begrenzt ist. Das waren noch nicht alle Sonderregeln – anders als der normale Fußball sind sie dadurch allemal.
Ex-Profis und Influencer
Auf dem Platz stehen dabei nicht die klassischen Profis, sondern Amateure, Halbprofis und ehemalige Kicker aus dem deutschen Profifußball. „Viele haben es vielleicht in den Nachwuchszentren nicht geschafft oder sind auf eine schiefe Bahn gekommen oder haben private Probleme und können sich dann hier beweisen“, sagt Podolski. Komplettiert werden die Teams von früheren Bundesliga-Profis wie Moritz Leitner, Maximilian Beister oder Diego Contento. Als Gastspieler verstärkten an einzelnen Spieltagen sogar Aaron Hunt, Gonzalo Castro und Zé Roberto die Mannschaften. Auch der Schiedsrichter ist ein alter Bekannter: Babak Rafati. „Die Entscheidungen hier sind viel knapper und griffiger als in der Bundesliga. Das bringt diese Würze.“
Unterhaltung soll es nicht nur auf dem Platz geben, sondern vor allem auch daneben. Jedes der zwölf Teams wird von einem prominenten Duo geführt. Neben Kevin-Prince Boateng oder Max Kruse wirken auch Comedian Felix Lobrecht, die Streamer Montana Black und Knossi sowie Musiker Kontra K mit. Für die Streamer wurde neben der VIP-Area ein großer Glaskasten über dem Spielfeld eingerichtet. Dort streamen die genannten dann auf der Plattform Twitch und reagieren, kommentieren und erreichen damit Abertausende von jungen Live-Zuschauern. „Keine Ahnung, wie viele Menschen Knossi, Montanablack, Unymatisch und Trimaxx folgen. Das ist wahrscheinlich die gesamtdeutsche Bevölkerung unter 18.“ Und genau die möchte Felix Starck mit der Baller League an den Fußball heranführen.
„Grundsätzlich ist es so, dass der Fußball einer großen Veränderung unterliegt“, sagt Thomas Horky, Sport- und Medienwissenschaftler an der Hochschule Macromedia in Hamburg. Junge Leute schauten Fußball nicht mehr im linearen Fernsehen – sondern nutzten digitale Angebote. „Da greift natürlich ein Format wie die Baller League an. Das ist sicher ein Pluspunkt, den diese Formate haben und den die Bundesliga vielleicht noch nicht wirklich erkannt oder noch nicht umgesetzt hat.“
Es geht also um pures Entertainment, ständig und über mehrere Stunden. Ein Spieltag dauert ungefähr fünf Stunden. Dabei soll die Baller League aber genau diejenigen abholen, die keine 90 Minuten einem Fußballspiel folgen können und wollen. Die Baller League soll diejenigen ansprechen, die lieber Highlight-Reels auf Instagram schauen, anstatt die Sportschau zu schauen. Das bietet jedoch auch Probleme: Um langfristig erfolgreich zu sein, muss das Produkt aber auch attraktiv sein. Und da hapert es aus Horkys Sicht noch: „Es wurde vielfach kritisiert, dass das Spiel langweilig und auch langsam gewesen ist. Sicherlich damit verbunden, dass es die Abseitsregel gab und dass es fehlende Banden gab. Das hat mich überrascht, dass das Format nicht auf schnelleren, attraktiveren Fußball setzt.“ Denn letztendlich geht es bei der Baller League um Unterhaltung.
Keine Konkurrenz zur Bundesliga
Ein großer Fan davon ist Christoph Kramer, ebenfalls Besitzer eines Teams. „Der Fußball, wie wir ihn so kennen, hat eine ganz unangebrachte Ernsthaftigkeit in unsere heutige Zeit gebracht. Ich sehe, wenn ich ganz ehrlich bin, kaum lachende Gesichter, wenn man sich so die Bundesligaspiele anguckt. Das finde ich total schade“, sagt Kramer. „Es ist eine Menge Druck da, eine Menge Geld. Aber es ist unterm Strich immer noch ein Spiel.“ Eine Alternative bietet demnach die Baller League, von der die Bundesliga den „Spaß“ und die „angebrachte Ernsthaftigkeit“ lernen kann.
Der Bundesliga dabei Konkurrenz machen? Das ist nicht der Plan. „Wir wollen niemandem etwas wegnehmen oder Konkurrenten sein zum normalen Fußball. Der Fußball soll Fußball bleiben, und die Baller League soll etwas anderes sein. Ich glaube, in Deutschland gibt es genug Raum für solche Projekte“, sagt Podolski. Baller-League-CEO Starck geht sogar noch einen Schritt weiter. „Am liebsten möchten wir mit der Bundesliga in Zukunft zusammenarbeiten. Die große Vision ist es, dass Bundesligisten in der Baller League eigene Mannschaften abstellen. Warum nicht?“
Dass es nicht weit hergeholt ist, unterstützen die derzeitigen Zahlen von 900.000
Zuschauern pro Spieltag. Große Marken sind eingestiegen und haben Marketingmaßnahmen geschaltet sowohl für die Zuschauer vor Ort als auch an den Bildschirmen. Wir bieten Zugang zu jungen Leuten, Talenten, coolen Storys und neuen Helden. Darauf sind, glaube ich, alle ganz scharf“, sagt Starck. Abgerundet wird die neue Liga dann mit einem Final-Four-Turnier um den Titel am 8. April im PSD Bank Dome in Düsseldorf.
Der Baller League kauft man sicherlich ab, dass sie etwas anders machen will. Aber gegen den Kommerz des modernen Fußballs? Das ist durchaus zu bezweifeln. Vor allem für die Streamer fällt dabei ordentlich etwas ab und auch die großen Konzerne würden nicht investieren, wenn es keinen finanziellen Vorteil bringen würde. Spaß machen kann die Baller League trotzdem.