Vor knapp einem Jahr war im Saarland „Land unter“. Beim heftigen Pfingsthochwasser ist das Land knapp an einer Katastrophe vorbeigekommen. In Sachen Hochwasserschutz ist einiges passiert. Manchem geht es aber nicht schnell genug voran.
Die Bilder von Olaf Scholz in Gummistiefeln in den überfluteten Straßen von Kleinblittersdorf gingen quer durch die Republik. Einmal mehr stand damit Kleinblittersdorf im Fokus, aber diesmal nicht nur für ein lokales Einzelereignis, sondern für die Situation im ganzen Land. Eine Wahlkampfveranstaltung des damaligen Bundeskanzlers war wie fast alle für Pfingsten geplante Veranstaltungen abgesagt worden.
Stattdessen war das ganze Land auf den Beinen, um zu retten, zu unterstützen, zu helfen, wo immer Hilfe gebraucht wurde. Und die wurde überall gebraucht, auch an Stellen, die von früheren Hochwasserereignissen einigermaßen verschont geblieben waren. Dank der professionellen und freiwilligen Hilfe über Tage (und Nächte) hinweg und auch dank Unterstützung von außerhalb des Landes verlief vieles einigermaßen glimpflich.
Das Saarland hat aus früheren vergleichbaren Ereignissen viel gelernt und viel auf den Weg gebracht. Aber einmal mehr ist vor einem Jahr deutlich geworden: Derartige Ereignisse häufen sich, werden immer intensiver – und teilweise auch unberechenbarer. Eine Entwicklung, die Klimaforscher schon lange vorausgesagt haben.
„Kein Projekt am Geld gescheitert“
Die Landesregierung hatte im letzten Jahr nicht nur mit zweistelligen Millionenbeträgen für Soforthilfen gesorgt (das Land hatte Geld in einem Nachtragshaushalt frei gemacht und 46 Millionen zur Verfügung gestellt), sondern auch einen „Zukunftsplan Hochwasser“ angekündigt. Klimafolgenbekämpfung.
Die Bilanz nach knapp einem Jahr: Es ist viel passiert, Mittel sind bereitgestellt worden, bei der Umsetzung von Maßnahmen geht etliches nicht so zügig voran, wie es wünschenswert und wohl auch notwendig wäre, und zwischen Land und Kommunen ist einmal mehr eine Debatte ums Geld entbrannt. Die Kommunen erkennen – in Gestalt des Städte- und Gemeindetages (SSGT) – zwar viele Anstrengungen des Landes an, sind aber der Meinung, dass es noch nicht ausreicht. Der SSGT verweist beispielsweise auf Rheinland-Pfalz, wo unter anderem als Folge aus der Flutkatastrophe im Ahrtal (2021) ein eigener Fonds für Klimafolgen-Schutzmaßnahmen aufgelegt wurde. So was wäre auch im Saarland notwendig. Die Landesregierung ihrerseits kann die Vorhaltungen der kommunalen Seite nicht wirklich nachvollziehen. Die ursprüngliche Förderung für entsprechende kommunale Maßnahmen war von 70 auf 90 Prozent erhöht worden, die verbleibende Eigenanteile von zehn Prozent dürften wohl „niemanden umhauen“, meinte Innenminister Reinhold Jost. Derartige Kritik an den finanziellen Anstrengungen des Landes zugunsten der Kommunen hält er für „vollkommenen Blödsinn“. Bislang sei noch kein einziges Projekt gescheitert, weil es nicht genügend Geld gegeben hätte.
Auch in einem anderen Punkt gehen die Positionen auseinander. Kommunen beklagen einen zu hohen bürokratischen Aufwand bei der Antragstellung. Umweltministerin Petra Berg hält dagegen: „Wir haben keine bürokratische Belastung“, und bietet in gleichem Atemzug dem SSGT an, aufzuzeigen, wo die kritisierten Belastungen sein sollten.
Für die Belange, für die die Landesregierung unmittelbar zuständig ist, mag es auch tatsächlich vergleichsweise unbürokratisch vonstattengehen. Aber es gibt eben auch noch andere Hürden, die teilweise in Bundes- oder EU-Recht begründet liegen. Und manchmal sind es auch die Verhältnisse vor Ort selbst, wenn beispielsweise für eine Maßnahme ein Stück Land benötigt wird, das aber in Privatbesitz ist. Auch ein Mangel an Planungskapazitäten kann zu Verzögerungen führen.
Zu größeren Schutzprojekten zählen etwa die Sanierung eines Rückhaltebeckens in der Gemeinde Kleinblittersdorf, eine Flutmulde in Bexbach und ein Rückhaltebecken in der Gemeinde Überherrn. Über weitere Projekte sei man mit Kommunen im Gespräch, erläutert Ministerin Berg.
Kommunen hatten auch kritisch angemerkt, dass es den zugesagten Hochwasserberater, der die Kommunen bei der Umsetzung unterstützen soll, nach knapp einem Jahr noch nicht gibt. Die Stelle soll nach Angaben des Ministeriums zum August besetzt sein.
Zudem weist die Umweltministerin auf eine Reihe weiterer Maßnahmen hin, die helfen sollen, besser mit künftigen Starkregen- und Hochwasserlagen umgehen zu können. Mehr als die Hälfte der saarländischen Kommunen verfügt demnach über vom Land mitfinanzierte Gefahrenbewertungskarten. Förderanträge weiterer Kommunen seien in der Bearbeitung. Solche Karten helfen bei der Einschätzung, wo Schutzmaßnahmen wie Rückhaltebecken oder Deiche Sinn machen.
Zudem sind in den letzten Wochen grundlegende Projekte (mit wissenschaftlicher Begleitung) auf den Weg gebracht worden, die Vorhersagen und Einsatzplanungen verbessern sollen. So sind die Landkreise St. Wendel, Neunkirchen und der Saarpfalz-Kreis am Projekt KLIGAS beteiligt. KLIGAS steht für Klimagefahrenabwehrsystem Blies, das letztlich KI-gestützt zu einem landesweiten Frühwarnsystem ausgebaut werden soll.
Millionen für Katastrophenschutz
Zudem wurde eine Extremgefahrenkarte für Hochwasser- und Starkregenereignisse vorgestellt. Die interaktive Karte zeigt, welche Flächen wie stark überflutet werden könne, wie das Wasser dort fließt und vor allem mit welchen Fließgeschwindigkeiten. Das sind insbesondere für Rettungskräfte und Helfer wichtige Informationen, um Einsatz- und Rettungswege einschätzen und planen zu können.
Auch in Sachen Katastrophenschutz hat die Landesregierung einiges auf den Weg gebracht an Investitionen (immerhin gut 11,5 Millionen Euro), was auch auf der kommunalen Seite anerkannt wird. Knapp zwei Millionen Euro wurden in zusätzliche Ausstattung von Strömungsrettern investiert, die dieser Tage übergeben wurden.
Auf der Liste der Beschaffungen, die sich nach Angaben des Innenministeriums in der Ausschreibung befinden, stehen eine ganze Reihe von Spezialausrüstungen wie Wechselladerfahrzeuge, Teleskoplader, Hochleistungspumpsysteme und vieles mehr. Alles Dinge, deren Beschaffung auch nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann, weil so was halt mal nicht in Regalen zum Verkauf steht, wie Innenminister Jost betont.
Was nun die Unstimmigkeiten zwischen Land und Kommunen betrifft, sollen mögliche Missverständnisse oder auch möglicherweise fehlende Informationen auf einem „Hochwasserkongress“ noch in diesem Monat geklärt werden, kündigte die Landesregierung an.