Der Schwarze Holunder ist die Heilpflanze des Jahres 2024. Seine Früchte sind nun erntereif und nicht nur lecker, sie stärken auch unser Immunsystem und helfen bei Erkältungen – genau wie seine Blüten. Heilpflanzenexpertin Lilian Franz im Interview.
Frau Franz, was macht den Schwarzen Holunder so besonders?
Der Schwarze Holunder ist im Prinzip eine Pflanze, die schon seit Jahrtausenden als Heilpflanze genutzt wird. Man nannte sie auch die „Apotheke der Bauern“. Er wird gleich zweimal im Jahr beerntet, das ist etwas Besonderes. Seine Heilwirkung ist sehr vielseitig. Zum einen in der Prophylaxe, also in vorbeugender Wirkung. Aber auch, wenn man bereits erkrankt ist, kann man den Holunder zur Linderung der Beschwerden nutzen.
Bei welchen Beschwerden kann man den Holunder einsetzen?
Holunderblüten kennen die meisten verarbeitet als Sirup für das vor einigen Jahren bekannt gewordene beliebte Getränk Hugo. (lacht) Tatsächlich können die Holunderblüten noch viel mehr. Sie wirken abwehrstärkend, schleimlösend, schweißtreibend, sekretfördernd, wenn man einen trockenen Husten hat. Das liegt hauptsächlich an den ätherischen Ölen, aber auch an den Pflanzenfarbstoffen und -schleimstoffen. Deshalb sind die Blüten eine großartige Wahl bei Erkältungskrankheiten.
Und die Beeren des Holunders?
Wenn wir unser Immunsystem stärken möchten, sind die Beeren des Schwarzen Holunders die erste Wahl. Mit Zubereitungen daraus können wir uns für die dunkle Jahreszeit wappnen.
Kann der Schwarze Holunder von jedem, egal welchen Alters – auch von Kindern – eingenommen werden?
Ja, bei der Anwendung der Blüten und der Beeren gibt es keine Altersbeschränkung. Er ist auch hinsichtlich Nebenwirkungen, sehr gut verträglich. Was aber sehr wichtig ist: Wenn ich die Beeren zubereite, müssen diese unbedingt gekocht werden. Denn sie sind sonst für uns unbekömmlich. Wenn sie aber 15 Minuten ordentlich aufgekocht werden, bauen sich die unverträglichen Inhaltsstoffe ab, sodass dann einem Sirup, einer Marmelade, einem Muttersaft nichts im Wege steht.
Kann man die Wirkung von Heilpflanzen wie dem Schwarzen Holunder mit der von chemischen Medikamenten vergleichen?
Das würde ich beim Holunder auf jeden Fall sagen. Wenn wir ein gutes Körpergefühl haben, fühlen wir bereits die ersten Symptome einer Erkältung wie zum Beispiel ein Kribbeln in der Nase oder ein leichtes Kratzen im Hals. Reagiert man dann sofort und setzt den Holunder ein – in diesem Fall würde ich auf eine Zubereitung aus den Holunderbeeren zurückgreifen –, dann kann ich auf Fertigpräparate aus der Apotheke verzichten.
Wenn wir die Erkältung erst später bekämpfen, können wir mit natürlichen Mitteln wie zum Beispiel dem Schwarzen Holunder die Symptome lindern und die Dauer vielleicht sogar verkürzen. Aber wie die alte Volksweisheit schon sagt: Drei Tage kommt’s, drei Tage bleibt’s, drei Tage geht’s. (lacht)
Wie genau kann ich den Holunder verarbeiten und zu mir nehmen?
Damit wir einen heilwirksamen Vorrat haben, würde ich die Blüten trocknen. Ich würde sie zu einem Strauß binden und aufhängen, am besten noch ein Baumwolltuch herumbinden, denn viele Wirkstoffe sind in dem feinen gelben Blütenstaub, die möchten wir nicht verlieren. Getrocknet kann man sich aus den Blüten dann einen Tee zubereiten.
Und die Beeren?
Bei den Beeren haben wir mehrere Möglichkeiten. Damit sie gezielt zur Immunstärkung verwendet werden kann, bietet sich der Muttersaft oder ein Sirup an (Rezept für den Sirup im Info-Kasten, Anm. d. Red.). Wir machen es zuhause so, dass wir täglich ein bis zwei Esslöffel Muttersaft morgens ins Müsli, in den Saft oder den Joghurt mischen. Da gibt es viele Möglichkeiten. Man kann auch Marmelade oder Balsamico-Essig aus den Beeren herstellen.
Welche weiteren Heilkräuter sind in Ihren Augen unverzichtbar für die eigene Hausapotheke?
Das ist eine gute Frage. Wenn ich mich mit Heilkräutern auskenne, sammle ich auf jeden Fall Kräuter, die ich für eine Erkältungskrankheit brauche. Wir haben jetzt ja gerade über den Schwarzen Holunder gesprochen. Ergänzend würde ich noch einen Wegerich nehmen, den Spitzwegerich. Den kennen viele auch aus der Apotheke als Hustensaft, auch schon für die ganz Kleinen. Das kann ich mir auch sehr leicht selbst herstellen, mit ein bisschen Honig. Getrocknetes Thymiankraut hilft gegen einen festsitzenden Husten. Wenn jemand in der Familie an Durchfallerkrankungen leidet, dann würde ich mir Heidelbeeren haltbar machen, das ist schon für die ganz Kleinen gut. Getrocknete Brombeerblätter lassen sich gut zu einem Tee zubereiten, sie haben einen sehr hohen Gerbstoffgehalt und helfen damit ebenfalls bei Durchfallerkrankungen.
Was findet sich noch in Ihrer Hausapotheke?
Ich habe immer eine Salbe, einen Wiesenbalsam, den ich zubereite, aus Gänseblümchen, Gundermann, Vogelbeere. Ringelblumensalbe für Wunden. Es wächst so vieles in der Natur, was wir hernehmen können, dass es schwierig ist, sich da auf eine kleine Zahl zu beschränken.
Worauf muss man besonders achten, wenn man Heilkräuter anwenden möchten?
Die Grundvoraussetzung für die Herstellung der eigenen Heilkräuter ist, dass wir die Pflanzen, die wir verarbeiten, sicher bestimmen können. Wir haben sicher viel mehr ungiftige als giftige Pflanzen in unseren Regionen. Aber es gibt tatsächlich Pflanzen, die sind in ihrer Anwendung gefährlich bis tödlich. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir Pflanzen haben, die unter Schutz stehen, weil sie gefährdet sind, diese Pflanzen dürfen wir nicht sammeln.
Deshalb ist es immer gut, wenn ich einmal an einer Kräuterwanderung teilnehme, damit ich die Pflanzen gezeigt bekomme, daran riechen und fühlen kann. Und wenn wir sicher sind, dass es sich um die richtige Pflanze handelt, auch einmal kosten dürfen. So kann man sich sicher sein, dass man auch die korrekten Heilkräuter pflückt und diese künftig auch alleine bestimmen kann.
Es gibt ja mittlerweile auch Apps zum Bestimmen von Heilkräutern …
Die Apps sind gut, aber ich sollte mich niemals alleine auf diese verlassen. Ich habe damit auch schon negative Erfahrungen gemacht.