Der Virologe Jürgen Rissland ist mit der „Goldenen Ente“ der Landesspressekonferenz Saar ausgezeichnet worden. Für ihn und seinen Kollegen Hendrik Streeck war die Verleihung Anlass zu kritischen Anmerkungen zum Verhältnis von Wissenschaft und Medien in Pandemiezeiten.
Jürgen Rissland war die Freude über die Auszeichnung sichtlich anzumerken. In einer launigen Antwort nach der offiziellen Übergabe der „Goldenen Ente“ berichtete er die ein oder andere Anekdote aus der Zeit der Pandemie, als er ziemlich unverhofft im Scheinwerfer öffentlicher Aufmerksamkeit stand. Das Expertenwissen des Virologen war gefragt in einer Zeit, die zunächst von großen Unsicherheiten und dann von heftigen Diskussionen um die angemessenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie geprägt war.
Rissland hatte eigentlich mit seinen Aufgaben in der Homburger Virologie alle Hände voll zu tun, stand aber quasi rund um die Uhr als beratender Experte für politische Entscheider zur Verfügung. Und für die Medien. Unermüdlich versuchte er, den jeweils aktuellen Erkenntnisstand zu den Entwicklungen auch so zu vermitteln, dass es für jeden nachvollziehbar und verständlich war. Im Fernsehstudio, so eine seiner Schilderungen, brauchte er bald keine Hinweise mehr, wusste er doch nach den zahlreichen Auftritten bald ebenso Bescheid wie die Profis im Studio.
Das alleine wäre noch kein ausreichender Grund für eine Auszeichnung, schließlich ging es vielen seiner Kolleginnen und Kollegen in den Pandemiezeiten ganz ähnlich. Was aber überzeugte, war die Art, wie er sein Expertenwissen mit der Öffentlichkeit teilte. Nämlich „ohne dabei zu versuchen, Einfluss auf die redaktionelle Arbeit zu nehmen und, anders als manch anderer Experte, ohne eine bestimmte pandemiepolitische Agenda zu verfolgen“, zitierte der Vorsitzender der Landespressekonferenz, FORUM-Redakteur Oliver Hilt, die Begründung bei der Überreichung des Ehrenpreises.
Der Bonner Virologe Hendrik Streeck, der als Laudator eigens nach Saarbrücken gekommen war, unterstrich: „Jürgen Rissland hat eigentlich in der Pandemie so kommuniziert, wie ein Wissenschaftler kommunizieren sollte, nämlich, dass man sich darauf beruft, was eine sichere Kenntnis ist, und was vielleicht im Unsicheren liegt. Und dass man sich nicht verleiten lässt, zu spekulieren und Aussagen zu machen, die am Ende wieder revidiert werden müssen.“
„Es gibt kein Richtig und kein Falsch“
Die Pandemie hat ein Dilemma offenbart, das sich auch in anderen strittigen Diskussionsfeldern immer wieder zeigt. Einerseits erwartet die Öffentlichkeit von der Wissenschaft klare und objektive Aussagen. Das gilt für das Verhalten in der Pandemie, aber auch für alle anderen Felder, in denen für Entscheidungen wissenschaftliche Gutachten herangezogen werden. Aber Wissenschaft funktioniert ihrem Wesen nach anders.
Streeck betonte, Wissenschaft lebe davon, „dass man auch unterschiedliche Meinungen hat, dass man einen Diskurs hat, darüber auch miteinander ins Gespräch kommt und versucht, eine gemeinsame Kenntnis zu finden. Es gibt kein Richtig und Falsch, das ein einzelner Virologe, eine einzelne Person als Etikett aufkleben kann, ganz im Gegenteil.“
Das Spannungsfeld, das sich in der Pandemie gezeigt hat, gibt es aber nicht nur zwischen Wissenschaft und Medien, es wird noch etwas komplexer, wenn Politik die Wissenschaft um ihre Expertise bittet. Jürgen Rissland verwies darauf, dass er sich plötzlich auch in jener Rolle wiedergefunden hat. „Politikberatung in einer sehr unmittelbaren Form“, so Rissland, was auch heißt, dass sich der Wissenschaftler dabei bewusst sein muss, dass seine Empfehlungen „mehr oder weniger gleich auch in politischen Entscheidungen“ umgesetzt werden. Für den Virologen eine besondere Erfahrung. „So etwas ist neu. Das ist überraschend, auch anstrengend, weil man sich natürlich der Verantwortung bewusst ist. Aber tatsächlich hat es eben auch gezeigt, dass auch die Virologen in der Lage sind, praktisch entsprechende Beratung durchzuführen.“