In einem „Deutschlandpakt“ will Bundeskanzler Scholz große Herausforderungen und große Gemeinsamkeiten angehen. Die Union hat Bereitschaft signalisiert. Es dürften aber „keine Placebo-Lösungen“ herauskommen, mahnt der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak.
Herr Dr. Luczak, der Bundeskanzler hat einen „Deutschlandpakt“ ausgerufen, also eine gemeinsame Kraftanstrengung der demokratischen Parteien. Heißt das, salopp formuliert, die Union als größte Oppositionsfraktion soll helfen, wenn es die Regierungskoalition alleine nicht hinkriegt?
Wenn es um das Wohl des Landes geht, können wir uns als Union einem solchen Hilferuf nicht so einfach verweigern. Wir verstehen unsere Rolle als stärkste Oppositionskraft konstruktiv, wir sagen nicht zu allem Nein, nur weil es von der Regierung kommt, das hat Friedrich Merz oft und sehr klar betont. Deswegen sind wir grundsätzlich bereit, bei schwierigen Entscheidungen mitzuhelfen. Wir haben Bundeskanzler Olaf Scholz deswegen angeboten, ihn bei einer Kehrtwende in der Migrationspolitik zu unterstützen. Denn gerade bei dieser für unser Land zentralen Frage sind die Uneinigkeit und der Streit in der Koalition besonders groß. Nicht nur sein grüner Koalitionspartner stemmt sich dagegen, auch Teile seiner eigenen Partei haben offenbar noch nicht nachvollzogen, dass die Kommunen an den Grenzen ihrer Kapazität angelangt sind. Von einer Integration der Migranten ganz zu schweigen. Deswegen sind wir als Union bei diesem Thema sehr klar: Wir brauchen eine Begrenzung der Migration, nur dann können wir auch Humanität sicherstellen. Wenn Olaf Scholz und die Ampel bereit sind, diesen Weg einzuschlagen, unterstützen wir das gern und machen bei einem Deutschlandpakt zur Begrenzung der Migration mit. Allerdings, und das ist für uns zentral, es dürfen keine Placebo-Lösungen sein. Wenn wir Olaf Scholz die Hand reichen, dann muss es um substanzielle und wirksame Lösungen bei der Steuerung und Begrenzung der Migration gehen. Jetzt nur weiße Salbe zu verteilen, um den Burgfrieden der Ampel zu retten, dafür stehen wir als Union nicht bereit.
Die Migrationspolitik ist für die CDU/CSU ein Hauptthema. Ein Aspekt dabei ist die Unterbringung. Als bau- und wohnpolitischer Sprecher der Unionsfraktion kennen Sie die dramatische Lage am Wohnungsmarkt. Wie soll das gehen?
Die aktuelle Lage beim Wohnungsbau ist dramatisch. Die Baugenehmigungszahlen brechen flächendeckend ein und die Ampel ist meilenweit von ihrem selbstgesteckten Ziel entfernt, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Leidtragende sind die vielen hunderttausend Menschen, die auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung sind. Natürlich hat diese schwierige Situation auch mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukrainer, den gestiegenen Baukosten und den dramatisch verschlechterten Finanzierungsbedingungen zu tun. Es geht aber auch um hausgemachte Probleme. So hat der abrupte Fördererstopp beim KfW-Programm Anfang letzten Jahres zu einem massiven Vertrauensverlust geführt, Planungs- und Investitionssicherheit torpediert. Gleichzeitig hat die Bundesregierung trotz massiv gestiegener Materialkosten die Baustandards erhöht, was das Bauen noch einmal teurer gemacht hat. Richtig wäre gewesen, entschlossen gegenzusteuern. Wir brauchen eine echte Zeitenwende mit verbesserten Rahmenbedingungen beim Wohnungsbau. Die schier unübersehbare Vielzahl von Bauvorschriften muss radikal entschlackt werden und die Bauwirtschaft braucht einen starken Impuls und klare Perspektiven. Ansonsten werden wir das von der Ampel selbst gesteckte Ziel von 400.000 Wohnungen auf Jahre hinaus nicht schaffen. Wobei schon die Ausrichtung genau genommen zu niedrig war, eigentlich müsste das Ziel bei 500.000 oder sogar 600.000 Wohnungen im Neubau liegen.
Und inwieweit würden sie da nun der Ampel entgegenkommen?
Es geht nicht um Entgegenkommen. Die Ampel muss endlich liefern. Wir haben ja kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit. Noch ein weiterer Baugipfel bringen uns nicht weiter, es muss endlich konkret gehandelt werden. Wenigstens wurde auf dem Baugipfel nun beschlossen, dass die von der Ampel eigentlich geplante weitere Verschärfung des energetischen Neubaustandards 2025 nicht kommt. Das reicht aber keineswegs aus. Denn das verhindert ja nur eine weitere Verteuerung des Bauens, das Bauen bleibt aber genauso teuer, wie es ist. Und das genau ist der Hebel: Wir müssen von den hohen Baukosten runterkommen, sonst wird Wohnen irgendwann unbezahlbar. Die 14 Maßnahmen, die auf dem Baugipfel beschlossen wurden, reichen hinten und vorne nicht. Die Kosten dafür belaufen sich auf etwa 45 Milliarden, Regierungsberater Prof. Südekum hat aber ausgerechnet, dass damit gerade einmal der Neubau von etwa 30.000 Wohnungen angeregt wird. Nach aktuellem Stand wird im kommenden Jahr mit rund 180.000 Wohnungen gerechnet, kommen jetzt 30.000 durch die Maßnahmen des Baugipfels hinzu, sind das 210.000 Wohnungen. Es fehlen unter dem Strich also allein im nächsten Jahr rund 300.000 neu gebaute Wohnungen. Das ist weit unter dem tatsächlichen Bedarf, den wir jetzt schon haben.
Was wäre aus Ihrer Sicht ein probates Mittel, um diese Abwärtsspirale in der Bauwirtschaft zu brechen?
Sie haben es genau richtig erkannt: Es ist keine kleine Delle bei den Bauanträgen, das ist eine Abwärtsspirale, die wir haben. Mitten in der größten Wohnungsnot melden Bauunternehmen Kurzarbeit an, oder noch schlimmer, gleich Insolvenz. Damit verlieren wir obendrein Tausende von Fachkräften. Wenn die erst mal weg sind, dann kommen die auch nicht so schnell wieder.
Das bedeutet, dass wir auf Jahre nicht die notwendigen Kapazitäten in der Baubranche haben werden, um Wohnungsbau in der erforderlichen Größenordnung zu schaffen. Deswegen muss jetzt entschlossen gegengesteuert werden. Kurzfristig braucht es einen starken Impuls und verlässliche Perspektiven für die Bauwirtschaft. Sonst werden noch mehr Projekte storniert, Kapazitäten abgebaut und Leute entlassen. Wenn das passiert, wird es auf viele lange Jahre unmöglich sein, die benötigten 500.000 Wohnungen zu bauen. Die bisherigen Förderprogramme müssen signifikant ausgeweitet und die energetischen Anforderungen temporär gesenkt werden. Neubau im Standard EH55 spart bereits viel CO2 ein und Kosten und Nutzen stehen in einem angemessenen Verhältnis. Das muss auch wieder gefördert werden. Es geht aber nicht nur um mehr Geld. Zentral ist, dass wir von den immer strengeren und kostentreibenden Baustandards runterkommen. Kein Unternehmen baut, wenn am Ende Wohnungen dabei rauskommen, die pro Quadratmeter zwischen 20 und 25 Euro Kaltmiete kosten. Das kann sich schlicht keiner mehr leisten. Das betrifft übrigens keineswegs nur die energetischen Baustandards, sondern auch die allgemeinen Baustandards, wie zum Beispiel Schallschutz. Deutschland leistet sich europaweit den Goldstandard im Wohnungsbau. Es gibt längst Vorschläge, geringere Standards rechtssicher zu vereinbaren. Etwa den sogenannten Gebäudetyp E. Den muss die Bundesregierung nun endlich auch einmal angehen und umsetzen.