Hochrisikospiele kosten viel Geld. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich entschieden: Der deutsche Profifußball darf an diesen Kosten beteiligt werden.

Auf den ersten Blick ist es nur eine Zahl. 415.000 Euro – so hoch fielen die Zusatzkosten aus, die das Land Bremen zur Absicherung des „Nordderbys“ zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV im Jahr 2015 aufbringen musste. Eine beachtliche Summe für ein einziges Fußballspiel, die Bremen nicht aus der eigenen, von Steuergeldern finanzierten Kasse begleichen wollte. Deshalb entschied sich die Hansestadt, die Mehrkosten der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in Rechnung zu stellen. Die DFL verweigerte jedoch die Zahlung mit dem Argument, dass die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit eine staatliche Aufgabe sei. Diese Auffassung wird grundsätzlich auch vom Bundesverfassungsgericht geteilt. Allerdings machte das Gericht deutlich, dass die DFL als Veranstalterin von Großereignissen, die nur durch den erheblichen Einsatz der Polizei möglich sind, an den damit verbundenen Mehrkosten beteiligt werden kann.
Nicht mit regulären Partien vergleichbar
Mit dieser Entscheidung setzte Karlsruhe den Schlusspunkt in einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen Bremen und dem Profifußball – zugunsten der Hansestadt. Die Richterinnen und Richter unterstrichen dabei, dass sogenannte „Hochrisikospiele“ nicht mit regulären Partien vergleichbar sind. Pro Saison gibt es etwa 50 solcher besonders sicherheitskritischen Spiele in der Ersten und Zweiten Bundesliga. Solche Begegnungen erfordern erheblich größere Sicherheitsmaßnahmen als andere Spiele. „Insbesondere bei Hochrisikofußballspielen ist die Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte wegen der besonderen Gefahrenträchtigkeit plausibel und wird durch langjährige Erfahrungen gestützt“, hieß es dazu in einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts.
Hochrisikospiele zeichnen sich dadurch aus, dass bei ihnen mit erhöhten Spannungen zwischen den Fangruppen zu rechnen ist. Nach Angaben der DFL gab es in der Saison 2022/23 bei insgesamt 612 Spielen in der Ersten und Zweiten Bundesliga 52 solcher als „Rotspiele“ eingestuften Begegnungen. Während bei normalen Spielen in Bremen 500 bis 600 Ordnungskräfte im Einsatz sind, werden bei Hochrisikospielen 800 bis 1.000 Einsatzkräfte benötigt, wie während der Verhandlungen dargelegt wurde.

Von diesem erheblichen Mehraufwand profitiert vornehmlich die DFL als Veranstalterin, da ohne diese Sicherheitsvorkehrungen die Spiele nicht stattfinden könnten. Daher sei es rechtmäßig, die Liga an den Kosten zu beteiligen, da sie als „wirtschaftlicher Nutznießer“ dieser Maßnahmen gilt.
Das Bremer Gesetz, das der gerichtlichen Prüfung unterzogen wurde, gilt ausschließlich für „gewinnorientierte Veranstaltungen“ mit voraussichtlich mehr als 5.000 Teilnehmern. Diese Einschränkung soll sicherstellen, dass die Gebühr nur bei kommerziellen Anlässen erhoben wird. Diese Differenzierung wurde von den Karlsruher Richtern als unbedenklich eingestuft. Der zusätzliche Aufwand, so das Bundesverfassungsgericht, werde durch den Profifußball verursacht. Deshalb sei es gerechtfertigt, ihn für die entstehenden Mehrkosten in die Verantwortung zu nehmen. „Insbesondere ist eine unangemessene Belastung oder eine erdrosselnde Wirkung […] nicht erkennbar“, erklärte das Gericht.
Kritik von DFL und Fan-Vertretern

Nicht nur in Bremen wurde das Urteil mit Spannung erwartet. Auch in anderen Bundesländern richteten sich die Blicke auf Karlsruhe. Beispielsweise zeigten Hamburgs Innensenator Andreas Grote (SPD) und der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) bereits Interesse am sogenannten „Bremer Modell“. Anders sieht es in Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen aus, deren Landesregierungen sich bislang gegen eine Beteiligung der Vereine an den Mehrkosten aussprechen. Gleiches gilt für die DFL, die das Urteil als „enttäuschend“ bezeichnete. Hans-Joachim Watzke, der Aufsichtsratsvorsitzende der DFL, hatte sich bereits vor der Entscheidung strikt gegen eine finanzielle Beteiligung, etwa durch einen bundesweiten Polizeikosten-Fonds, ausgesprochen. „Es wird nicht so kommen, dass die Clubs aus den Bundesländern, in denen diese Kosten nicht erhoben werden, in einen Solidartopf einzahlen“, hatte Watzke schon vor dem Urteil der „Sport Bild“ gesagt. „Das ist schon die Verantwortung auch der einzelnen Landesregierungen.“ Jeder habe an seinem Standort unterschiedliche Voraussetzungen, bekräftigte Watzke nun. Man müsse aber erst mal die konkreten Auswirkungen des Urteils abwarten.

Die Reaktionen auf das Urteil fallen jedoch gemischt aus. Das Fanbündnis „Unsere Kurve“ zeigte sich entsetzt und erklärte, man nehme die Entscheidung „fassungslos zur Kenntnis“. Nach Ansicht der Organisation füge das Urteil der staatlichen Ordnung langfristig schweren Schaden zu. Auch einige Rechtsexperten betrachten die Entscheidung als zu weitgehend. Demgegenüber reagierte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) äußerst zufrieden: „Die Entscheidung ist voll befriedigend, da bleibt nichts offen. Es ist ein sehr schöner Tag.“ Eine Begeisterung, die beim heimischen Bundesligisten Werder Bremen nicht geteilt wird. Die Verantwortlichen befürchten, von der DFL mit den Mehrkosten allein gelassen zu werden. Auch im Saarland könnte das Urteil Konsequenzen haben. Innenminister Reinhold Jost (SPD) kündigte an, das Urteil sorgfältig zu prüfen und sich mit anderen Bundesländern sowie dem Bund abzustimmen, um eine einheitliche Regelung zu finden. „Ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Ansätzen soll vermieden werden“, sagte Jost. Als möglichen Ansatz brachte er die Idee eines Fonds ins Spiel, in den Veranstalter je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit einzahlen. „Ein solcher Fonds würde vermeiden, dass zum Beispiel Heimmannschaften für gewalttätige Fans von Gastmannschaften bestraft werden“, erklärte er. Gleichzeitig müsse es einen Anreiz für die Vereine geben, selbst präventiv gegen Fangewalt vorzugehen.
Söder will keinen Zwang ausüben

Das Bundesverfassungsgericht habe mit seinem Urteil klare Leitplanken geschaffen, betonte Jost weiter. Es lenke nicht nur die finanzielle Verantwortung auf diejenigen, die durch die Veranstaltungen erhebliche Gewinne erzielen, sondern schaffe auch Rechtssicherheit. Markus Söder äußerte sich hingegen zurückhaltend. Auf der CSU-Fraktionsklausur im Kloster Banz erklärte er, dass es viele Vereine, insbesondere in der 2. und 3. Liga, gebe, die mit einer solchen finanziellen Belastung große Schwierigkeiten hätten. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) werde die Vereine daher zu Gesprächen einladen. „Aber wir werden da keinen Zwang machen“, betonte Söder.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hingegen bewertete das Urteil positiv. „Es kann nicht sein, dass jeder Bürger für kleinste Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung mit teilweise drastischen Gebühren zur Kasse gebeten wird, aber die milliardenschwere DFL die Arbeit zigtausender Polizeikräfte geschenkt bekommt“, so Heiko Teggatz, stellvertretender DPolG-Bundesvorsitzender. Eine angemessene Kostenbeteiligung sei daher richtig und notwendig.
Kritik kam dagegen erneut von Fanorganisationen. Linda Röttig, Vorstandsmitglied des Dachverbands der Fanhilfen, bezeichnete das Urteil als „Freifahrtschein für einen immer aggressiver und martialischer auftretenden Polizeiapparat“. Daran zeigt sich: Dieses Urteil spaltet nicht nur den Profifußball, sondern quasi ganz Deutschland. Argumente für und wider gibt es genug. Es wird noch einige Zeit dauern, bis eine Lösung gefunden wird, mit der alle Beteiligten zufrieden sind – wenn es diese Lösung überhaupt gibt. Wahrscheinlich nicht.