Erste kleinere Beträge aus dem saarländischen Transformationsfonds werden 2023 ausgeschüttet. Hanno Dornseifer, IHK-Präsident und Mitglied des Beirates der Landesregierung, hofft auf Transparenz und starke Folgewirkungen für den Mittelstand.
Herr Dornseifer, Sie sind einer von neun Vertretern, die das Land beim Verteilen des drei Milliarden Euro schweren Transformationsfonds beraten. Wie ist die erste Beiratssitzung verlaufen?
Die erste, konstituierende Sitzung verlief sehr harmonisch. Wir haben uns eine Art Satzung gegeben, in der wir festhalten, wie wir künftig zusammenarbeiten wollen. Es ist viel Expertise aus verschiedenen Bereichen am Tisch, etwa mit Vertretern von Verbänden, der Wissenschaft oder der Arbeitsagentur. Das Land hat große Herausforderungen – um dies festzustellen, bedarf es keines Beirates. Wie man die Mittel des Fonds bestmöglich einsetzt: Zu dieser Frage kann das Gremium sicherlich beitragen.
Welche Kompetenzen besitzt der Beirat?
Der Beirat entscheidet nicht, aber er kann seine Kompetenz einbringen, um Ratschläge zu erteilen. Wir werden uns die Maßnahmen ansehen, die die Landesregierung aus den Mitteln des Fonds finanzieren möchte. Dabei wird es insbesondere darum gehen, die volkswirtschaftlichen Auswirkungen abzuschätzen. Für mich ist zentral, dass die volkswirtschaftliche Rendite jeder dieser Maßnahmen positiv ist. Nun warten wir also auf die ersten Vorschläge.
Welche Bedeutung messen Sie dem Fonds zu?
Das Saarland befindet sich in einer fundamentalen Transformation, die durch gleich mehrere aktuelle Krisen gerade massiv beschleunigt wird. Aufgrund unserer Branchenstruktur sind wir hier stärker betroffen als andere Regionen. Der Fonds kann uns helfen, diesen Herausforderungen zu begegnen. Insbesondere ist er notwendig, um eine Kofinanzierung für Unterstützungsinstrumente von Bund und EU darzustellen. Klar ist aber auch: So etwas macht man als Land nur einmal – wir haben nur einen Schuss, und der muss jetzt sitzen.
Ist die Höhe gerechtfertigt?
Ja, absolut. Nun besteht natürlich die Frage, wie wir diese Mittel verteilen. Zum Beispiel gibt es die Notwendigkeit, im Land die Industrie zu stützen und auch neue Industriebetriebe anzusiedeln. Da wäre das Ford-Areal zu nennen, aber auch SVolt und insbesondere Wolfspeed. Ein weiteres Thema ist die Automobilindustrie im Saarland, die im Wandel vom Verbrenner hin zur Elektromobilität steckt. Das sind enorme Herausforderungen für Betriebe wie ZF, Bosch oder die übrigen Zulieferbetriebe im Land. Und da wäre die Stahlindustrie, die auf dem Weg in die Wasserstoffwirtschaft gigantische Investitionen benötigt. Ich bin der Meinung, dass die Höhe des Transformationsfonds von drei Milliarden Euro das Mindeste ist, was wir brauchen werden, um diese Veränderungen zu stemmen.
Nachdem der Fonds öffentlich wurde, gab es Kritik. Die Grünen im Land beispielsweise verlangten, dass sich der Fonds mehr um den Mittelstand kümmern müsse – auch Ihr Klientel als IHK-Präsident.
Natürlich ist der Mittelstand ein wichtiger Motor der Saar-Wirtschaft, aber die Großbetriebe eben auch. Zur Wahrheit gehört: Wir sind bei allen Unterstützungsmaßnahmen eingebunden in den europarechtlichen Beihilferahmen. Beihilfe können wir entsprechend europäischer Regelungen also nur leisten, wenn es sich um Vorhaben von europäischer Dimension handelt, das betrifft in erster Linie größere Unternehmen. Alles andere wäre rechtlich nicht machbar. Aber die Landesregierung hat durchaus deutlich gemacht, dass sie auch dem Mittelstand wirksam und schnell beisteht. Das haben wir bei den Corona-Hilfen gesehen. Außerdem ist zu erwarten, dass die Projekte des Transformationsfonds viele Aufträge für den Mittelstand und kleinere Unternehmen im Saarland nach sich ziehen werden – vom Handwerker über die Bauunternehmen bis hin zum Zulieferer. Als Beispiel nenne ich die Stahlindustrie. Die Umstellung der Hochöfen auf grünen Stahl realisiert die Hütte ja technisch nicht alleine, sondern im Verbund mit vielen anderen Unternehmen: Bauindustrie, Elektroindustrie, Gießereien und viele mehr sind da gefordert und profitieren indirekt von den Mitteln des Fonds.
Zweiter Kritikpunkt: Die Grünen verlangen eine stärkere Förderung von zukunftsweisenden Technologien, von wissensbasierten Branchen, von KI oder der Gesundheitsbranche.
Auch das ist wichtig, damit werden wir die Zukunft des Landes aber nicht alleine sichern können. Dafür wird Geld bereitgestellt, ja, für Forschung und Entwicklung, aber aus diesen Branchen erwachsen nicht von heute auf morgen Tausende Arbeitsplätze.
Das Institut der deutschen Wirtschaft kritisierte unter anderem, dass das Startkapital ohne transparente Kalkulation festgelegt wurde. Muss die Landesregierung also im Management des Fonds nachbessern?
In der Verwendung der Mittel fordere ich höchstmögliche Transparenz von der Landesregierung. Es muss für jeden im Land klar ersichtlich sein, wofür und mit welchem Ziel die Milliarden ausgegeben werden. Ich glaube auch, dass hier demokratische Prozesse greifen müssen, und das tun sie jetzt. Der Landtag muss das in der politischen Breite mittragen.
Welchen Einfluss auf die Saar-Industrie und den Mittelstand erhoffen Sie sich durch die 800 Millionen Euro, die allein für Ansiedlungen und Flächen bereitstehen?
Wir haben gesehen, dass sich Ford gegen den Standort Saarland entschieden hat. Daraus müssen wir jetzt eine Chance machen, und es zeigt sich ja, wir sind weiter attraktiv. Mit geschicktem Flächendesign und einem guten Angebot können wir offenbar Zukunftsbranchen wie die Halbleiterindustrie ins Land holen. Deshalb brauchen wir Mittel, um das Flächenangebot weiter attraktiv für Investoren zu halten, die dann unter anderem auf dem Ford-Gelände hoffentlich zahlreiche Arbeitsplätze schaffen.
Ist der Transformationsfonds also ein Wettbewerbsvorteil für die saarländische Wirtschaft?
Definitiv. Weil wir die ersten waren, die mit dieser Klarheit gesagt haben, dass wir diesen Fonds brauchen. Damit zeigen wir großes Vertrauen in unser Land, setzen einen drei Milliarden Euro schweren Hebel an – und die Zusagen von SVolt und Wolfspeed zeigen, dass das Land im Fokus steht.
Auch eine Wettbewerbsverzerrung im Vergleich etwa mit anderen Regionen und Bundesländern?
Das würde ich so nicht sehen. Die Veränderungen, bei denen das Geld helfen soll, sind nicht aus unternehmerischen Entscheidungen heraus entstanden, sondern aus politischen. Dem müssen wir also Rechnung tragen und Unternehmen, die deshalb vor diesen Aufgaben stehen, unter die Arme greifen.
Die Experten des Stabilitätsrates sprechen von einem Präzedenzfall, der die Schuldenbremse aushöhlt, die Landesregierung von einer Notsituation. Wem neigen Sie mehr zu?
Wir sind in einer Notsituation, und zwar wegen multipler Krisen: Wir haben durch unsere Wirtschaftsstruktur besonderen Transformationsbedarf in den Kernbranchen unserer Wirtschaft, aktuelle Entwicklungen wie der Ukraine-Krieg und die hohen Energiepreise verschärfen die Situation. Diese rasch aufeinanderfolgenden Krisen zwingen uns, rasch zu handeln.
Sie sagen, der Fonds muss eine gute Rendite abwerfen. Wie sähe diese aus?
Wir müssen mindestens das Beschäftigungsniveau von heute halten, und zwar mindestens zu den Bedingungen von heute, sprich kein Abrutschen in den Niedriglohnsektor. Das müssen nicht die gleichen Branchen sein wie heute, aber wünschenswert wären hochwertige, gut bezahlte Industriearbeitsplätze mit entsprechend positiven Folgewirkungen für die Binnennachfrage. Dann wäre ich zufrieden.