Der Klimawandel hat zu einer Revolution der Lederindustrie geführt und bringt immer neue Materialien und Veredelungstechnologien hervor. Eine Entwicklung, bei der nicht nur die Umwelt profitiert.
Mode wird immer nachhaltiger. Das gilt besonders für Leder. Der ehemals als klimaschädlich eingestufte Stoff ist inzwischen grün geworden. Das liegt in erster Linie daran, dass er nicht mehr ausschließlich aus Tierhäuten gewonnen wird, sondern auch aus pflanzlichen Abfallprodukten entstehen kann. Eine echte Revolution, die vor allem neuen Technologien am Markt und aktuellen Forschungsprojekten zu verdanken ist. Heraus kommen neue Basis-Materialien sowie spannende Texturen und Oberflächen, die Lust machen, daraus kreative Entwürfe zu schaffen. Kein Wunder, dass nicht nur kleine Designer, sondern auch große Modehäuser längst die Vorzüge von Fake-Leder für ihre aktuellen Kollektionen nutzen.
Besondere Strukturen
Die neuesten Errungenschaften der Lederindustrie hat Inversa Leathers kürzlich in einem Fachartikel veröffentlicht. Das Unternehmen wurde 2020 gegründet und verfolgt den Anspruch, biobasierte Materialien zu entwickeln, um dadurch die Artenvielfalt zu erhalten. Das gelingt, indem immer mehr Rohstoffe zwar indirekt aus der Natur entnommen, aber dennoch als umweltfreundlich eingestuft werden. Leder aus Apfelzesten, Algen, Kakteen, Ananas, Pilzen, Teakholz oder Kaffee finden sich inzwischen auf dem Markt und zeigen, dass es möglich ist, die vielen positiven Eigenschaften des tierischen Produkts auch vegan aus der Pflanzenwelt zu entleihen. Heraus kommen neben glatten Oberflächen besondere Strukturen wie Pull-up-Finishings und Wattierungen. Letztere sind zum Beispiel bei Wolford zu sehen: Hier ist der langärmlige schwarze Jumpsuit bewusst im 80er-Stil gehalten. Als echte Hingucker sind Zierleisten im Arm- und Beinbereich aus gestepptem Fake-Leder eingearbeitet. Und weil die aufgeplusterten Oberflächen sehr gemütlich aussehen, hat Lennox kurzerhand eine komplette Jacke aus wattiertem Vegan-Leder gefertigt. Durch die breite Gürtelbindung und die aufgesetzten Taschen erinnert das schicke Basic-Teil eher an einen Trenchcoat. Wem die bequeme Jacke zu wuchtig erscheint, der findet bei Esprit eine coole Alternative im klassischen Biker-Stil. Die tiefschwarze „Esprit Vegan Biker-Jacke“ besteht aus einem Polyester-Baumwoll-Mix, der in seiner Haptik echtem Leder stark ähnelt und sich ebenso robust im Alltag schlägt. Die aufgesetzten Reißverschlüsse machen das sonst schlichte Modell zu einem Hingucker für den kommenden Frühling.
Die Designer haben sich hier viel Mühe geben, die typische Narbung und Faltenbildung des tierischen Produkts zu imitieren. Das seidenmatte Finish schließlich rundet den Look ab. Um sicherzugehen, dass es sich um geprüfte vegane Qualität handelt, wurde die Jacke mit dem Peta-Siegel ausgezeichnet. Wem das Schwarz zu dunkel erscheint, der findet bei Chic et Jeune eine schicke Alternative aus weißem Polyester, das ebenfalls echtem Leder nachempfunden ist. Der Biker-Stil ist auch bei diesem Exemplar unverkennbar, denn hier wurde weder an den Ziernähten noch an den Reißverschlüssen gespart. Dabei liegt der Fokus neben den spannenden Details und wattierten Haptiken auf der Verwendung von veganem Leder. Dieses wird auch als Eco-Leder bezeichnet. Es enthält ausschließlich pflanzliche Fasern. Anders als Kunstleder kommen hier keine chemischen Bestandteile wie Polyester, PVC oder Polyurethan zum Einsatz. Das ist ein wichtiges Detail, denn der Verzicht auf chemische Stoffe macht veganes Leder klimafreundlich und schont in der Fertigung wertvolle Rohstoffe wie Energie und Wasser. Hergestellt wird es schon seit Jahrzehnten, aktuell erleben diese Naturstoffe allerdings einen echten Boom. Das liegt nicht allein an den umweltfreundlichen Herstellungsmethoden, sondern auch an den Produkteigenschaften als solche. Veganes Leder ist pflegeleicht, widerstandsfähig und nachhaltig. Außerdem überzeugt es durch eine hohe Haltbarkeit. Kleine Blessuren verzeiht das Leder nicht nur, es profitiert davon. Abgenutzte Optiken bei Jacken und Hosen sind schließlich ein weiterer Trend für das Frühjahr 2023. Dazu passen praktische Begleiter aus Ananas-Leder perfekt. Gemischt mit unterschiedlichen Kunststoffen und Latex entstehen hiermit tolle Accessoires wie Taschen, Geldbörsen und vieles mehr. Das Leder aus der Tropenfrucht wird unter dem Namen Piñatex vertrieben. Seine Entwicklung dauerte fünf Jahre und oblag Dr. Carmen Hijosa, einer spanischen Designerin, die dazu am Royal College of Art in London forschte.
Unterschiedliche Stärken
Der Vorteil des Ananas-Leders basiert insbesondere darauf, dass es in unterschiedlichen Stärken erhältlich ist und deshalb neben dem Einsatz in der Modeindustrie auch als Bezugsstoff für Sofas und Stühle herhalten kann oder als Grundlage dient, um Taschen und Schuhe anzufertigen. Letztere sind aktuell von den Sportartikel-Herstellern Adidas und Nike am Markt zu haben. Ananas-Leder ist außerdem günstiger in der Produktion als tierische Alternativen. Es lässt sich beliebig weiterverarbeiten und einfärben. Die Basis des Leders bilden die Blätter der Frucht, die als Nebenprodukt bei der Ernte auf den Philippinen anfallen. Statt sie wegzuwerfen, haben die Bauern durch die Weiterverwendung eine weitere Einnahmequelle. Die langen Pflanzenfasern werden maschinell extrahiert, getrocknet und gereinigt. Das entstandene Vlies wird im letzten Schritt mit Polymilchsäure vermischt und ist dann bereit für die Weiterverarbeitung zum Bekleidungsstoff und vielen weiteren Produkten. Dabei ist die Ananas nicht die einzige Bezugsquelle für veganes Leder. Auch Kork kommt hier infrage. Dieser stammt von der gleichnamigen Eiche. Die Bauern schälen die Rinde der Korkeiche vorsichtig ab. Das gelingt bis zu 20-mal. Der Baum selbst bleibt erhalten und fällt keinen Rodungen zum Opfer.
Die geschälte Rinde ist etwa fünf Zentimeter dick und erfüllt unterschiedliche Aufgaben. Die Außenseite wird zu Pinnwänden oder Bodenbelägen verarbeitet. Der innere Bereich wird zu Flaschenkorken. Die Mitte schließlich erfüllt mit einer Stärke von 1,5 Zentimetern alle Anforderungen zur Herstellung des begehrten Kork-Leders. Dieses zeichnet sich durch eine weiche Haptik und seine natürliche Maserung aus. Die verwandelt jedes Kleidungsstück in ein echtes Unikat. Zur Reinigung genügt ein feuchter Lappen. Wasserfest sind die Kleidungsstücke noch dazu. Wenngleich die Produktion etwas aufwendiger ist als zum Beispiel bei Ananas-Leder, wissen bekannte Modefirmen wie Hugo Boss die Vorzüge von Kork-Leder bereits zu schätzen und verwenden sie zur Fertigung ganzer Kollektionen.
Leder wird aufbereitet
Wer es glänzender mag für den großen Auftritt und auf tierfreie Produkte weniger Wert legt, der kann neuerdings zu Fisch-Leder greifen. Es glänzt und hat wunderbare Meereshaut-Effekte. Damit beantwortet das Leder die steigende Nachfrage nach Perlglanzeffekten und Metallic-Looks. Kein Wunder, dass dieser Trend an Reisen über den Ozean erinnert. Der Hingabe zum Meer kommt der glänzende Wet-Effekt entgegen. Bereits in den 1980er-Jahren waren Wet-Looks der Hingucker auf Modeschauen, nun sind sie wieder da. Dabei sehen nicht nur die Haare und Gesichter aus wie frisch aus dem Wasser entsprungen, auch das Leder schimmert mit der Sonne um die Wette. Ein echter Eye-Catcher! Vegan ist das Ganze zwar nicht, aber Fisch-Leder ist zumindest nachhaltig, weil die Fischhaut als Abfallprodukt bei der Produktion von Fischkonserven anfällt. Apropos Abfall, auch recyceltes Leder ist stark nachgefragt. Einige Labels wie H&M nehmen gebrauchte Lederkleidung wieder zurück und kümmern sich um die Wiederaufarbeitung gut erhaltener Stücke. Ansonsten lohnt sich der Weg in einen Secondhandladen oder die Online-Suche nach Labels, die bewusst mit Altleder arbeiten und tolle neue Entwürfe zaubern. Gute Beispiele hierfür sind Maison Hēroïne aus Berlin oder Catto Catto mit seinen schicken Taschenkollektionen aus London. Die Gerbung erreichen die unterschiedlichen Leder-Arten mehr und mehr über Pflanzenfarben. Diese ersetzen die als schädlich für die Gesundheit eingestuften Chromgerbungen.
Je nach Farbe und Haptik ergeben sich daraus besondere Drucke – der eindrucksvollste Trend für das Jahr 2023. Dahinter steckt der steigende Anspruch, regeneratives Leder zu verwenden. Es wurde von Inversa Leathers selbst entwickelt und gilt als Wegweiser für eine ganze Industrie. Regenerativ bedeutet, dass die verwendeten Stoffe nicht nur nachhaltig sind, sondern proaktiv etwas für den Klimaschutz leisten. So verbindet sich die Freude an neuen Produkten mit dem guten Gewissen, beim Kauf einen grünen Fußabdruck zu hinterlassen.