Hollywood-Star Adrien Brody hat zum zweiten Mal einen Oscar als bester Hauptdarsteller gewonnen. Den ersten Oscar bekam er vor 22 Jahren. In beiden Filmen spielt er einen jüdischen Holocaustüberlebenden. Das ist der goldene Rahmen für eine Karriere, in der er seine Vielseitigkeit auch in anderen Rollen eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Überschwänglich und mit viel Pathos und Empathie bedankte sich Adrien Brody bei der Oscar-Verleihung für die Auszeichnung als bester Hauptdarsteller – mit einer fast sechsminütigen Rede statt der erlaubten 45 Sekunden. Er sprach vom „Höhepunkt seiner Karriere“ und dem Auftrag, „jetzt wieder neu zu beginnen“ und in den nächsten 20 Jahren hoffentlich noch viele bedeutsame und wichtige Rollen spielen zu können. „Die Schauspielerei ist ein zerbrechliches Metier, und eine solche Auszeichnung ist ein großer Ansporn.“
„Ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen“
Genau wie László Tóth, den Brody in „Der Brutalist“ spielt, und wie Wladyslaw Szpilman, seine Figur in Roman Polańskis „Der Pianist“, ist auch Adrien Brody in der Kultur des jüdischen Europa fest verwurzelt. Die Vorfahren seines Vaters waren polnische Juden, seine Großeltern mütterlicherseits flohen 1956 nach der Sowjet-Invasion von Ungarn nach Amerika. „Ich bin mir dieses jüdischen Erbes sehr wohl bewusst. Auch Verwandte aus meiner Familie starben im Konzentrationslager. Deshalb ist es mir sehr wichtig, gegen Antisemitismus ein Zeichen zu setzen. Und ich wende mich auch entschieden gegen diesen neu aufgeflammtem Hass in den USA sowie gegen die Unterdrückung und Ausgrenzung von Minderheiten.“
Kinodebüt mit gerade mal 15 Jahren

Adrien Brody wurde am 14. April 1973 in Queens, New York City, geboren. Dort wuchs der Sohn eines jüdischen Lehrers und einer ungarischen Fotojournalistin auf und besuchte schon im Alter von nur zwölf Jahren die American Academy of Dramatic Arts. Seinen Abschluss machte er an der High School for the Performing Arts. Sein Kinodebüt gab er 1989 mit gerade einmal 15 Jahren in der Trilogie „New Yorker Geschichten“ in dem Segment unter der Regie von Francis Ford Coppola („Leben ohne Zoe“). Seine professionelle Schauspielerkarriere startete dann Anfang der 90er-Jahre mit Filmen wie „König der Murmelspieler“ und „Jailbreakers – Jung und vogelfrei“. Danach war er unter anderem in Filmen von Spike Lee („Summer of Sam“) und Barry Levinson („Liberty Heights“) zu sehen. Seinen internationalen Durchbruch hatte er 2003 mit der Titelrolle in Polańskis Holocaust-Drama „Der Pianist“. Adrien Brody erinnert sich: „Der Film war damals ein großer Erfolg, was mich sehr gefreut hat. Aber es war schon seltsam, dass mich danach die Medien als jemand feierten, der ‚über Nacht‘ zum Star wurde. In Hollywood wird niemand ‚über Nacht“ zum Star. Ich hatte mir davor ja schon fast 15 Jahre lang die Seele aus dem Leib gespielt.“ Und mit einem Stirnrunzeln fährt er fort: „Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass ich nach dem Oscar in ein schwarzes Loch fallen würde. Damals kam fast jeder mit seinen guten Ratschlägen auf mich zu und erklärte mir, was ich unbedingt machen müsste – und was auf keinen Fall. Das hat mich total verunsichert. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich wieder klar denken konnte.“ Und dann, mit einem Lächeln auf den Lippen: „Natürlich ist mir klar, dass dieser Oscar der Durchbruch für mich als Schauspieler war. Ohne ihn hätte ich die Hauptrolle in Peter Jacksons ‚King Kong‘ sicher nicht bekommen.“

Trotz seines großen Talents und der Fähigkeit, sich auch nahtlos in ein Schauspieler-Ensemble einzugliedern, blieben Brody die prestigeträchtigen Rollen lange verwehrt. Die Hollywood-Studios suchten sich dafür lieber Leonardo DiCaprio oder Matt Damon aus. „Das hat mich lange Zeit ziemlich frustriert. Was mich aber trotzdem bei der Stange hielt, war mein bodenständiger Humor, den ich mir auf den Straßen von Queens angeeignet habe. Als Überlebenstraining sozusagen. Queens ist vielleicht nicht der raueste und gefährlichste Bezirk des Big Apple, aber sicher der ehrlichste. Hier zählt das, was du wirklich bist. Und nicht der Schein.“
Zu den erwähnenswerten Filmen aus jener Zeit gehören unter anderem der trashige Fantasy-Schocker „Predators“ (2010), Woody Allens romantische Komödie „Midnight in Paris“ (2011), in der er Salvador Dalí darstellte, und das Drama „Detachment“ (2011). Eine willkommene Konstante in Brodys Karriere ist seine Zusammenarbeit mit dem Arthouse-Regisseur Wes Anderson. Der engagierte ihn zum ersten Mal 2007 für seinen Film „Darjeeling Limited“. Seitdem hat Brody Rollen in den Anderson-Filmen „Grand Budapest Hotel“ (2014), „The French Dispatch“ (2021) und „Asteroid City“ (2023) gespielt. Während der Dreharbeiten zu „Darjeeling Limited“, die größtenteils in Indien stattfanden, entdeckte Adrien Brody die Fotografie für sich. „Indien war für mich so etwas wie eine Initialzündung. Die Liebe zur Fotografie habe ich allerdings von meiner Mutter, die selbst Fotografin war und mich als Kind oft auf ihre Foto-Reportagen mitgenommen hat. Ich fotografiere am liebsten das menschliche Antlitz. Das ist doch das Schönste, was es auf der Welt gibt.“

Obwohl Brody jedes Jahr ein, zwei Filme drehte und Gastauftritte in so renommierten TV-Serien wie „Peaky Blinders“ und „Succession“ hatte, verlor er langsam die Lust an der Schauspielerei. Viel lieber verbrachte er Zeit auf seiner Farm aus dem 19. Jahrhundert, im Bundesstaat New York, die er 2007 erworben hatte. Dort renovierte er voller Hingabe sein schlossähnliches Anwesen Stone Barn Castle. „Ich habe dort in den letzten Jahren jede Menge Energie und Dollars investiert. Das war mitunter ziemlich schmerzhaft. Aber es lohnte sich absolut“, schwärmt er. Kurz nach dem Ende der Renovierungsarbeiten trug er sich tatsächlich mit dem Gedanken, die Schauspielerei ein für alle Mal an den berühmten Nagel zu hängen. „Ich habe das zwar nie an die große Glocke gehängt, aber ich war wirklich kurz davor.“ Zumal er in der Zwischenzeit seine Leidenschaft fürs Malen entdeckt hat. Allerdings zeigt er – bis jetzt – seine großen Ölgemälde ausschließlich guten Freunden, so auch Scarlett Johansson, die ihn erst vor kurzem auf seinem Schloss besuchte und ihn in den höchsten Tönen lobt: „Adrien ist ein wahnsinnig guter Maler. Wenn ich so gut malen könnte wie er, würde ich mein Geld sicher als professioneller Maler verdienen“.
„Ich öffne mich als Mensch für andere“

Auf Stone Barn Castle lebt Adrien Brody seit 2020 mit seiner Freundin, der englischen Fashion-Designerin Georgina Chapman, und ihren zwei Kindern. Sie ist die Ex-Frau von Harvey Weinstein, von dem sie sich 2017 scheiden ließ, nachdem gegen ihn Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigungen bekannt wurden. Sie war es auch, die Adrien Brody davon überzeugte, sich doch wieder intensiver um die Schauspielerei zu kümmern, was doch offensichtlich immer noch seine große Leidenschaft war. Und sie ermutigte ihn, die Rolle des László Tóth anzunehmen – obwohl er eigentlich nur die zweite Wahl war. „Mit Tóth habe ich die perfekte Rolle gefunden“, meint Brody, „mit der ich endlich auch wieder Wahrheit vermitteln konnte und nicht nur für die Unterhaltung der Zuschauer auf der Leinwand präsent war. Ich liebe es, Rollen zu spielen, die nicht so gefällig sind, dass man die Figur spontan mag, sondern wo man sich es verdienen muss, sie zu verstehen.“ Brody verleiht seinem Alter Ego László Tóth eine Aura aus fieberhaftem Getriebensein und abgrundtiefer Traurigkeit, die er den ganzen Film über in der Schwebe hält und nie überzeichnet. Wirklich ganz großes Kino. Es wird wohl lange dauern, bis er wieder einen dermaßen elektrisierenden Part findet. Dass er nach diesem zweiten Oscar wieder in ein Loch fällt, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Denn wie es aussieht, tut ihm das neugefundene Familienleben sehr gut. „Früher war ich pure Emotion. Da hatte ich weder beruflich noch privat irgendeinen Filter, geschweige denn ein Sicherheitsnetz. Inzwischen versuche ich, die Dinge etwas rationaler zu sehen. Natürlich habe ich immer noch eine große Leidenschaft fürs Leben, aber dieses Leben spielt sich schon seit langem viel diskreter, ja intimer ab. Nachdem bekannt wurde, dass Georgina und ich ein Paar sind, hatten wir aus Gründen, auf die ich nicht eingehen will, eine wirklich harte Zeit. Wir konnten keinen Schritt aus dem Haus machen, ohne von Paparazzi abgeschossen zu werden. Das kann einem die Suppe schon sehr versalzen. Wir leben jetzt sehr glücklich auf meinem Anwesen. Und dort tummeln sich auch viele Tiere. Wir haben vier Katzen, einen Hund, ein Pony und bis vor kurzem auch eine handzahme Ratte namens Dumbo.“
Heißt das, dass sich Adrien Brody künftig immer mehr ins Privatleben zurückziehen wird? „Natürlich nicht“, lacht er, „dazu bin ich viel zu neugierig auf das Leben außerhalb der Komfortzone. Für mich ist es nach wie vor sehr wichtig, mich als Mensch für andere Menschen zu öffnen. Und auf neue Dinge einzulassen. Allerdings ist es mir dabei wichtig, eine innere Balance zu erreichen und zu halten.“
Es gab Zeiten, da wurde Adrien Brody gerne mit der Kinolegende Al Pacino verglichen. Darauf angesprochen, meint er schmunzelnd: „Natürlich ist Al Pacino ein absolut großartiger Schauspieler, den ich ohne Ende bewundere. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, dann wäre ich lieber der erste Adrien Brody als der neue Al Pacino.“ Mission accomplished, Mr. Brody.