Jürgen Klopp wird ab Januar 2025 Fußballchef beim Red-Bull-Konzern. Viele Fans zeigten sich enttäuscht, für Red Bull ist es ein Coup. Doch was ist es wirklich?
Satte 10,6 Milliarden Euro – solch einen Umsatz generiert der Konzern Red Bull mit seinen Dosen. Das alleine wäre schon Grund genug, ordentlich zu feiern. In den vergangenen Wochen wurde im Salzkammergut aber nicht deshalb gejubelt, sondern wegen einer Zeitenwende im deutschen und internationalen Fußball: Jürgen Klopp wird ab dem 1. Januar 2025 „Head of Global Soccer“ beim Brause-Imperium. „Ich könnte nicht aufgeregter sein, als mich an einem Projekt wie diesem zu beteiligen“, meldete sich Klopp in einer Mitteilung des Konzerns danach zu Wort. Er sehe seine Rolle „in erster Linie als Mentor für die Trainer und das Management der Red-Bull-Clubs, aber letztendlich bin ich Teil einer Organisation, die einzigartig, innovativ und zukunftsorientiert ist“.
Bei aller Innovation und Hinweise auf die Strahlkraft eines Klopp: Diese Verpflichtung hat Kalkül. Denn im großen Konzern werden sie langsam ein wenig ungeduldig. „Wenn die Lücke mal aufging, waren wir bisher nie da“, sagte einer aus dem innersten Zirkel des Red-Bull-Imperiums, wie die Kollegen des „Spiegel“ recherchierten: „Die letzte Konsequenz hat dann gefehlt.“ Den Namen dieses Mitarbeiters des Konzerns hielt das Magazin geheim. Die Ziele von Red Bull sind nämlich sonnenklar: Meistertitel, Gewinn der Champions League – das sind die Meilensteine, die der Konzern erreichen will. Ein wenig Bundesliga und international spielen reicht da nicht mehr.
Klopp soll die Sehnsucht nach Titeln stillen
Also wird Jürgen Klopp verpflichtet. Das war insofern nicht nur die Sportmeldung des Tages, sondern wahrscheinlich die Sportmeldung des Jahres. Klopp erhielt vor Kurzem den Bundesverdienstorden, hat vor Jahren den FSV Mainz 05 bundesweit bekannt gemacht, stürzte mit seinen jungen Wilden in Dortmund zwei Jahre in Folge die Bayern, ehe er den FC Liverpool wieder zu einer Meistermannschaft machte. Jetzt wird er das Gesicht des Konzerns aus Fuschl am See. Passt das zusammen? Eher nicht. Es gibt jedoch bei Klopp ein Muster.
Während Klopp immer betonte, nach seinem anstrengenden Engagement auf der Insel eine längere Pause zu benötigen, heuert er nun nach sechs Monaten beim Konzern an. Auch damals nach seinem Rücktritt bei Borussia Dortmund dauerte es nur drei Monate, ehe er zum FC Liverpool wechselte – auch da hatte Klopp eine längere Auszeit angekündigt. Dass er nun nach seiner Ankündigung, „keine Energie mehr zu haben“ nach kurzer Zeit bei einem Energy-Drink-Unternehmen anheuert, brachte ihm logischerweise Spott in den sozialen Medien.
Klar ist: Klopp wird nicht mehr so sehr in der Öffentlichkeit stehen wie in den vergangenen Jahren. Nicht in vorderster Reihe, sondern eher im Hintergrund. Vor allem die Talente soll Klopp entwickeln: Er soll „das unglaubliche Fußballtalent, das uns zur Verfügung steht, weiterentwickeln, verbessern und unterstützen.“ Dann ergeben die Worte, die Konzern-Chef Oliver Mintzlaff zuletzt im „Kicker“ wählte, noch mehr Sinn: „Als Aufsichtsratsvorsitzender erwarte ich, dass wir nicht jedes Jahr Millionen in den Nachwuchs investieren und am Ende gar keine wirkliche Durchlässigkeit haben“, hatte er bemängelt: „Das ist nicht unser Anspruch.“ Klopps Rolle ähnelt eher der, die Ralf Rangnick von 2019 bis 2020 begleitete; damals war dieser öffentlich auch eher weniger präsent. Beraubt man Klopp damit einer seiner größten Stärken? Womöglich. Auch deshalb ist es denkbar, dass die Konzernspitze ihre neue Errungenschaft mehr in den Vordergrund drängen wird, quasi als Aufpolierung des eigenen Images. Denn für die Galionsfigur des deutschen Fußballs wurde extra ein eigener Job geschaffen, den es so vorher noch nicht gab. Der Red-Bull-Konzern hatte und hat mit Red Bull Salzburg, RB Leipzig, den New York Red Bulls, früher bekannt als New York Metro Stars, Red Bull Bragantino in Brasilien und dem mittlerweile wieder geschlossenen Projekt Red Bull Ghana Fußballclubs auf vier Kontinenten in seinem Portfolio. Hinzu kommt der FC Liefering in Österreich, der vor allem Talente ausbilden soll. Klopp hat also einiges zu tun.
Das Image soll besser werden
Neben aller fußballerischer Expertise geht es bei dieser Verpflichtung wie bereits angesprochen logischerweise auch um einen Imagegewinn. Für viele Fans beinhaltet dieser Move jedoch eine Drohung: Wir kaufen uns einfach euren Liebling. Das Schlimme daran: Das Risiko dabei trägt ausschließlich Klopp selbst. Das Ausmaß dieser Entscheidung dürfte er auch in den vergangenen Tagen gespürt haben. Während viele Klopp für den Heilsbringer und trotzdem als einen von ihnen wahrgenommen haben, wird nun auch dem letzten Romantiker klar: Klopp ist und war nie „the normal one“, sondern jemand, der die Mechanismen des Fußballs und den dazugehörigen kapitalistischen Ansatz verstanden hat und ihn perfekt mitspielt. Es ist kaum möglich, den Fernseher anzuschalten, ohne dass Klopps breites Grinsen über die Mattscheibe flimmert. Dass er für so unterschiedliche Produkte wie Opel, Erdinger Weißbier, Peloton, Nivea Men, Snickers, die Deutsche Vermögensberatung und zukünftig „MediaMarktSaturn“ geworben hat und wirbt, verdankt er im Wesentlichen der Überzeugung der Konsumenten, dass ein Produkt, für das Klopp Werbung macht, so ganz schlecht nicht sein könne – und dieses Faustpfand macht sich jetzt auch Red Bull zu Nutze. Dass Klopp dieses Angebot annimmt, das sollte niemanden mehr überraschen. Die Entscheidung, zu einem Konzern zu wechseln, der strategisch und mit viel Geld sein weiteres Vorgehen plant und zudem im sportlichen Bereich noch Luft nach oben hat, wirkt da fast schon wieder konsequent.
Denn Klopp wählte für seine Tätigkeit immer Vereine, die er in neue Sphären heben konnte, was ihm auch immer gelang. Ob Mainz, Dortmund oder Liverpool – er ging überall als Legende. Die Voraussetzungen, etwas zu bewegen, sind bei Red Bull dementsprechend exzellent. Leipzig und Salzburg spielen schon in der Champions League, die Arena in Leipzig ist modern und zudem immer besser gefüllt – ob das den Traditionalisten des Sports passt oder nicht. RB war so clever zu erkennen, was ihnen fehlt: ein Menschenfänger. Einer, der das Image ein wenig aufpoliert. Ob die Strahlkraft eines Klopp ausreicht, die negativen Sympathien auszuradieren oder sie befeuert, ist noch nicht ganz klar, die Tendenz hingegen schon: Auch damit wird der Konzern nicht akzeptiert – sogar eher noch mehr angefeindet. Selbst der beliebteste Trainer Deutschlands bringt dem unbeliebtesten Verein Deutschlands noch mehr Hass entgegen – vor allem in den sozialen Netzwerken.
Denn Fans sind strukturkonservativ. Ihr Verein soll bitte alles unternehmen, Pokale, Meisterschaften und Siege zu erringen, gleichzeitig soll aber alles so bleiben, wie es ist. Für all die Opfer, die Fans im modernen Fußball bringen, um ihren Verein zu unterstützen, verlangen sie Hingabe und Treue zu ihrem Sport. Diese Verpflichtung ist ein Marketingcoup, der Fans sauer aufstößt. Das sei jedoch nur ein „angenehmer Nebeneffekt“, heißt es aus Fuschl am See. „Wir müssen nicht von allen geliebt werden, für uns war Jürgens Kompetenz entscheidend.“ Dabei muss man jedoch die Frage stellen: Kann Klopp diese Position überhaupt? Denn seine nachgewiesene größte Stärke ist die Arbeit mit den Spielern. Als Trainer wird er für RB nicht arbeiten, zumindest sieht es stark danach aus. Somit fällt es weg, dass der über 1,90 Meter große Klopp seine Faust vor einer Fankurve die Massen anstachelt oder eine Kabine mit einer Rede aufheizt – die größten Stärken fallen weg. Ob Klopp Funktionär kann, wird sich also zeigen müssen.