Strom mit Solarzellen erzeugen, Müll recyceln, Abwasser reinigen: Im südlichen Afrika schützen manche Safari-Anbieter große Landstriche und sind Vorreiter für nachhaltiges Reisen. Viel bewirken können Urlauber auch, wenn sie ein Land wie Malawi besuchen: Dort setzt man auf Ökotourismus.
Am schönsten Ende der Welt schaukelt ein beigefarbener Land Rover durch die Dünen. Er nimmt die Piste des „Sunset Boulevard", wo man Abend für Abend aufs Neue der Sonne beim Untergehen und den Buschmannbergen beim Erröten zusehen kann, ohne dass es einem dabei auch nur eine Spur langweilig wird. Der Wagen fährt vorbei an Oryxantilopen, die ihr Blut und vielleicht auch ihr Gemüt im Wind kühlen, hinab ins Tal. Dann zuckelt er, ein kleiner Punkt in der weiten Graslandschaft, bis zu dem Häuschen, das am Horizont auf einem Hügel steht. Dahinter liegen die Dünen der Namibwüste und das Meer. Ein Farmer, sein Name ist längst in der Geschichte versandet, hat die Hütte einmal „Chateau" getauft: Sie thront wie ein Schloss über der Ebene und bietet den besten aller Ausblicke.
Nur wenige Menschen finden hierher. Es sind diejenigen Gäste, denen selbst die abgeschieden gelegenen Unterkünfte des Namib Rand Nature Reserve noch nicht abgeschieden genug sind. Das private Schutzgebiet liegt im Südwesten Namibias und ist mit etwa 200.000 Hektar Fläche etwa doppelt so groß wie Berlin. Auf dem Areal gibt es nur wenige Unterkünfte: Wer in den Camps der Wolwedans Collection, dem Farmhaus für Selbstversorger oder auf Stellplätzen für Camper übernachtet, um bei organisierten Fahrten einen Köcherbaumwald zu entdecken, in versteinerten Dünen herumzuklettern, mysteriöse Feenkreise zu erkunden oder einfach nur die Landschaft zu genießen, bezahlt eine Naturschutzabgabe.
In den letzten Jahrzehnten ist das durch Überweidung mit Schafen und Rindern geschundene Land wiederauferstanden: Zäune und andere Hinterlassenschaften der Farmer wurden abgebaut, sodass inzwischen wieder Oryxantilopen und Springböcke, aber auch Zebras, Strauße und Giraffen zu Hause sind. Nicht nur das weite Land, sondern sogar der Himmel wird hier inzwischen geschützt: Das Areal ist als erstes „Dark Sky Reserve" in Afrika ausgezeichnet worden. Störende Lampen werden abgebaut, Fahrzeuge sind nachts nur mit Standlicht unterwegs, damit man den Sternenhimmel in seiner ganzen Pracht genießen kann.
Müll wird penibel getrennt
Und was passiert hinter den Kulissen? Andere Camps in Namibia zeigen Gästen natürlich nicht, dass sie ihren Strom per Dieselgenerator erzeugen, den Müll verbuddeln und das Abwasser ungeklärt in die Erde sickern lassen. Wer in den Luxuszelten der Wolwedans Collection übernachtet, wird aber zu einer „Heart to Home"-Tour eingeladen. Nichts bleibt einem dabei verborgen, jede Tür darf man öffnen. Man sieht, wo das Wasser aus der Erde kommt (bald soll es abgefüllt werden, um Plastikflaschen zu ersetzen) und auch, wie es aufwendig gereinigt wird. Der Generator ist nur noch für Notfälle da: Längst liefert die Sonne allen Strom, den die Camps benötigen. Der Müll wird penibel getrennt. Was nicht ins Recycling geht, nutzt man kreativ vor Ort: Alte Joghurtbecher fungieren nun als Setzgefäße für die hauseigene Gärtnerei. Auch Kunst kann aus Abfall entstehen: Wenn aus Glasscherben Schmuck wird oder aus Segeltuch-Resten eine Handtasche, werden Ressourcen geschont und neue Arbeitsplätze geschaffen.
Das Projekt „Trash to Treasure" ist nur eine der Ideen von Stephan Brückner, der sich auch von der touristischen Zwangspause aufgrund der Corona-Pandemie nicht von seinem Weg abbringen lässt. Der Wolwedans-Chef will künftig so viele Produkte wie möglich direkt vor Ort herstellen oder in der Umgebung kaufen, statt sie viele hundert Kilometer weit mit dem Lastwagen in die Wüste zu karren. Auch könnte es eine gemeinsame Wäscherei geben für alle Camps und Lodges in der Umgebung, auch jene bei den berühmten roten Dünen von Sossusvlei. So ließe sich enorm viel Wasser sparen, Namibias kostbarste Ressource.
Wer Wolwedans besucht, ist beeindruckt von Namibias Best-Practice-Beispiel in Sachen sanftem Tourismus. Doch wie lassen sich bei der Reiseplanung solche Unterkünfte finden, die es ernst meinen? Spezialisten können helfen: Wer beim Safari-Veranstalter Abendsonne Afrika anfragt, bekommt entsprechende Tipps. „Wir empfehlen gerne Camps und Lodges, die Wert legen auf Nachhaltigkeit und die Unterstützung der lokalen Bevölkerung", erklärt Afrika-Experte Michael Merbeck. Die entsprechenden Unterkünfte sind im Katalog extra gekennzeichnet.
Camps erzeugen grünen Strom
Offizielle Entscheidungshilfen, um Greenwashing von ernsthaften Angeboten unterscheiden zu können, bieten allerdings nur wenige Länder. In Botswana können sich Unterkünfte von der lokalen Tourismusbehörde zertifizieren lassen. Kriterien sind nachhaltiges Wirtschaften, die Einbindung der Bevölkerung, die Vermittlung der Kultur und der Beitrag zum Artenschutz. Nur wer in allen Bereichen vorbildlich agiert, bekommt das „Ecotourism"-Label.
„Wir vermeiden Beton, Stahl und Fundamente. Camps auf Stelzen sind besser, um die Vegetation möglichst wenig zu beeinträchtigen", erzählt Warren Ozorio, der bei Wilderness-Safaris für das Nachhaltigkeitsmanagement zuständig ist. Seine Herausforderung: „Wenn wir ein Camp verlegen oder aufgeben, darf man drei Monate später nicht mehr sehen, dass an diesem Ort einmal etwas stand." So strikt sind längst nicht alle Anbieter, doch Umweltverträglichkeitsprüfungen sind vorgeschrieben. „Anderswo hat sich die Sache damit erledigt", meint Warren Ozorio. „In Botswana wird kontrolliert, ob die Vorgaben eingehalten werden."
Wer in Luxus-Camps übernachtet, verbraucht mehr Ressourcen als Reisende, die mit rustikalen Campingplätzen ohne Strom und Wasser zufrieden sind. Auch über den Kohlendioxidausstoß der Buschflieger, die Gäste von Camp zu Camp transportieren, redet man in Botswana nur ungern. Doch das Geschäftsmodell von Wilderness-Safaris sorgt für viele Jobs und hohe Konzessionsgebühren, die je nach Region den Anwohnern zugutekommen oder dem Staatshaushalt. Das ist Teil einer Strategie, die Wilderness-Safaris mit „4C" beschreibt: In den vier Bereichen Commerce, Community, Culture und Conservation (Wirtschaft, Gemeinschaft, Kultur und Naturschutz) will man möglichst nachhaltig agieren.
19 Camps von Wilderness-Safaris erzeugen ihren Strom heute mit erneuerbarer Energie, die Sonne sorgt auch fast überall für heißes Wasser. Warren Ozorio hat es jüngst einmal ausgerechnet: „Wir sparen so fast eine Million Liter Diesel im Jahr." Das verbessert nicht nur die Klimabilanz, sondern minimiert auch das Unfallrisiko. „Einige unserer Camps liegen mitten im legendären Okavangodelta. Früher kam der Treibstoff per Boot. Wäre an einer so sensiblen Stelle eine Ladung verunglückt, hätte das katastrophale Folgen gehabt."
Tourismus kann auch dabei helfen, große Flächen vor Übernutzung und Jagd zu schützen. Selinda liegt abseits von Botswanas Attraktionen im Norden des Landes: In guten Regenjahren verbindet dort ein natürlicher Kanal die Flüsse Okavango und Linyanti. Großwildjäger schossen hier Trophäen, bis vor mehr als 15 Jahren die Naturschutzorganisation Great Plains Conservation übernahm und die Gewehre verstummen ließ. „Als wir die Konzession übernommen haben, gab es auf dem 130.000-Hektar-Areal von Selinda nur noch 50 Büffel. Heute sind es wieder viele Tausend", sagt Dereck Joubert, „National-Geographic"-Filmemacher und Chef von Great Plains Conservation. Sogar Tiere, die sehr alt werden können, entspannen. „Die Elefanten nahmen sich früher im Schnitt nur sechs Sekunden zum Trinken und rannten dann zurück in den Busch, um sich zu verstecken. Heute erlauben sie uns, die Herden zu begleiten. Sie vertrauen uns."
Hotspot der Artenvielfalt
Alle Profite aus dem Campbetrieb von Great Plains Conservation fließen in den Naturschutz. Außerdem betreibt das Team erfolgreich Fundraising: Mehr als vier Millionen Euro kostete die Umsiedlung von 86 Nashörnern nach Botswana. Und als die Corona-Pandemie den Tourismus zum Erliegen brachte, wurden Ranger in neun afrikanischen Staaten mit rund einer Million Euro unterstützt, um weiter Tiere und Land schützen zu können. Inzwischen ist Great Plains Conservation auch in Simbabwe aktiv. Dort zählen der Mana-Pools-Nationalpark und angrenzende Gebiete zum Unesco-Welterbe. Wie auch einst in Botswana, hat dort fehlende Kontrolle den Tierbestand in Gefahr gebracht. In der Sapi-Konzession hat das ein Ende: Das 118.000 Hektar große Areal mit seinem 36 Kilometer langen Sambesi-Ufer liegt östlich des Nationalparks und wurde von Great Plains Conservation in ein echtes Schutzgebiet verwandelt. Nun entdecken Besucher bei Safaris mit dem Auto, dem Kanu und zu Fuß das Areal. Das kostet –
doch wer hier übernachtet, zahlt auch, um den Wandel zu unterstützen.
Auch aus dem Südosten des Kontinents gibt es eine Erfolgsgeschichte. Das kleine Land Malawi gilt wegen der Freundlichkeit der Menschen als das „warme Herz Afrikas". Hier kann man auf Safari gehen, dann an den Stränden des Malawisees entspannen. Der ist bis zu 700 Meter tief und ein Hotspot der Artenvielfalt: Es gibt viele hundert verschiedene Buntbarsche, denen man beim Schnorcheln zwischen Granitfelsen so nahekommt wie Meeresfischen im Korallenriff. Glasklares Wasser, sandige Buchten, blank polierte Felsen, uralte Baobabbäume: An manchen Stellen wähnt man sich auf einer Trauminsel im Indischen Ozean – muss aber nicht im Lotto gewinnen, um sich eine Reise leisten zu können.
Dass in Malawi (wieder) etwas im Busch ist, spricht sich langsam herum. Vor fast 20 Jahren hat die Naturschutzorganisation African Parks das Management des Majete Wildlife Reserve übernommen. „Nach Jahrzehnten der Wilderei gab es auf den 715 Quadratkilometern damals nur noch eine Handvoll Antilopen zu sehen", erzählt Parkmanager John Adendorff. Viele hatten das geplünderte Schutzgebiet schon aufgegeben, doch dann kam alles anders. Erst wurde ein Elektrozaun errichtet, den Wildhüter rund um die Uhr bewachen. Sanfter Druck (und das Versprechen, keine Ermittlungen einzuleiten) führten dazu, dass die Bewohner der Dörfer in der Umgebung des Parks fast 500 Gewehre ablieferten, mit denen sie früher im Reservat illegal auf die Jagd gegangen waren. 2.000 selbst gebastelte Fallen aus Draht und 300 schwere Fangeisen aus Metall wurden konfisziert.
2003 hatte der Park nur zwölf Angestellte. Heute sind es 165, viele davon aus den Gemeinden in der Umgebung. Schulen werden unterstützt und Dorfkliniken gebaut, es gibt Landwirtschaftsprojekte, Fischfarmen und rund 800 Imker, die tonnenweise Honig produzieren. All das kostet viel Geld: Das Parkbudget beläuft sich auf etwa 2,4 Millionen Euro. Der Großteil wird mit Spendengeld finanziert, denn die Einnahmen aus dem Tourismus reichen bei Weitem nicht aus. So wirbt Parkmanager John Adendorff um mehr Besucher: „Wem der Schutz der Natur wichtig ist, sollte uns besuchen. Jeder Cent, den wir verdienen, bleibt im Park."
Die Wiederauferstehung von Majete ist ein Erfolgsmodell: Gewildert wird kaum noch, obwohl es wieder reichlich Beute gäbe. African Parks hat in den letzten Jahren in einer Aktion Arche Noah Tausende Tiere nach Majete umgesiedelt, die sich seither munter vermehrt haben. „2.000 Büffel, 300 Elefanten, 50 Löwen, 40 Leoparden", nennt John Adendorff die aktuellen Zahlen. Dazu kommen die besonders gefährdeten Wildhunde, aber auch Schuppentiere. Es gibt einen Campingplatz und die vom Park gemanagte „Thawale Lodge", aber auch eines der schönsten Safaricamps in Afrika. In der von Robin Pope Safaris betriebenen „Mkulumadzi Lodge" sitzt man mit seinem Gin Tonic unter uralten Ahnenbäumen am prasselnden Lagerfeuer und blickt auf den rauschenden Fluss, der sich über Stromschnellen und Kaskaden tosend dem Sambesi entgegenstürzt. Schon Missionar und Afrika-Entdecker David Livingstone war hier einst unterwegs.
Nach dem Erfolg in Majete hat African Parks im Jahr 2015 auch den Liwonde-Nationalpark unter seine Fittiche genommen. 50.000 Fangschlingen wurden entfernt, die Wilderei reduziert, Tiere wieder angesiedelt. Nun wirkt das Schwemmland am Ufer des Shire, der hier noch träge dahinfließt, wie Afrikas Garten Eden: Wasserböcke weiden das Gras ab, Sattelstörche staksen durch die Lagunen, Elefanten bespritzen sich mit Schlamm. Nachts kommen grunzende Flusspferde bis auf ein paar Meter heran an die Safarizelte des romantischen „Kuthengo Camps". Klappt es mit den Genehmigungen, sollen noch dieses Jahr einige Leoparden ausgewildert werden. Neben Majete wäre Liwonde dann wieder Malawis zweites „Big Five"-Reservat. Die größte Aufgabe steht aber weiter im Norden an, im bergigen Hinterland des Malawisees: Das Nkhotakota Wildlife Reserve ist 1.800 Quadratkilometer groß (das Saarland misst knapp 2.600 Quadratkilometer). Durch den unberührten Miombowald streifen nach einer der größten Umsiedlungsaktionen der Geschichte wieder 500 Elefanten: Bis heute ist Nkhotakota eines der letzten echten Wildnisgebiete in Afrika.