Beflügelt vom Überraschungssieg in der Euroleague setzt sich Alba Berlin auch im Spitzenspiel der Bundesliga bei Dauerrivale Bayern München durch. Nachdem die Personalsorgen ausgestanden sind, findet der Meister immer besser in den Rhythmus.
FC Bayern München gegen Alba Berlin – bei diesem Duell tun sich die Tipp-Spieler schwer. Die Kader beider Teams sind qualitativ nahezu gleich stark besetzt, meist entscheiden Nuancen, die Tagesform oder einfach nur das Glück über Sieg und Niederlage. Doch eine bemerkenswerte Statistik verrät, auf wen man bei dem Klassiker im deutschen Basketball am besten setzen sollte: auf die jeweilige Auswärtsmannschaft. Von den vergangenen zehn Aufeinandertreffen setzte sich in neun Fällen das Team durch, das ohne Heimvorteil antrat. So auch am vergangenen Wochenende, als Meister Alba einen knappen 80:79-Sieg im Münchener Audi Dome vor den Augen von Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß feierte. Natürlich nicht ganz so euphorisch wie bei den vergangenen drei Meistertiteln, die die Berliner allesamt in der Spielstätte des Dauerrivalen klargemacht hatten. Aber deutlich ausgiebiger als einen „normalen“ Bundesligasieg.
„Es ist etwas anderes. Es ist eine große Rivalität, eine große Geschichte mit den Bayern. Es tut immer gut, wenn man dieses Spiel gewinnt“, gab Jaden Smith zu. Der Point Guard war mit 13 Punkten zweitbester Scorer seines Teams hinter Nationalspieler Johannes Thiemann (14), doch der Mann des Spiels war ein anderer: Ben Lammers. Der US-Amerikaner steuerte nicht nur zwölf Punkte bei, er bestach auch erneut mit einer grandiosen Abwehrleistung – so wie bei der entscheidenden Schlussszene. Im letzten Angriff der Bayern zwang Lammers Bayern-Guard Cassius Winston, den Weg unter dem Korb zu wählen. Dessen Korbleger misslang ob des schwierigen Winkels. Schon beim Überraschungssieg zuvor in der Euroleague gegen Tabellenführer Baskonia Vitoria-Gasteiz hatte Lammers mit einer sogar noch spektakuläreren Abwehr-Aktion den Sieg gesichert. „Er ist groß, hat lange Arme, ein gutes Positionsspiel“, sagte Winston hinterher über den Albatross. Komplett unzufrieden war der Spielmacher mit seinem Team aber nicht: „Wir haben ein gutes Spiel gemacht. Aber gegen Berlin ist es immer schwer.“
„Gegen Berlin ist es immer schwer“
Zumal die Gastgeber, die unter anderem auf ihre Leistungsträger Andreas Obst und Vladimir Lucic verzichten mussten, mit deutlich größeren Personalsorgen ins Spiel gegangen waren. Diese liegen hinter Alba, das vor ein paar Wochen noch zahlreiche Verletzte und vor allem Erkrankte zu beklagen hatte. Dies führte Trainer Israel González auch als Begründung an, warum sein Team anfangs nur schwer den Rhythmus fand. „Wir sind nicht besonders stabil ins Spiel gestartet. Es ist schwierig, bei so vielen Spielen in Serie mit Energie zu spielen“, sagte der Spanier: „Am Anfang haben wir gelitten, aber am Ende haben unsere Spieler an sich geglaubt.“ Über den Prestigesieg sei er deswegen auch „sehr glücklich“.
Zeit zum Feiern blieb aber, denn in der Euroleague wartete auf Alba in der Woche ein „Doubleheader“ gegen Mailand und Madrid innerhalb von zwei Tagen. Am Sonntag (15. Januar) kommt es für Alba zum nächsten Topspiel in der Bundesliga: Tabellenführer Telekom Baskets Bonn reist in die Hauptstadt, mit einem Sieg könnte der Meister die Spitzenposition übernehmen. Beide Teams weisen nur eine Niederlage auf, Bonn könnte in dieser Saison für eine Überraschung sorgen. Doch eigentlich gehen die meisten Experten davon aus, dass der Titel am Ende wieder nach Berlin oder München geht. „Wir werden versuchen, das Momentum auf unsere Seite zu ziehen“, versprach der Münchener Winston. Das nächste Aufeinandertreffen der beiden besten deutschen Teams ist für Mitte Februar beim Pokal-Halbfinale im Final Four von Oldenburg angesetzt.
Alba war mit reichlich Selbstbewusstsein in das Spitzenspiel gegangen. Der überraschende, aber nicht unverdiente 85:84-Sieg in der Euroleague gegen den Tabellenführer Baskonia Vitoria-Gasteiz hatte für viel Euphorie gesorgt. Zwar blieb Alba auch nach dem fünften Sieg im wichtigsten Europacup-Wettbewerb das Schlusslicht der Elite-Liga, doch das Team bewies immerhin, dass es nicht zu Unrecht dank einer Wildcard dort aufgenommen wurde. „Wir haben in dieser Saison einige knappe Niederlagen einstecken müssen und viel mit Verletzungen zu kämpfen. In anderen Clubs wären Spieler vielleicht nervös geworden, aber hier haben alle die Ruhe bewahrt“, sagte Trainer González sichtlich stolz. Sein Team habe über die gesamte Spieldauer „auf unserem Toplevel verteidigt“, das sei die Grundlage für den Coup gegen den Titelanwärter gewesen.
„Ich habe es schon mehrfach gesagt: Wir können jedes Team in der Euroleague schlagen“, so González: „Ich freue mich deswegen sehr für meine Spieler, sie haben sich diesen Heimerfolg verdient.“ Nicht nur der Coach sieht insgesamt einen Fortschritt auf internationalem Parkett. Alba spielt etwas reifer, geduldiger, gefestigter, selbstbewusster. „Vor zwei Wochen hätten wir dieses Spiel vielleicht noch verloren“, meinte Nationalspieler Thiemann, „aber heute haben wir nicht aufgehört, an uns zu glauben.“
Endlich auch Glück in der Euroleague
Das wurde vor allem in der Schlussphase belohnt, die reichlich nervenaufreibend war und die 6.500 Zuschauer in der Arena am Ostbahnhof in ihren Bann zog. Mit einem spektakulären Block zwei Sekunden vor dem Ende rettete Lammers den Albatrossen den Sieg, als er Markus Howards Korbleger mit allergrößtem Willen und famoser Sprungkraft verhinderte. Als dann auch noch Baskonia-Profi Matthew Costello den Ball beim letzten Wurf nur an den Korb setzte und endlich die Schlusssirene ertönte, war der Jubel unter den Berlinern groß. Endlich hatten sie einen „Großen“ geschlagen, endlich hatten sie ihr ganzes Potenzial ausgespielt, endlich hatten sie auch das notwendige Quäntchen Glück auf ihrer Seite gehabt.
Dieser Überraschungssieg tat nach unglücklichen Euroleague-Niederlagen, Verletzungspech, Erkrankungen und Formschwankungen richtig gut. „Der Glaube an den Sieg war immer da“, behauptete Thiemann.
Allerdings hatte nur ganz wenig darauf hingedeutet. Der Start ins Spieljahr 2023 beim 99:74 in der Bundesliga gegen die Fraport Skyliners Frankfurt war zwar auf dem Papier erfolgreich gewesen. Doch spielerisch ließ Alba viel von dem vermissen, was der Verein sich als Philosophie auf die Fahnen geschrieben hat: schnell, kreativ, aggressiv zu sein. „Das war über weite Teile unkonzentriert“, hatte Geschäftsführer Marco Baldi trotz des Sieges den Finger in die Wunde gelegt: „Helfen tut uns das natürlich nicht.“ Dieses Spiel hätte „keinen Beitrag“ dazu geleistet, zurück zu altem Spielverständnis zu finden. Die Spieler zeigten sich danach einsichtig. „Phasenweise war das immer noch nicht gut“, sagte Nationalspieler Maodo Lô, der zugab, dass „jeder“ die beiden darauffolgenden Topspiele gegen Baskonia und die Bayern schon „im Kopf“ hatte. „Und dann kommt auch noch eine Mannschaft, die dezimiert ist. Da kann man erzählen, soviel man will. Da ist man nicht mit dem Letzten dabei.“ Lô wollte daher auch nicht zu kritisch mit sich und seinen Teamkollegen umgehen: „Wir haben reagiert.“
Die Siege in der Euroleague gegen den Tabellenführer und in der Bundesliga gegen den Erzrivalen sind ein beeindruckender Beleg dafür.